„An die Sense, fertig, los!“ Klaus Welsch ruft das Kommando ins Mikrofon und sein Vereinskollege Kai Sonnenschein greift zum Arbeitsgerät, das vor ihm auf dem Boden liegt. Jetzt gilt es, auf einer Strecke von zwölf Metern das etwa kniehohe Gras möglichst schnell, sauber und gleichmäßig zu entfernen.
In langen Zügen bewegt Sonnenschein das Blatt hin und her, wie die Schneide der Sense genannt wird. Zwischendurch flucht er über die vielen Maulwurfshaufen, greift zum Wetzstein und geht dann weiter. „Streicheleinheiten an der Sense werden belohnt“, kommentiert Welsch lachend.
4000-jährige Geschichte
Es ist eine schweißtreibende Beschäftigung, gerade wenn den Aktiven wie am frühen Pfingstsonntagsmorgen die Sonne auf den Kopf scheint und der Rote Heinrich, der überall aus dem Boden sprießt, das Sensenblatt stumpf macht. Nach zwölf Metern und etwa 100 Zügen ist allen Teilnehmern die Anstrengung anzusehen. „Bis vor einer Generation war es in der Landwirtschaft noch völlig normal, dass das Futter für die Tiere mit der Sense geschnitten wurde“, erzählt Welsch. Der Vereinsvorsitzende hat sich ausgiebig mit der Geschichte der Sense beschäftigt. Mit einer Tradition von 4000 Jahren handele es sich um eines der ältesten Handwerkszeuge überhaupt, referiert der Vereinsvorsitzende.
Er selbst mähe schon sein ganzes Leben mit der Sense, sei schon als Kind von den Eltern zum Grünzeug holen geschickt worden. Die Begeisterung ist geblieben. Und auch wenn er gestehen muss, den heimischen Zierrasen mit dem Rasenmäher kurz zu halten, nehme er die Sense einfach gerne in die Hand. Heute sei es ungleich schwerer, junge Leute für die Arbeit mit der Sense und den Verein zu begeistern. „Keine Ahnung, woran das liegt. Vielleicht ist es ihnen zu anstrengend.“
Pastor Trebing greift vor der Predigt zur Sense
Während er das sagt, greift auf der Wiese Pastor Mark Trebing zur Sense. Unter dem Applaus seiner Gemeindemitglieder und mit wohlmeinenden Kommentaren legt er einen schnellen, wenn auch nicht ganz sauberen Start hin. Er müsse den linken Arm mit dem Sensenbaum etwas höher nehmen, sagt einer. „Und nicht so viel in den Boden hauen“, kommentiert ein anderer. Am Ende seiner zwölf Meter muss der Geistliche gestehen, dass ihm das Predigen eindeutig leichter falle. Dann verabschiedet er sich. In der nächsten Wettbewerbspause kommt er zum Feldgottesdienst wieder.
Zuvor aber stehen noch einige Namen auf der Anmeldeliste. Unter den Augen des Schiedsrichter-Trios, bestehend aus Harry Arnemann, Helmut Behm und Dieter Heidel, mähen Männer und Frauen – seit kurzem hat der Verein auch zwei weibliche aktive Mitglieder – die Wiese Streifen für Streifen ab. Beurteilt werden neben der Geschwindigkeit und der Quadratmeterzahl außerdem die Sauberkeit des Schnitts und die Mahtablage – das gemähte Gras sollte möglichst sauber in einer Linie liegen.
Ein Kulturgut bewahren
In vergangenen Jahren seien es bis zu 40 Mäher gewesen, erzählt Welsch. „Der Jüngste war fünf Jahre alt.“ Vier Dörfer hätten Wettbewerbe in der Umgebung veranstaltet und sich gegenseitig eingeladen. Heute gibt es den regelmäßigen Wettkampf mit der Sense nur noch in Bodenfelde. Und das soll auch so bleiben. Solange Gräser, Disteln und Roter Heinrich im Frühling ihre Köpfe aus dem Boden strecken, werden die Mitglieder des Sensenclubs Bodenfelde zu ihrem Arbeitsgerät greifen. Aus Spaß und um ein Kulturgut zu bewahren.
Von Markus Scharf