Die Geschehnisse in der Fakultät von den 1920er Jahren bis 1945 sollten nicht unkommentiert bleiben, so der Dekan der Forstlichen Fakultät Prof. Christian Ammer. Wissenschaftler mussten die Hochschule verlassen, Doktortitel wurden aberkannt, Studierende vom weiteren Studium ausgeschlossen. Mit der Forschung zu den Vorgängen hat die Fakultät den Historiker Steinsiek beauftragt. Bereits 2015 hat Steinsiek eine Arbeit mit dem Titel „Die Forstliche Fakultät der Universität Göttingen im Nationalsozialismus. Eine Erinnerung an ihre ehemaligen jüdischen Angehörigen“ veröffentlicht. Schon darin hatte er den Fall Richard Falck (1873 –1955) intensiv dargestellt.
Der Wissenschaftler kam 1910 an die Hochschule, damals war das noch die eigenständige Forstakademie in Hann.Münden. Zusammen mit seiner Frau Olga arbeitete er am Institut für Mykologie (Pilzforschung). Falck war Jude und gehörte zu den Reformkräften, die sich für mehr Freiheit von Lehre und Forschung einsetzen.
Bereits 1920 kam es zu Auseinandersetzungen mit Studenten. Falck hatte sich über antisemitische Äußerungen zweier Studenten im Ministerium in Berlin beschwert. In der Folge wurde einer der beiden von der Hochschule verwiesen. Beide gingen danach an die Öffentlichkeit. Der Fall zog immer weitere Kreise, Falcks Vorlesungen wurden boykottiert, er wurde von einem Promotionsverfahren ausgeschlossen, konnte nicht mehr an Feiern der Hochschule teilnehmen. Falck litt sehr unter der Ächtung, so Steinsiek. 1933 verließ er mit Frau und Tochter Deutschland.
Für die nun vorgelegte Biografie konnte Steinsiek viel neues Material heranziehen, denn die Göttinger Forstwissenschaften erwarben Ende 2015 den Nachlass von Falck.
Steinsiek beschreibt den persönlichen und wissenschaftlichen Werdegang Falcks und widmet sich auch seinen Forschungsergebnissen. Falck gehörte – fünf Jahre vor der Entdeckung des Penicillins – zu den ersten Forschern, die herausfanden, dass Stoffwechselprodukte eines Pilzes für andere Pilze giftig sein können.
Begeisterungsfähiger Wissenschaftler
Steinsiek beschreibt Falck als ehrgeizigen, begeisterungsfähigen jungen Wissenschaftler mit einer raschen Auffassungsgabe. Falck habe wissenschaftliche Sachverhalte lebendig und verständlich vermitteln können, so Steinsiek. Seine Entdeckungen als Pilzforscher und auf dem Gebiet des Holzschutzes seien von bleibendem Wert.
Natürlich schreibt Steinsiek ausführlich über die Falcks Zeit in Hann.Münden. Dabei hat er interessante Details zusammengetragen, beispielsweise über den besonderen Status der Forststudenten, ihre soziale Prägung, ihr Standesdenken – 75 Prozent der Forststudenten entstammten 1928 den sogenannten oberen gesellschaftlichen Schichten –, über die Konflikte mit den Bürgern der Stadt und speziell der aktiven Arbeiterschaft. Aber auch seine Stationen der Flucht und des Exils von Warschau über Palästina bis Atlanta zeichnet Steinsiek nach.
Ziel seines Buches, so schreibt Steinsieck in seiner Einführung, sei es mit Falck und seiner Frau Olga zwei couragierte Persönlichkeiten zu würdigen, deren menschliches und wissenschaftliches Arbeiten viele Jahre lang durch Demütigungen, Enttäuschung und Flucht überschattet wurden; und die dennoch außergewöhnliches geleistet haben.
Informationen
Richard Falck, Mykologe. Lebensweg und Werk eines jüdischen Gelehrten (1873-1955) von Peter-Michael Steinsiek. Göttinger Forstwissenschaften band 8, Universitätsverlag Göttingen, 339 Seiten 45 Euro. Auch als Onlineversion unter www. univerlag.uni-goettingen.de verfügbar.
Von Christiane Böhm