Eingeladen hatte der CDU-Bundestagsabgeordnete Fritz Güntzler, der bei „Fritz im Dialog“ herausfinden wollte, ob die Kultur und Kreativwirtschaft ein Zukunftsmodell für Göttingen sein könnte. Denn überregional ist sie das ihm zufolge bereits: Die Branche verzeichne jährliche Wachstumsraten von knapp zwei Prozent, ihr Umsatz mache 3,1 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus.
Vorbild Mannheim?
Wie sehr das Städte prägen kann, illustrierte Frank Zumbach, der bei der Stadt Mannheim für die Unterstützung der Branche zuständig ist. Er schilderte, dass die frühere Industriestadt seit Jahren die Kreativwirtschaft systematisch fördere. Was das bedeutet, zeigen Zahlen der Stadt: 4000 Arbeitsplätze hängen mittlerweile an der Branche. Zugleich zeigen Befragungen immer wieder, dass mehr als 90 Prozent der Mannheimer mit dem kulturellen Angebot ihrer Stadt sehr zufrieden seien.
Dass Mannheim Zumbach zufolge acht Gründerzentren für die Kreativwirtschaft betreibt und bei der Stadtverwaltung ganze Stabsstellen das Thema vorantreiben, beeindruckte Ulrich Drees. „Ich erblasse vor Neid“, sagte der Göttinger Autor, der für das Stellwerk-Netzwerk der Göttinger Kreativwirtschaft auf dem Podium saß. Diesem gehören ihm zufolge etwa 70 Akteure aus der Branche an.
Hiesige Kreativwirtschaft vernetzt sich
Zwar habe die hiesige Kreativszene durchaus prominente und erfolgreiche Vertreter, besonders aus den Bereichen Literatur und Verlagswesen. Doch eine professionelle Vernetzung gebe es bisher nicht. Das liege einerseits daran, dass bei der Kreativwirtschaft lange kaum ein Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Vernetzung bestanden habe. Andererseits fehlten schlicht Ansprechpartner bei der Verwaltung, so Drees.
Auch Reiner Schmidt attestierte der Göttinger Kreativwirtschaft, nicht so weit zu sein wie die Branche in anderen Städten. Einerseits machte dies der Wissenschaftler von der Hochschule Anhalt an den Aussagen seiner hier studierenden Tochter fest, die sich über Langeweile in Göttingen beklage. Andererseits sehe er in der Stadt tatsächlich keine großen Zentren der Kreativwirtschaft – „die winken, wenn überhaupt, im Hintergrund“, sagte Schmidt.
Lösungsvorschläge für die Göttinger Branche
Allein sei Göttingen mit einer solchen Situation allerdings nicht, beschrieb Christoph Backes, Projektleiter beim Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes. Zwar habe die Politik mittlerweile verstanden, dass die Kreativwirtschaft ein Innovationstreiber sei. „Konkret tut sich meist trotzdem nicht viel“.
Geht es nach Backes und Zumbruch liegt die Lösung dafür auf der Hand: Verwaltungen könnten beispielsweise Koordinierungsstellen einrichten, die als Scharnier zwischen Kreativwirtschaft und Verwaltung dienten. Diese bräuchten allerdings reichlich Fördermittel, betonte Backes.
Er riet den anwesenden Göttinger Politikern, darauf zu vertrauen, was sich in Punkto Kreativwirtschaft in anderen Städten mit großzügiger Förderpolitik abgespielt habe: Dort hänge überall jeder sechste Arbeitsplatz an der Branche und jedes zehnte Unternehmen sei ihr zuzurechnen.
CDU-Politiker wollen das Thema vorantreiben
„Die Kreativwirtschaft muss raus aus der Bittsteller-Rolle“, schilderte Güntzler nach der Diskussion seinen Eindruck. Und auch Harald Noack, Vorsitzender CDU-Fraktion im Göttinger Kreistag, nahm Hausaufgaben mit: „Es braucht eine Koordinierungsstelle“, bekannte er nach der Diskussion.
Von Christoph Höland