Göttinger Forscher entschlüsseln das Erbgut von Roggen

Göttinger Forscher beschäftigen sich mit der Entschlüsselung des Roggen-Genoms. „Nach Weizen und Gerste birgt die neue wissenschaftliche Erkenntnis viel Potenzial für die moderne Pflanzenzüchtung“, erklärt Professor Nils Stein vom Zentrum für integrierte Züchtungsforschung der Universität Göttingen. Das Genom beinhalte alle vererbbaren Informationen eines Lebewesens, dazu zählten auch die DNA, die RNA und Chromosomen und könne somit auch als Erbgut eines Lebewesens bezeichnet werden. „Die Ergebnisse sind für Wissenschaft und Züchtung vielversprechend“, teilt Andrea Tiedemann von der Öffentlichkeitsarbeit der Universität Göttingen mit. Roggen besäße einen „vielfältigen wilden Genpool“, der nicht nur für die Roggenzüchtung, sondern auch für die Weizenzüchtung von Vorteil sei. „So können beispielsweise Resistenz-Gene aus Roggen durch klassische Kreuzungszüchtung auf Weizen übertragen werden“, erklärt Professor Nils Stein. Die Roggen-Gene seien beispielsweise resistenter gegen Pilze oder extreme klimatische Bedingungen“, sagt Stein. Stein hat die Forschung zum Roggen-Genom angeleitet und hält aktuell die „Brückenprofessur für Genomik pflanzengenetischer Ressourcen“ an der Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen inne. In der pflanzengenetischen Genomik haben Stein mit Kollegen zuerst das Weizen- und Gersten-Genom entschlüsselt, das Roggen-Genom folgte erst später. „Gersten und Weizen sind beide international sehr wichtige Kulturpflanzen. Der Roggen befindet sich international eher in einer Nische“, erklärt Stein die Reihenfolge bei der Sequenzierung des Genoms. Alle drei Getreidesorten gehörten zu den „Triticalen“ und seien wichtig für die Tierfutterforschung. Arbeit mit „molekularen Markern“: Gerste, Weizen und Roggen hätten sich vor sieben bis zwölf Millionen Jahren voneinander getrennt – „das ist evolutionsbiologisch betrachtet nicht lange her“, ergänzt der Agrarwissenschaftler. In Europa sei auch die moderne Züchtung noch eine „Kreuzungszüchtung“. Stein zufolge gibt es also „Eltern“ und „Nachkommen“ bei der Pflanzenzüchtung. Früher hätten Landwirte auf dem Feld geprüft, welche Eigenschaften die „Nachkommen“ von den „Eltern“ übernommen hätten. Die Göttinger Forscher arbeiteten in ihren Untersuchungen zusätzlich mit „molekularen Markern“, die wesentlich mehr nachweisen könnten als frühere Züchtungsmethoden. Die Zukunft der Pflanzenzüchtungsforschung sieht Stein im „genom-editing“, das auch als Gentechnik bezeichnet wird. Der Vorteil, diese Methode bei der Züchtungsforschung einzusetzen, bestehe darin, dass Wissenschaftler keine fremdorganische DNA benötigten. Bei Gentechnik könne unter anderem die DNA der zu erforschenden Pflanze direkt verändert werden. Mit der vorliegen Genom-Sequenz von Roggen sei der Weg für diese Forschung in der Zukunft bereits geebnet. In Bezug auf die bevorstehenden Maßnahmen zur Anpassung der Pflanzen an den Klimawandel sieht Stein die Gentechnik als einen vielversprechenden Forschungsbereich, um eine schnelle Anpassung an die Umweltveränderung zu erreichen. Widerstandsfähig gegen Trockenheit: Ist Roggen wegen seines „vielfältigen Genpools“ und seiner „Klimaresistenz“ nun eine bessere Kulturpflanze als Weizen oder Gerste? „Die Sequenzierung ist so oder so gut für die Züchter“, erklärt Stein. Man könne den Roggen somit besser an die Umwelt anpassen. und die genetische Diversität besser charakterisieren. Die größere Verbreitung beispielsweise von Weizen sei es hilfreich, um in Zukunft mehr positive Merkmale von Roggen auf Weizen-Hybride zu übertragen. Mithilfe der Entschlüsselung des Roggen-Genoms könnten Wissenschaftler sich auch der Frage „Wieso ist Roggen so widerstandsfähig gegen Trockenheit?“ widmen. Nils Stein arbeitet bereits seit 19 Jahren im Bereich Pflanzengenetik. Er ist neben der Universität Göttingen auch für das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung tätig. Er hat mit verschiedenen Forschungsteams an der Entschlüsselung des Weizen- und Gersten-Genoms gearbeitet. An der Universität Göttingen unterrichtet Stein zudem die Studenten des Masterstudiengangs „Integrated Plant and Animal Breeding“ an der Fakultät für Agrarwissenschaft.Im November 2020 entschlüsselten Stein und seine Kollegen das Gerste-Pan-Genom. Das Forschungsergebnis sei der erste Schritt zu der gesamten Entschlüsselung der Spezies „Gerste“, teilt Christian Schafmeister von der Öffentlichkeitsarbeit des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik mit. Für die Erforschung des Gerste-Genoms wurden 22 000 Saatgutmuster analysiert und 20 Genotypen gebildet. Lesen Sie auch Gersten-Pangenom: Forschungsteam mit Göttinger Beteiligung entschlüsselt weiteren Teil der Erbinformation Die Vielfalt des Federviehs Von Stefanie Grolig