Rekordverdächtige 577,50 Euro monatlich kostet ein Platz in der neuen Obdachlosenunterkunft in Laatzen-Rethen. Dem Städte- und Gemeindebund ist kein vergleichbarer Fall bekannt.
Rechnet man die Nutzungsgebühren in der neuen Unterkunft für Obdachlose, Flüchtlinge und Asylbewerber an der Hildesheimer Straße in Laatzen-Rethen auf den Quadratmeter um, ergeben sich stolze 48,12 Euro monatlich. Vergleichbares wäre in Hannover nicht denkbar. Hier liegt der Höchstsatz bei 5,70 Euro. Der entscheidende Unterschied: Laatzen will kostendeckend arbeiten, Hannover tut das nicht.
An der Hildesheimer Straße liegen eine nicht mehr sanierungsfähige Altunterkunft und die neue Anlage direkt nebeneinander. Nach dem Umzug rieb sich ein 54-jähriger Obdachdachloser die Augen. Für das Zimmer in der alten Unterkunft wurden ihm 246 Euro monatlich Monatsgebühr berechnet, für das in der neuen 577,50 Euro – mehr als das Doppelte, obwohl die Ausstattung mit Bett, Spind und Holzstuhl alles andere als luxuriös ist.
Die Gebühren für die Unterkünfte sind nicht einheitlich, sondern werden von den Städten und Gemeinden per Satzung festgelegt, die wiederum die Räte beschließen. Laatzen berücksichtigt bei der Kalkulation nach Angaben von Thomas Schrader, Fachbereichsleiter Soziales, alle anfallenden Kosten und beruft sich dabei auf das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz. Dazu zählen etwa Aufwendungen für Energieversorgung, Reinigung, Sicherheitsdienste und Pförtner, aber im Rethener Fall auch die Abschreibungen für den 4 Millionen Euro teuren Neubau, die der wesentliche Grund für den Gebührenanstieg waren. „Wir machen damit aber keinen Gewinn“, betont Schrader.
Hannover arbeitet mit einer Mischkalkulation, die alle Unterkünfte berücksichtigt. „Unsere Gebührensätze sind nicht kostendeckend“, sagt Stadtsprecher Dennis Dix. Auch andere Städte reichen bei weitem nicht an das Rethener Niveau heran. Langenhagen etwa verlangt 4 Euro pro Quadratmeter in seinen beiden Obdachlosenunterkünften, will diesen Satz allerdings nach Angaben von Sprecherin Juliane Stahl demnächst erhöhen. In Garbsen sind es derzeit 7,30 Euro.
Dem niedersächsischen Städte- und Gemeindebund ist kein Fall bekannt, in dem die Gebührensätze ähnliche Höhen erreichen wie diejenigen in Rethen. „Grundsätzlich gilt aber das Prinzip, das kostendeckende Gebühren Vorrang vor Zuschüssen aus Steuern haben“, sagt Sprecher Thorsten Bullerdiek. Andererseits ist es am Ende meist doch die öffentliche Hand, die zahlt. Da die wenigsten Obdachlosen das Geld für die Unterkunft aufbringen können, übernimmt im Zweifelsfall das Jobcenter die Kosten.
Der 54-jährige Laatzener ist Frührentner und erhält 690 Euro Rente im Monat. Aus der Obdachlosenunterkunft ist er Anfang des Monats ausgezogen. Mit Hilfe einer Bekannten hat er eine Wohnung mit Bad und Küche gefunden, für die er im Vergleich zum Gebührensatz für das Zimmer in Rethen nur die Hälfte zahlen muss. Auf einem Markt, auf dem es in allen Kommunen an günstigem Wohnraum mangelt, ist das keine Selbstverständlichkeit.
Von Bernd Haase und Stephanie Zerm