Bei älteren Anwohnern liegen die Nerven blank. Sie machten gegenüber den Christdemokraten und dem ebenfalls anwesenden städtischen Ordnungsdezernenten Christian Schmetz (CDU) ihrem Ärger über die „weitgehende Untätigkeit der Stadtverwaltung“ Luft.
Partygänger bekommen noch morgens um 8 Uhr eine Fanta
Jüngere Bewohner des Viertels, in dem zahlreiche Studierende leben, hielten beim Rundgang dagegen. Sie priesen die „Lebendigkeit des Kiezes“. Im Viertel seien im Gegensatz zu anderen Bereichen der Innenstadt auch nach Ladenschluss noch Bürger unterwegs. Und Partygänger könnten sich nach einer durchfeierten Nacht morgens um 8 Uhr im „Pirates“ noch eine Fanta servieren lassen. Deswegen wohnten sie im Viertel.
Theuvsen: CDU „nicht spießig“
„Wir sind nicht spießig“, versicherte Ludwig Theuvsen, Ratsmitglied und Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, den jungen Bewohnern. Andererseits müsse auch klar sein, dass sich alle an bestimmte Regeln zu halten hätten. Er forderte „gegenseitige Rücksichtnahme“ ein. Dem stimmten die Studierenden zu. Betroffen hörten sie einem Anwohners zu, der seine Haustür mit Plexiglas verkleidet hat. Der Urin der Zecher, die sich dort erleichterten, war ihm ständig ins Haus gelaufen. Nicht zu tolerieren sei, dass aus Zerstörungslust Fenster eingeschlagen würden, erklärte Theuvsen.
Shisha-Gerüche „widerlich“
Ein gewisses Verständnis zeigten die jungen Viertelbewohner für eine Anwohnerin, die über eine Shishabar klagte. Sie nutze den Innenhof ihres Wohnhauses. 80 Hausbewohner kämen seither nachts nicht zur Ruhe. Der Gestank der Pfeifen sei „widerlich“. Ratsherr Hans Otto Arnold (CDU), Vorsitzender des städtischen Bauausschusses, zeigte sich überrascht. Linie der Stadt sei eigentlich, aus Rücksicht auf Anwohner keine Gastro-Konzessionen für Innenhöfe zu gewähren. Ordnungsdezernent Schmetz hörte aufmerksam zu.
Manche freuen sich auch über das nächtliche Stimmengewirr
In anderen Punkten blieb es bei unterschiedlichen Sichtweisen. Viele junge Bewohner gehen erst nach Mitternacht ins Bett und fühlen sich daher in ihrer Nachtruhe nicht gestört. Eine junge Frau erklärte sogar, dass sie sich über das nächtliche Stimmengewirr auf der Straße freue. Dann fühle sie sich nicht so alleine.
Kioskbesitzer leisten Lebenshilfe
Erhalten bleiben müssten die Kioske in der Straße, forderten die jungen Menschen. Dass sie bis spät in die Nacht Alkohol verkaufen, ärgert die älteren Bewohner. Die Kioskbetreiber leisten zum Teil Lebenshilfe, wurde beim Rundgang deutlich. Eine junge Frau berichtete, dass sie sich dort beraten lasse, wenn zuhause etwas kaputt sei.
Graffiti verleihen dem Viertel „Szene-Charme“
Verschiedene Sichtweisen gab es hinsichtlich der Graffiti, die an vielen Häusern zu sehen sind. Sie seien „schön“ und würden dem Viertel „Szene-Charme“ verleihen, meinten junge Bewohner. Von einer „Verschandelung des Viertels“ sprachen dagegen die älteren Anwohner. Das Entfernen koste Eigentümer „viel Geld“. Zudem würden Straßenschilder bis zur Unkenntlichkeit mit Aufklebern beklebt. Der Ordnungsdezernent notierte sich das.
Lob für die Göttinger Entsorgungsbetriebe
Lobend äußerten sich die gestressten Anwohner über die Göttinger Entsorgungsbetriebe. Sie kämen morgens und reinigten die Straßen gründlich. Ein Hausmeister machte allerdings darauf aufmerksam, dass die Kehrmaschinen an einigen Stellen das Pflaster gelöst hätten.
Polizei hat nachts Strafzettel geschrieben
Missstände ließen sich unterbinden, wenn Stadtverwaltung und Polizei an einem Strang ziehen würden, betonte ein Anwohner. Die Pkw, die noch vor einem Jahr nachts rund um die Nikolaikirche geparkt hätten, seien verschwunden, seit die Polizei dort Strafzettel verteilt hätte.
Von Michael Caspar