Forstliche Versuchsanstalt Göttingen intensiviert Forschung in Wäldern

Aufgrund der stark gestiegenen Fläche von Wäldern mit natürlicher Entwicklung (NWE) ist an der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt (NW-FVA) an der Grätzelstraße in Göttingen am 1. April die Abteilung Waldnaturschutz gegründet worden. Die Abteilung hat ihren Sitz in Hann. Münden. Deren Leitung hat Dr. Peter Meyer übernommen. Meyer war bislang in der Abteilung Waldwachstum tätig, „mit ähnlichen Themen“, sagt er. Allerdings habe sich der Flächenumfang mittlerweile „massiv erhöht“, sodass die Gründung einer eigenen Abteilung notwendig geworden sei. Eigendynamische Entwicklung von Wälder unterstützen: Seit Mitte der 80er-Jahre werde in Wäldern, die nicht mehr genutzt werden, Naturwaldforschung betrieben, so Meyer. Es geht um ehemalige Wirtschaftswälder, in denen kein Holz geerntet werde, keine Pflegemaßnahmen mehr umgesetzt werden. „Wir versuchen, die eigendynamische Entwicklung dieser Wälder zu ermöglichen. Sie sind wie kleine Nationalparks.“ Ziel sei: „Besser zu verstehen, wie Wälder sich natürlich entwickeln“ – und diese Kenntnisse in den Naturschutz und die Waldbewirtschaftung zu übertragen. Als Beispiel nennt der 57-Jährige die „natürliche Rolle der Eiche in unseren Wäldern“. Wenn diese Art erhalten werden solle, müsse sie gegen Verdrängung durch andere Baumarten geschützt werden. Die Untersuchung der Entwicklung von Lebensarten unter Totholz sei ein weiteres Beispiel. Oder: Die Buche sei beim Klimawandel eine stark betroffene Art – Meyer: „Wir untersuchen, was die Buche aus sich selbst heraus schaffen kann. Ohne Bäume freistellen zu müssen.“ In Niedersachen ist der NWE-Umfang auf 33000 Hektar gestiegen: Allein in Niedersachsen sei der Flächenumfang von Wäldern mit natürlicher Entwicklung (NWE) stark gestiegen, so Meyer – von etwa 1000 Hektar 1972 (zehn Quadratkilometer) bis auf aktuell 33000 Hektar. Die Entwicklung liege unter anderem an der Gründung des Nationalparks Harz 1994 und der Vorgabe für die Landesforsten, zehn Prozent ihrer Fläche einer natürlichen Waldentwicklung zu überlassen. Die neue Abteilung baue auf der Arbeit des bisherigen Sachgebiets Waldnaturschutz und Naturwaldforschung auf, so NW-FVA-Pressesprecherin Inge Kehr. „Um die umfangreichen neuen Aufgaben wahrnehmen zu können, sollen in naher Zukunft fünf weitere Stellen für Felderhebungen und wissenschaftliche Mitarbeit in der Abteilung Waldnaturschutz eingerichtet werden.“ Die Abteilung werde in die Sachgebiete Naturwaldforschung sowie Arten- und Biotopschutz untergliedert. Dokumentation und Monitoring in der Naturwaldforschung: Das Sachgebiet Naturwaldforschung sei für Dokumentation, Monitoring und Forschung in den Naturwaldreservaten sowie in zahlreichen weiteren Wäldern mit natürlicher Entwicklung zuständig. Darüber hinaus leisteten die Mitarbeiter Beratung in methodischen Fragen der Naturwaldforschung. Im Bereich Arten- und Biotopschutz würden Konzepte für den Schutz und die Wiederherstellung von Lebensräumen im Wald erarbeitet. Moorrenaturierung im Wald zähle dazu, so Meyer. Ebenso Waldweiden, Mittel- und Niederwälder, die zum Beispiel für Schmetterlinge, Jungkäfer oder den Wiedehopf, ein mittlerweile seltener Brutvogel, wichtige Lebensräume seien. „Wir beschäftigen uns damit, Mittel- und Niederwälder unter heutigen Bedingungen wiederherzustellen“, sagt Meyer. Indikatoreigenschaften von Arten besser verstehen: Weitere Schwerpunkte bildeten Monitoring und Erfolgs-, also Wirkungskontrolle „der Ziele, die wir uns setzen“, so Meyer. Ein Ziel sei, mit wissenschaftlichen Methoden Arten zu erfassen und deren Indikatoreigenschaften besser zu verstehen. Die Artenvielfalt in Wäldern sei „so immens groß, dass nicht alle Arten jederzeit beobachtet und bestimmt“ werden könnten. Also werde mit Indikatoren gearbeitet. Die Weiterentwicklung von Indikatorensystemen sei für die Untersuchung und Erfassung der biologischen Vielfalt in Wäldern von entscheidender Bedeutung. Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt (NW-FVA) ist eine gemeinsame Forschungseinrichtung und Dienststelle der Länder Niedersachsen, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Die NW-FVA ist in fünf Abteilungen unterteilt: Waldwachstum, Waldschutz, Waldgen-Ressourcen, Umweltkontrolle und Waldnaturschutz. Die NW-FVA betreibe „praxisnahe forstliche Forschung und berät in den beteiligten Ländern Waldbesitzer, Forstbetriebe, Verwaltungen und die Politik“, heißt es auf deren Homepage. Sie sei für 2,7 Millionen Hektar Wald zuständig – „knapp ein Viertel der deutschen Waldfläche“. Rund 135 fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiteten an den beiden Standorten Göttingen und Hann. Münden. Zu den Kernkompetenzen der NW-FVA zählten langfristiges Monitoring, angewandte Forschung sowie Wissenstransfer. Ihre Aufgaben orientierten sich „an den Bedürfnissen der forstlichen Praxis“. Die NW-FVA kooperiere mit Forschungseinrichtungen in Deutschland und Europa. Von Stefan Kirchhoff

Natürliche Entwicklung - Forstliche Versuchsanstalt in Göttingen gründet neue Abteilung für Waldnaturschutz