27 Ratsmitglieder aus SPD, CDU FDP und Grüne stimmten in der vollbesetzten Northeimer Stadthalle mit Ja, sieben Ratspolitiker aus AfD, FUL und Linke stimmten gegen die Einleitung des Abwahlverfahrens gegen Tannhäuser – namentlich Burkhard Ernst (FUL, ehemals FDP), Jens Kestner, Hartmut Schmidt und Achim Packeiser (AfD), Rolf Pflugmacher (Linke), Armin Töpperwien und Rolf Traupe (beide FUL). Die anwesenden Northeimer Bürger kommentierten das Abstimmungsergebnis mit Applaus.
Jetzt müssen die Northeimer parallel zur Landtagswahl am 15. Oktober auch darüber abstimmen, ob Tannhäuser im Amt bleibt oder vorzeitig abgewählt wird. Ein entsprechender Beschluss fasste der Rat am Freitag einstimmig.
Zweites Abwahlverfahren in Northeim
Es ist bereits das zweite Abwahlverfahren in Northeim. Anfang 2013 hatte der Rat ein Abwahlverfahren gegen Tannhäusers Vorgänger Harald Kühle (SPD) eingeleitet. Dieser hatte daraufhin von sich aus das Handtuch geworfen und war damit ohne Bürgerentscheid vorzeitig abgewählt. Bei der folgenden Wahl hatte sich der parteilose Tannhäuser gegen einen gemeinsamen Kandidaten von SPD, CDU und Grünen durchgesetzt.
Der 57-jährige Ingenieur Tannhäuser, der von der FDP und einer unabhängigen Wählerinitiative gestützt wurde, hatte damals als eines seiner Hauptziele eine „wertschätzende und betriebswirtschaftlich geprägte Personalführung“ genannt. Genau daran scheint es zu hapern. Vor einem Jahr hatte der Rat einstimmig beschlossen, dass der Bürgermeister Seminare in Personalführung belegen müsse. Zuvor war bekannt geworden, dass sich zahlreiche Mitarbeiter über seinen von Mobbing und Einschüchterungsversuchen geprägten Führungsstil beklagt und Hilfe beim Betriebsarzt gesucht hatten.
Selbstdarstellung für deutsche Behörde ungewöhnlich
Tannhäuser besuchte dann auch ein Seminar. Fotos davon sind auf der Internetseite der Stadtverwaltung zu finden, ebenso eine Vielzahl von Bildern, die den Bürgermeister händeschüttelnd beim Neujahrsempfang zeigen. Eine derart ausgiebige Selbstdarstellung kennt man von US-Präsident Trump, für die Präsentation einer deutschen Behörde dürfte sie eher ungewöhnlich sein.
Glaubt man seinen Kritikern, hat das Seminar nicht gefruchtet. In den vergangenen drei Jahren hätten elf Führungskräfte die Stadtverwaltung verlassen, sagt SPD-Fraktionschef Berthold Ernst. Der personelle Aderlass sei erschreckend. „Wir befürchten einen Stillstand in der Stadtentwicklung.“ Auch der Chef der Grünen-Fraktion, Hans Harer, sorgt sich um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung. Seiner Ansicht nach ist die hohe Fluktuation vor allem auf den unsouveränen und willkürlichen Führungsstil des Verwaltungschefs zurückzuführen.
Mehrere Strafanzeigen
CDU-Fraktionschefin Reta Fromme verweist zudem auf mehrere Strafanzeigen, die gegen den Bürgermeister gestellt wurden. Sie selbst hatte Tannhäuser wegen Beleidigung angezeigt, weil dieser sie als „Wasch- und Bügelfrau der CDU“ bezeichnet hatte. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hatte dieses und ein weiteres Verfahren kürzlich eingestellt, weil die Vorwürfe strafrechtlich nicht relevant seien. Zwei weitere Verfahren seien noch anhängig, sagt Fromme. Dabei gehe es unter anderem um den Verdacht, dass Tannhäuser falsche Angaben zu seinen Urlaubszeiten gemacht und mehr Urlaub genommen habe, als ihm zustehe.
Inzwischen ist selbst die FDP, die ihn als Kandidat unterstützt hatte, von Tannhäuser abgerückt. „So kann es nicht weitergehen“, sagt Fraktionschef Eckhard Ilsemann.
Von Heidi Niemann und Michael Brakemeier