Bei der Fischrestaurantkette Nordsee eskaliert ein Konflikt zwischen Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretern. Die Gewerkschaft NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) warf am Montag dem Unternehmen vor, die Arbeit von Betriebsräten durch Tricks zu untergraben. Nordsee habe vergangene Woche vor Gericht beantragt, die Betriebsratswahlen für unwirksam erklären zu lassen, sagte Guido Zeitler, stellvertretender Vorsitzender der NGG. Er sprach von einem „breiten Angriff auf die gesetzlich verankerte betriebliche Mitbestimmung“.
Nordsee wollte gegenüber der HAZ zu den Vorwürfen nicht Stellung beziehen. „Wir bitten um Verständnis, dass Nordsee sich inhaltlich nicht äußert, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt“, sagte eine Sprecherin.
Nach Darstellung der NGG versucht Nordsee, erfahrene Mitarbeiter durch einen Trick aus den Betriebsräten herauszuhalten: Das Unternehmen habe im Vorfeld der Betriebsratswahlen im März mehr als 200 Beschäftigte „einseitig“ zu leitenden Angestellten erklärt. Leitende Angestellte aber dürfen in der Regel einen Betriebsrat weder wählen noch ihm angehören, da sie zum Teil Arbeitgeberfunktionen ausüben. Wenn sie in den Betriebsrat gewählt werden, kann das Unternehmen die Wahl per Gerichtsbeschluss für ungültig erklären.
Allerdings ist laut Gesetz nicht jede Führungskraft gleichzeitig leitender Angestellter. Das Betriebsverfassungsgesetz zählt dazu nur diejenigen, die „selbstständig“ Mitarbeiter entlassen und einstellen, Generalvollmacht oder Prokura haben oder eigenständig Entscheidungen treffen, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sind.
Aus Sicht der NGG handelt es sich bei den beförderten Nordsee-Beschäftigten weiterhin nicht um leitende Angestellte. „Sie haben zwar einseitig vom Unternehmen eine sogenannte Personalvollmacht erhalten, stellen aber im täglichen Arbeitsalltag weder Personal selbstständig ein oder kündigen“, erklärte die Gewerkschaft. „Sie machen genau dasselbe wie vorher.“ Auch eine Erhöhung der Gehälter habe Nordsee nicht angeboten.
„Billiger Taschenspielertrick“
Die NGG unterstellt der Restaurantkette, dass sie so erfahrene Mitarbeiter aus den Betriebsräten heraushalten will. Außerdem könne das Unternehmen sie leichter entlassen, wenn sie den Gremien nicht angehören. Betriebsräte genießen einen besonderen Schutz vor Kündigungen. „Nordsee versucht hier einen ganz billigen Taschenspielertrick“, sagte NGG-Vizechef Zeitler.
Nach Angaben der Gewerkschaft hat Nordsee nun zwölf von insgesamt dreizehn Betriebsrats-Wahlen vor den zuständigen Arbeitsgerichten angefochten.
6000 Mitarbeiter
Zur Fisch-Kette Nordsee gehören 370 Filialen, davon 315 in Deutschland. Allein in Hannover gibt es vier Nordsee-Restaurants. Den Großteil der Filialen betreibt das Unternehmen selbst, rund 130 werden von Franchise-Partnern geführt. Die Zahl der Mitarbeiter liegt laut Nordsee bei 6000. Hinzu kommen 1200 weitere Angestellte bei den Partnern.
Von Christian Wölbert