Göttinger Experten geben Tipps für wissenschaftliche Hausarbeiten

Der Beginn des neuen Semesters verzögert sich wegen der Ausbreitung des Coronavirus. Für Studierende bedeutet das verlängerte Semesterferien – und genügend Zeit, sich an aufgeschobene Haus- und Abschlussarbeiten zu setzen. Für alle Mutigen, die das Schreiben jetzt anpacken wollen, hat das Tageblatt Tipps von Experten eingeholt. Uta Scheer arbeitet seit etwa zehn Jahren als Schreibberaterin an der Universität Göttingen. Studenten der Sozialwissenschaftlichen Fakultät hilft sie bei Fragen wie: „Wie finde ich ein Thema?“ Scheer erklärt, dass sie bei ihrer Arbeit vor allem Eines vermitteln will: „Das Schreiben ist eine kognitive Entlastung. Ich komme im Denken weiter, indem meine Gedanken nicht nur im Kopf bleiben, sondern ich sie auch zu Papier bringe.“ Von der Themenwahl zur Fragestellung: Viele Studenten stünden anfangs vor demselben Problem: „Sie denken, sie bekommen die Seiten nicht voll und suchen sich ein Thema aus, das viel zu weit gefasst ist“, sagt Scheer. Das Thema muss also zunächst eingegrenzt werden – nur so könne es in Tiefe behandelt werden. „Der nächste Schritt ist, sich eine Fragestellung zu überlegen und Literatur zu suchen – dann ist das Fundament geschaffen.“ Für die Studenten sei die wissenschaftliche Arbeit ein unbekanntes Textgenre: „Viele warten auf diesen einen, genialen Moment, in dem ihnen die kreativen Ideen wie von selbst kommen“, berichtet Scheer. So schieben sie das Schreiben vor sich her und die Verzweiflung wächst. Dabei sei ein ganz anderer Vorgang wichtig: Die Arbeit sollte in unterschiedlichen Etappen entstehen. Wichtig sei, dass der Student von Anfang seiner Recherche an schreibt. Diese Notizen sammelt er und eine Rohfassung entsteht. In den letzten Schritten wird der Text überarbeitet. Scheer organisiert mit ihrer Kollegin Valerie Bleisteiner Workshops. Außerdem geben sie zu zweit etwa 800 Einzelberatungen pro Jahr. In den Sitzungen bringt Scheer den Studenten zum Beispiel nahe, dass 40 bis 60 Prozent des wissenschaftlichen Schreibens aus Phrasen besteht, wie „Müller argumentiert ...“. Diese Phrasen kennen zu lernen und zu beherrschen, helfe den Studenten enorm. „Die Teilnehmer reagieren auf unsere Workshops meist positiv und bedauern, dass sie sie nicht früher besucht haben – da sie sich so Ärger erspart hätten“, sagt sie. Bekannte Quellen nutzen: „Die konkrete Fragestellung ist der Schlüssel zum Erfolg“, sagt wiederum Justyna Kulczak. Die Studentin schreibt derzeit ihre Masterarbeit und arbeitet als studentische Hilfskraft im Internationalen Schreibzentrum (ISZ). „Um die Fragestellung und ein Thema zu entwickeln, können die Materialien aus dem Seminar oder der Vorlesung hilfreich sein: Folien, Kopien und die Literatur“, fügt sie hinzu. Im Idealfall sollten sich Studenten für das Thema interessieren. „Manchmal lohnt es sich aber auch, pragmatisch zu denken und ein Thema auszuwählen, das vielleicht nicht das spannendste der Welt ist – dafür aber leicht zu bearbeiten“, ergänzt Kulczak. „Nicht zu kompliziert denken!“, formuliert sie ihren Appell an die Studenten. „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass sich einige Kommilitonen nicht genügend auf einen Aspekt begrenzen, den sie untersuchen wollen – und deshalb nicht vorankommen.“ „Mit einer konkreten Zielsetzung sollte man sich einem Thema nähern“, ergänzt Ella Grieshammer, Leiterin des ISZ. Ansonsten verirrten sich die Studenten in der Literatur und verlören somit die Lust sowie den berühmten roten Faden. Manche Studenten glaubten, sie könnten erst dann etwas schreiben, wenn sie alles bis zum Ende gedacht haben. „Tatsächlich entstehen Gedanken jedoch oft beim Schreiben“, so Grieshammer. Um die Studenten beim Schreiben von Haus- und Abschlussarbeiten nicht alleine zu lassen, gibt es einige Hilfsangebote an der Universität. Zum einen bietet das Internationale Schreibzentrum (ISZ) Unterstützung an. Mit Fragen wie „Was heißt eigentlich „wissenschaftlich“ schreiben?“ oder „Wie kann ich meinen Text strukturieren?“, können sich Studenten an das Zentrum wenden. Interessierte können zu unterschiedlichen offenen Sprechstunden gehen. Etwa in der Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) können sich Studenten in einer solchen Sprechstunde Rat einholen: Im zweiten Geschoss sind dort dienstags von 14 bis 16 Uhr Mitarbeiter vom ISZ vor Ort. Außerdem bietet die Schreibberatung der Sozialwissenschaftlichen Fakultät an gleicher Stelle, zur selben Uhrzeit Hilfe an. Beide Einrichtungen bieten den Studenten zudem an, sich für eine individuelle Schreibberatung anzumelden. In Workshops wie „Die wissenschaftliche Hausarbeit: Strategisch und erfolgreich schreiben“ oder „Mission Possible: Plagiatsfrei durch die Haus- und Abschlussarbeit“ wird Studenten außerdem weitergeholfen. Lesen Sie auch: Studenten bekommen Hilfe beim Schreiben Vorlesungsfreie Zeit für Göttinger Studenten Sie erreichen die Autorin per E-Mail an: lokales@goettinger-tageblatt.de Von Anja Semonjek

Universität Göttingen - „Nicht zu kompliziert denken!“: Experten-Tipps für das Schreiben wissenschaftlicher Hausarbeiten