Ethnologie Göttingen: Käptn Cooks Schätze ziehen aus

Als Kapitän James Cook im Jahr 1772 zu seiner zweiten Reise um die Welt aufbrach, war Tahiti in Europa noch kaum bekannt. Die Insel war erst fünf Jahre zuvor von Samuel Wallis entdeckt worden. Cook hatte die Insel während seiner ersten Weltreise im Jahr 1769 erstmals angesteuert – um dort die Venuspassage zu beobachten. Zeugnisse dieses Stücks Weltgeschichte sind in Göttingen beheimatet. Die einzigartige Cook-Forster-Sammlung zählt zur Ethnologischen Sammlung der Universität. Die Exponate von Weltrang ziehen nun allerdings aus und verlassen Göttingen. Die Cook-Forster-Sammlung ist nicht allein. „Rund 18 000 Exponate”, so erklärt es der Kustos der Ethnologischen Sammlung, Dr. Michael Kraus, werden derzeit verpackt, verstaut und auf Reisen geschickt. Nicht nur die Gegenstände, die Cook und seine wissenschaftliche Begleiter, die deutschen Gelehrten Reinhold und Georg Forster, in der Südsee erstanden, werden derzeit abtransportiert. Auch die Baron-von-Asch-Sammlung und tausende weiterer Stücke ziehen vorübergehend um. Marodes Gebäude am Theaterplatz: Der Grund dafür ist, dass das Gebäude am Theaterplatz saniert wird. Jahrzehntelang wurde darüber diskutiert, was mit dem Gebäude – das früher Museum für Völkerkunde hieß – und der Sammlung geschieht. Das Haus ist marode und veraltet. Es wurde den wertvollen Ausstellungsstücken schon lange nicht mehr gerecht. Jetzt geht es voran. Der sogenannte Zuwendungsantrag für die 5,4 Millionen Euro, die das Land Niedersachsen für die Sanierung zugesagt hat, wird vom Baumanagement der Universität derzeit erarbeitet. „Wir wollen den Antrag dem Land voraussichtlich im Juni zur Bewilligung vorlegen”, erklärt Rainer Bolli, Leiter des Baumanagements der Universität. Baubeginn soll dann im Herbst dieses Jahres sein. Bis dahin müssen die wertvollen Ethnographica natürlich ihre langjährige Heimat verlassen haben. Darauf, wertvolle und fragile Kunst und Ausstellungsstücke zu transportieren, sind Unternehmen wie die Firma Hasenkamp spezialisiert. Die Mitarbeiter haben spezielle Holzkisten und Kästen, Styropor, Pappe und Kartons mitgebracht: Dort, wo sonst in alten, dunklen, hölzernen Vitrinen die Ausstellungsstücke für die Besucher präsentiert wurden, herrscht momentan reges Umzugstreiben. 250 Jahre alte Federn aus Tahiti: Ein Umzug der besonderen Art: 250 Jahre alte hauchdünne und 30 Zentimeter lange Federn aus der Südsee kann man nicht einfach ein einem Karton verstauen. Das dreiteilige tahitianische Trauergewand, eines der Prunkstücke der Cook-Forster-Sammlung, aber besteht aus Federn, Muscheln, Schnüren und fragilem Gewebe. Ein falscher Griff, und das Gewand zerbröckelt – 250 Jahre, nachdem es Cook hartnäckig erhandelt hat – in Einzelteile. Nicole Zornhagen von der Göttinger Ethnologie demontiert das kostbare Gewand gemeinsam mit Torsten Fricke und Ronny Cabiles vom Transportunternehmen. Ganz vorsichtig legen sie die Federkrone in eine gepolsterte Kiste. „Da geht schon mal der Puls nach oben”, sagt Zornhagen. Das Gewand wird fachgerecht verpackt, alles ist gut gegangen. „Wir bringen die Exponate in eine Halle in Deutschland”, sagt Daniel Koch, Chef des Transportunternehmens. Wo genau die wertvolle Fracht die nächsten eineinhalb Jahre verbringt, will er aus Sicherheitsgründen geheim halten. Lesen Sie auch Bund bewilligt eine Million Euro für Ethnologie in Göttingen Umbau der Ethnologie Göttingen: Neue Räume für Kapitän Cooks Sammlung Ethnologische Sammlung der Universität Göttingen wird geschlossen Ethnologische Sammlung gibt 1834 nach Göttingen gelangte Maori-Schädel zurück Tonganische Paddel, Ketten, Schmuck, Kleidung, Gefäße und eine japanische Samurai-Rüstung aus dem 18. Jahrhundert werden in Kisten verstaut, die aus speziellem Holz gefertigt sind – behandelt gegen Schimmel und Schädlinge, aber ungefährlich für die fragile Fracht. Lilafarben sind die Kisten ausgeschlagen, die besondere klimatische Bedingungen benötigen, andere sind weiß. Jedes Stück wird fixiert, bekommt eine besondere Behandlung. „Einfach kann ja jeder”, sagt Koch. Tibetanischer Tempeldolch gegen böse Geister: Und so sind der Samurai und der tibetanische Tempeldolch bereits fachgerecht verstaut und bereit für ihre Fahrt in einem modernen Lastwagen. Das haben sie vermutlich auch noch nicht erlebt. Denn beispielsweise der Samurai, so erklärt Kraus, ist seit den 1930er Jahren Bestandteil der Sammlung. Der Dolch wiederum soll böse Geister fernhalten. „Wenn das jetzt auch für uns gilt, freuen wir uns”, sagt der Kustos. Die Ethnologische Sammlung der Universität Göttingen besitzt Gegenstände aus Ozeanien aus vier Jahrhunderten, „die in ihrer Zusammensetzung und Qualität einzigartig sind“, so die Universität. Auf drei Weltreisen in den Jahren 1768 bis 1780 erwarben der englische Kapitän James Cook und seine Begleiter große Mengen an Objekten aus dem pazifischen Raum, der amerikanischen Nordwest-Küste sowie aus Feuerland. Mit 500 Objekten besitzt die Uni Göttingen den weltweit größten Einzelbestand dieser Sammeltätigkeit. Auf seiner zweiten Reise 1772 bis 1775 wurde Cook auch von den beiden Deutschen Gelehrten Johann Reinhold Forster und dessen Sohn Georg begleitet. Deren Verbindung zum Göttinger Naturforscher Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) ist es wohl zu verdanken, dass in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Exponate der Cook/Forster-Sammlung in das Akademische Museum gelangten. Der Initiative des Göttinger Naturforschers und Anthropologen Blumenbach zu wissenschaftlichen Teilnehmern bei den großen Entdeckungsreisen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sei es laut Universität auch zu verdanken, dass die Baron-Von-Asch-Sammlung mit Exponaten der polaren Völker nach Göttingen kam. Alle Exponate sollen natürlich unversehrt nach Göttingen zurückkehren, wenn die Renovierung abgeschlossen ist. „Wir hoffen auf eine Wiedereröffnung im Jahr 2024”, sagt Kraus. Bis dahin soll das Gebäude saniert und umgebaut sein. Auch nach der Fertigstellung sollen am Theaterplatz Forschung, Lehre und Museum weiterhin unter einem Dach vereint bleiben. „Für die neue Dauerausstellung erhalten wir dank der Initiative der CDU-Bundestagsabgeordneten Fritz Güntzler und des verstorbenen SPD-Abgeordneten Thomas Oppermann eine Million Euro”, sagt Kraus. Wie genau die künftige Ausstellung aussehen soll, daran werde aber noch gearbeitet. „Wir wollen aber möglichst erweiterte Öffnungszeiten anbieten”, sagt Kraus. Die Göttinger Ethnologie ist eine der größten universitären Sammlungen dieser Art in Deutschland. Ausstellungsstücke wie der berühmte Federkopf des hawaiianischen Kriegsgotts Ku wurden bereits international ausgestellt, beispielsweise in Canberra und auf Hawaii. Auch er kehrt 2024 zurück. Nach vielen Jahren der Planung geht es nun mit der Renovierung voran. Aber auch Captain Cook brauchte Geduld. „Cook wollte bereits auf seiner ersten Reise ein Trauergewand erhandeln”, sagt Kraus. Die Tahitianer wollten es aber nicht gegen Metallgegenstände herausgeben, es war zu wertvoll. „Erst auf der zweiten Reise gaben sie es im Handel gegen rote Federn an Cook heraus”, sagt Kraus. Von Britta Bielefeld