Göttingen: Prof. Dr. Eva Hummers von der UMG, zum Impfen

Die Impfungen gegen das Coronavirus sind angelaufen. Diskutiert wird nicht nur über Priorisierungen, sondern auch über die verschiedenen Impfstoffe und ihre Wirkung. Sollten die Menschen in der Region warten, bis das als am zuverlässigsten geltende Serum verfügbar ist? Und wann setzt der Schutz gegen das SARS-CoV-2-Virus ein? Wie gut schützt die Impfung gegen das Coronavirus? Beide bereits in der EU zugelassenen Impfstoffe von BionTech/Pfizer und Moderna haben eine sehr gute Wirksamkeit. Die sogenannte Impfwirksamkeit beträgt etwa 95 Prozent. Das bedeutet, dass das Risiko für eine Erkrankung im Vergleich zu Nichtgeimpften mit derselben Gefährdung – z.B. demselben Alter und Gesundheitszustand – durch die Impfung um 95 Prozent sinkt. Das ist eine sehr gute Wirksamkeit, auch im Vergleich mit anderen Impfstoffen. Der jetzt kurz vor der Zulassung stehende Oxford/Astra-Zeneca-Impfstoff ist etwas weniger wirksam. Seine Impfeffektivität liegt bei etwa 70 Prozent. Dieser Impfstoff wird nur für Erwachsene bis 65 Jahre empfohlen, weil über die Wirksamkeit bei Älteren zu wenig bekannt ist. Bei allen drei Impfstoffen ist eine Erkrankung auch nach Impfung weiterhin möglich. Sie verläuft dann meist weniger schwer. Das Aufgeben der bestehenden Vorsichtsmaßnahmen im Sinne von „Mir kann jetzt nichts mehr passieren“ ist allerdings nicht zu rechtfertigen. Auch deswegen nicht, weil bisher nicht bekannt ist, ob bzw. wie gut die Impfstoffe davor schützen, Infektionen ohne Symptome zu bekommen und andere anzustecken. Welche Impfstoffe gibt es derzeit? Wie wirken diese? Die beiden mRNA-Impfstoffe sind sehr ähnlich. Sie bestehen aus einem Stückchen synthetisch hergestellter Messenger-RNA, die das Spikeprotein des SARS-CoV-2-Virus codiert. Es handelt sich um eine Art Bauanleitung für dieses Protein, ein Bestandteil der charakteristischen „Pickel“ des Virus. Wenn damit geimpft wird, wird die mRNA von Körperzellen aufgenommen. Beim Oxford/Astra-Zeneca-Impfstoff wird der Bauplan für das Spikeprotein gentechnisch in ein anderes, harmloses Virus eingebaut, das sich nicht mehr vermehren kann. Dieses Virus ist als sogenannter Vektor das Transportmittel, mit dem das Stückchen Coronavirus-Bauplan sozusagen huckepack in menschliche Zellen eingeschleust wird. Die Körperzellen lesen dann die eingeschleusten „Baupläne“ ab und fangen an, Spikeprotein zu produzieren, das weder vermehrungsfähig noch ansteckend ist. Dasselbe passiert, wenn man sich infiziert – nur produzieren die eigenen Zellen dann ganze, infektiöse Coronaviren. Der Körper erkennt das Spike-Protein als Fremdmaterial, bildet Antikörper dagegen und trainiert spezielle Abwehrzellen darin, dieses Protein auch später zu erkennen und die Immunabwehr wieder anzuwerfen, sobald es erneut zum Kontakt mit dem Eindringling kommt. Der erste Neukontakt ist dann normalerweise die zweite Impfung, die je nach mRNA-Impfstoff nach frühestens 3 oder 4 und spätestens nach 6 Wochen erfolgen soll und die Impfwirkung verstärkt, so dass Coronaviren erkannt und unschädlich gemacht werden können. Antikörper und Abwehrzellen richten sich sofort gegen die Zellen, die Spike-Proteine produzieren, und bauen diese wieder ab. Dabei kommt es zu einer Art Entzündungsreaktion, die öfter einige Tage nach der Impfung Schmerzen an der Impfstelle oder Symptome verursacht, die einem grippalen Infekt ähneln. Dies ist eine normale Impfreaktion, die nicht ansteckend ist. Was die Verträglichkeit angeht, unterscheiden sich die drei Impfstoffe nicht wesentlich. Ein Nachteil der mRNA-Impfstoffe ist: Sie sind empfindlich gegen Temperaturschwankungen und mechanische Erschütterung, die die Herstellung und Verteilung erschwert. Nachteilig beim Oxford/Astra-Zeneca Impfstoff ist die geringere Impfeffektivität von etwa 70 Prozent. Das entspricht immer noch der Impfeffektivität eines Grippeimpfstoffs in Jahren, in denen dieser gut wirkt. Ist es nicht sinnvoll, auf den besser wirksamen mRNA-Impfstoff zu warten, anstatt den weniger wirksamen Oxford/Astra-Zeneca-Impfstoff zu nehmen? Wenn innerhalb kurzer Zeit so viel mRNA-Impfstoff verfügbar wäre, dass alle Menschen, die das wünschen, auch geimpft werden könnten, wären diese Impfstoffe die bessere Wahl. Allerdings ist dies sicher nicht der Fall. Es wird noch Monate oder noch länger dauern, bis hier die Nachfrage bedient werden kann. In der Zwischenzeit erkranken sehr viele Menschen an COVID-19, etliche sterben daran oder behalten womöglich lang andauernde Folgeschäden. Daher ist es sehr wohl sinnvoll, sich mit dem Vektorimpfstoff von Astra-Zeneca impfen zu lassen. Bis mehr Erkenntnisse zur Wirksamkeit bei Älteren vorliegen, wird er zudem eher für jüngere Menschen verfügbar sein und somit diejenigen schützen, die sonst relativ lange warten müssten. Wer wird zuerst geimpft? Wie kommt diese Priorisierung zustande? Hierzu hat die Ständige Impfkommission bereits im Herbst Empfehlungen abgegeben. Ziel der Impfung ist es, COVID-19-Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern. Es werden Modellierungen erstellt, um zu berechnen, mit welcher Priorisierung bzw. Impfstrategie der größte Nutzen erzielt werden kann, um die meisten Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern und die meisten Lebensjahre zu retten. Obwohl jüngere Menschen sich häufiger anstecken und mobiler sind, ist die prioritäre Impfung alter Menschen, insbesondere in Pflegeheimen, eindeutig die Strategie, mit der bei anfangs begrenzter Verfügbarkeit von Impfstoff der meiste Nutzen für die Gesellschaft erzielt werden kann. Ein weiteres Impfziel ist auch der Schutz von medizinischem Personal. Besonders diejenigen, die an COVID-19 erkrankte Menschen versorgen, etwa auf COVID-Intensivstationen, aber auch auf normalen Krankenhausstationen oder im Pflegeheim, sind einem hohen Risiko für Ansteckungen ausgesetzt. Dazu zählt das Personal in Notaufnahmen oder im Rettungsdienst, das schwer erkrankten Menschen nah kommen muss, bevor diese getestet werden können. Wichtig ist der Impfschutz für medizinisches und pflegendes Personal nicht nur, weil diese ein besonders hohes Infektionsrisiko haben, sondern auch, weil im Fall einer Infektion mit nachfolgender Quarantäne von Kontaktpersonen schnell das gesamte Versorgungssystem zusammenbrechen könnte. Bisher wurde nur sehr wenig Impfstoff geliefert. Dieser war längst nicht ausreichend, um alle Personen der höchsten Prioritätsstufe impfen zu können. Damit wurden vorrangig Menschen in Pflegeheimen geimpft. Die für einen optimalen Schutz notwendige Zweitimpfung ist gesichert – das Land hat hierfür genug Impfstoff zurückgelegt. Sobald wieder Impfstoff für Erstimpfungen geliefert wird, wird die Impfung der Heime abgeschlossen werden und das Angebot des Impfzentrums für medizinisches und pflegendes Fachpersonal sowie hochpriorisierte Bürger*innen eröffnet werden. Lesen Sie auch Corona: Impfung in Göttingen bisher in 13 von 14 Seniorenheimen Göttingen: Ohne Sartorius kein Corona-Impfstoff für Biontech und Modena Heliosklinik Herzberg-Osterode: Beschäftigte in Covid-19-Bereichen geimpft Ab wann bin ich geschützt? Eine erste Schutzwirkung tritt etwa eine Woche nach der ersten Impfung auf. Die zweite Impfung verstärkt den Schutz, wahrscheinlich verlängert sie ihn auch. Der volle Schutz ist etwa eine Woche nach der zweiten Impfung erreicht. Wie lange er anhält, ist leider noch nicht bekannt. Das SARS-CoV-2-Virus gibt es jetzt seit gut einem Jahr, die aktuellen Impfstoffe seit etwa einem Dreivierteljahr. Es ist nachvollziehbar, dass über den Langzeitschutz noch keine Aussage gemacht werden kann. Hilft die Impfung auch bei der Mutation des Coronavirus? Nach aktueller Kenntnis bieten die Impfstoffe von BioNTech/Pfizer und Moderna auch einen Schutz gegen die Mutationen aus Großbritannien und Südafrika. Es ist wahrscheinlich, dass dies auch für den Impfstoff Universität Oxford/Asta-Zeneca gilt. Die Spike-Proteine bieten relativ viel Oberfläche, damit unser Körper Abwehrstoffe und -zellen bilden kann; die bisher bekannten Mutationen ändern diese Proteine nur teilweise. Leider ist es denkbar, dass die jetzt vorhandenen Impfstoffe nicht dauerhaft gegen zukünftig zu erwartende Mutationen wirken. Autorin: Prof. Eva Hummers, Direktorin des Instituts für Allgemeinmedizin der Universitätsmedizin Göttingen Von Prof. Eva Hummers