Der deutsch-namibische Künstler Max Siedentopf ist in die Wüste gegangen. Dort hat er sechs Lautsprecher auf sechs weiße Sockel gestellt, in der Mitte wie auf einem Altar einen MP3-Player – auch der thront auf einem weißen Podest. Angetrieben wird alles von einer Solarzelle – und der MP3-Player spielt in Dauerschleife.
Aus den Lautsprechern plärrt der Song „Africa“ der Band Toto, der schon längst alle Radiostationen, die die Hits der 80er, 90er und das Beste von heute spielen, totgenervt hat. Der Name der Installation: „Toto Forever“. Auf seinem Instagram-Kanal hat Siedentopf Fotos und Videos gepostet mit der Bildunterschrift: „Der Song läuft in Dauerschleife, und durch die Solarbatterien wird Toto bis in alle Ewigkeiten laufen.“
„Toto Forever“ – keine Auseinandersetzung, nur Ironie
Dann sind diese Fotos und Videos viral gegangen – internationale Medien griffen „Toto Forever“ auf und feierten den 1991 geborenen Künstler. Der Song „Africa“ (1982) von Toto ist das typische Lied eines Bewohners der westlichen Welt über Afrika: mit Trommeln, dem Kilimandscharo und uralten Melodien im Text. Der Keyboarder David Paich erzählt, dass er das Lied geschrieben habe, nachdem er hungernde Kinder in einem Spot von Unicef gesehen habe. Doch Siedentopf, der selbst lange in Windhoek gelebt hat, fügt diesem Lied nichts Neues hinzu. In ironischer Distanz lässt er den Song allein in der Wüste zurück, eröffnet aber durch die simple Inszenierung keine neue Ebene. Und vor allem: keine Auseinandersetzung. Und so handeln die Artikel über die Arbeit auch nicht von dem Bild Afrikas, sondern von dem schlichten viralen Phänomen. Schaut her: Da gibt es etwas, das sich alle angucken. Und am nächsten Tag ist es wieder vergessen.
Die Arbeit ist eine Mogelpackung – sie hält nicht das, was sie auf den ersten Blick verspricht. Denn „forever“ wird dieser Toto definitiv nicht laufen. Sobald die Sonne untergeht, herrscht in der Wüste wieder Ruhe – oder spätestens wenn die nächste Sanddüne die Installation überrollt. Auch hätte das Video – wenn Inhalt und Form übereinstimmen sollen – als Dauerschleife geschnitten sein sollen. Ebenso stören die Windgeräusche das Hochglanzbild mit der gleißenden Sonne.
Kunst als platter Witz ohne Widerhall
Fotos von Siedentopf geistern durchs Netz: Ein ganzes Weißbrot, das quer zur Hälfe durchgeschnitten und wie ein klobiges Sandwich belegt wurde. Ein Mann, der sich mit einer Malerrolle und Sonnencreme den Rücken beschmiert. Es sind lustige, kleine Einfälle. Auch das „SZ-Magazin“ betitelte Ausgaben mit seinen Arbeiten, ebenso wie die „Die Zeit“. Siedentopf selbst ist ein guter Kommunikationsdesigner, aber ein Künstler, der aus den sozialen Medien heraus geboren wurde. Seine Fotos sind platte Witze, bei denen man, über das Smartphone gebeugt, nicht laut lacht, sondern nur Luft stärker aus der Nase heraus schnaubt – und dafür ist Instagram eben die passende Plattform. Der Account von Max Siedentopf hat fast 6000 Follower – ebenso viele wie ein Castingshow-Sänger vor dem Finale. Und doch viele für einen jungen Künstler. Zum Vergleich: Einem Account über Jonathan Meese folgen nur etwa 2700 Nutzer.
Instagram kann ein gutes Werkzeug sein, wenn es darum geht, die eigene visuelle Arbeit in die sozialen Medien zu bringen. Doch ist es ein schlechtes Werkzeug, wenn die Mechanismen von sozialen Medien auf die Kunst übertragen werden: Kunst, die wie Trolle im Internet mit einem blöden – und teils auch zerstörerischem – Witz die Aufmerksamkeit der Nutzer bündelt. Wenn künstlerische Arbeiten kein Nachdenken nach sich ziehen, kein Hängenbleiben folgt und erst recht kein Auf-sich-Beziehen, wenn einfach nur ein paar Lautsprecher in der Wüste stehen, aber nach dem Warum nicht gefragt wird, dann ist das kein guter Witz. Dann hat Instagram die Kunst versaut.
Von Geraldine Oetken / RND