Klar, die Schrift sei unglaublich schwierig, sagt Dozent Axel Schneider vom ostasiatischen Seminar. Sie sei aber auch sehr faszinierend.
Davon können sich die jungen Studenten gleich am Anfang überzeugen. Schneiders Kollegin Ni Lingling liest Auszüge aus dem Märchen Rotkäppchen auf Chinesisch vor – und die Kinder hängen ihr an den Lippen, lauschen gebannt ihrer Stimme, obwohl sie doch eigentlich gar nichts verstehen, geschweige denn lesen können. Danach gibt es spontan Applaus.
Großer Unterschied
Schneider erklärt daraufhin den großen Unterschied zwischen der deutschen und der chinesischen Schrift. Bei uns ergebe jeder Buchstabe einen Laut. „Und wenn ihr die Buchstaben kennt, könnt ihr alle westlichen Sprachen ein bisschen lesen“, sagt der Dozent. Im Chinesischen sei das anders. „Die chinesischen Zeichen geben nicht die Aussprache an, sondern eine Bedeutung.“ Während also bei uns aus den vier Buchstaben „b“, „a“, „u“ und „m“ das Wort Baum wird, gibt es in China für den Baum ein Zeichen.
Und weil für jeden Begriff in China ein bestimmtes Zeichen steht, gibt es von diesen viele, sehr viele. Rund 87 000 Zeichen, sagt Schneider, und ein Raunen geht durch den Hörsaal. „Aber kein Chinese kennt die alle“, beruhigt der Dozent. Dennoch: 3000 bis 5000 Zeichen müsse man schon können, um zum Beispiel eine chinesische Zeitung zu lesen.
Wie schwierig das ist, veranschaulicht ein kleiner Test. Dafür bekommt jeder Teilnehmer einen Zettel, auf dem sechs chinesische Zeichen stehen. Nun sollen die jungen Studenten ermitteln, welches Zeichen für welchen dieser sechs Begriffe steht: Auge, Berg, Messer, Pferd, Sonne und Tür. Leider vergisst der Dozent, den Kindern zu sagen, wie sie die Zettel halten müssen. Bei manchen stehen die Zeichen daher anfangs falsch herum. Am Ende kann dann aber doch nach einigem Raten jedem Zeichen einer der Begriffe zugeordnet werden. Bei manchen Zeichen wie bei dem für Tür und Berg ist es einfacher als bei anderen.
Mit der Zeit vereinfacht
Alle Zeichen hätten früher einmal, vor mehreren tausend Jahren, ihrer Bedeutung ähnlicher gesehen, erklärt Schneider. Also sah das Zeichen für Pferd auch wirklich wie eines aus. Das habe sich aber mit der Zeit „vereinfacht“, sagt Schneider. Auch manch Chinese tut sich also schwer mit der Schönschrift.