Dem 35-jährigen Angeklagten warf die Staatsanwaltschaft vor, im Sommer 2016 in zwei Fällen jeweils ein Gramm Cannabis an Minderjährige verkauft zu haben. Auf die Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige stehe dem Strafgesetzbuch zufolge eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten, erklärte Richter Michael Pietzek. Auf die Spur war die Polizei dem Mann gekommen, nachdem im Zuge anderer Ermittlungen einer der mutmaßlichen Käufer den Angeklagten auf Fotos identifiziert hatte. Auch Mitschnitte aus Telefonüberwachungen im Zusammenhang mit anderen Fällen legten eine Verbindung zum Drogenmilieu nahe.
Der Angeklagte, ein 35-jähriger in Duderstadt lebender Grieche, stritt die Vorwürfe ab. „Mein Mandant kennt den Jungen nicht“, sagte der Verteidiger des Angeklagten. Mit dem „Jungen“ meinte er den heute 17-Jährigen, der die Drogen gekauft haben soll. Weiter schilderte der Angeklagte, er sei zwar an jenem Tag auf Cannabis angesprochen worden – allerdings von einer unbekannten, erwachsenen Begleitperson des Jugendlichen. Verkauft habe er nichts, er will lediglich geraten haben, einen Dealer am Busbahnhof anzusprechen.
An der Glaubwürdigkeit des Angeklagten hegte Richter Pietzek Zweifel: Unter anderem sagte der vermeintliche Drogendealer aus, seit längerer Zeit keine Drogen mehr zu nehmen. Aus dem Gericht vorliegenden Mitschnitten aus der Telefonüberwachung eines anderen Dealers ging aber hervor, dass der 35-Jährige diesen zuletzt nach Cannabis gefragt hatte.
Dass der Verdacht sich trotz der fragwürdigen Glaubwürdigkeit des Angeklagten nicht erhärten ließ, lag vor allem an einzelnen Zeugen. Dem 17-Jährigen hatte die Polizei während der Ermittlungen Lichtbilder verschiedener infrage kommender Personen vorgelegt. Er hatte den Akten zufolge den Angeklagten als Verkäufer identifiziert.
Damals sei er sich ziemlich sicher gewesen, den Angeklagten erkannt zu haben, sagte der 17-Jährige am Mittwoch. Dann bekundete er aber lediglich, dass sich die Person auf dem Foto und der Angeklagte „sehr ähnlich“ sehen. „Ich bin mir nicht sicher, dass das die Person ist“, sagte er nach längerer Befragung durch Richter und Staatsanwalt.
Auch die Aussage eines weiteren Zeugen trug nichts Erhellendes bei: Der 22-jährige einstige Cannabis-Konsument gab zwar an, dass der Angeklagte gelegentlich in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sei. Von der Abgabe von Cannabis an den 17-Jährigen will er aber nichts gewusst haben.
„Wir können den Tatvorwurf nicht erhärten“, bekannte Richter Pietzek angesichts des Aussageverhaltens. Er sprach den Angeklagten frei, die Gerichtskosten trägt das Land. Angesichts der Zeugenaussagen kündigte der Staatsanwalt allerdings an, dass man sich demnächst wiedersehen werde – er will den Anhaltspunkten über die Drogengeschäfte des Angeklagten nachgehen.
Neue Ermittlungen drohen außerdem auch dem 22-jährigen Zeugen. Er ist zur Zeit auf Bewährung und verstrickte sich zeitweise derart in Widersprüche, dass Pietzek ihn über die Konsequenzen einer Falschaussage belehrte. Er werde das jetzt prüfen, kündigte der Staatsanwalt an.
Von Christoph Höland