Göttinger Studentin erstellt Kunstbuch mit Gästen aus Osteuropa

Künstler aus Deutschland, Georgien, Polen, Russland und der Ukraine haben gemeinsam Comics für ein Kunstbuch entwickelt. Eine Woche waren die Künstler aus Osteuropa in Göttingen zu Gast, um sich auszutauschen, Ideen zu entwickeln und zu zeichnen. Initiatorin des Projekts ist die Göttinger Kulturanthropologie-Studentin Nadine Klose. Am Ende soll ein Buch zum Thema „70 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland entstehen“. Die Gäste hätten sich innerhalb von Ausflügen und Diskussionen mit dem Thema auseinandergesetzt und gemeinsam ein Grundrecht ausgewählt, zu dem sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen konnten, erzählt Klose. Die Entscheidung fiel auf das Recht zur Freiheit der Kunst. „Das Projekt fördert den interkulturellen Austausch, Arbeit auf Augenhöhe, Partizipation, Diskurs sowie die Begegnung über politische Grenzen hinweg“, fährt die 23-Jährige fort. „Unfassbar interessante Begegnungen“: „Interessant finde ich, dass anfangs gar nicht geplant war, dass jemand aus Polen an meinem Projekt mitwirkt. Dazu kam es, weil sich Informationen über mein Vorhaben herumsprachen und auf diese Weise die Kunstszene aus Polen erreichten. Daraufhin wurde ich gefragt, ob jemand aus Polen daran teilnehmen darf. Interessant fand ich die Begründung: Diese beinhaltete die Frage, ob Polen zu wenig im Zweiten Weltkrieg unter den Deutschen gelitten hatte und deshalb zur Teilnahme nicht eingeladen wurde. Durch diese rhetorische Frage kam ich dazu, dass es richtig und wichtig ist, auch die polnische Kunstszene in das Projekt miteinzubeziehen“, erläutert Klose. Die Begegnung sei „unfassbar interessant“ gewesen. Kein Hindernis sei die Sprachbarriere gewesen, alle hätten sich gegenseitig bei der Übersetzung geholfen. „Ich bin davon überzeugt, dass mein Projekt für die Gäste sehr wichtig war“, sagt Klose. Ein Beweis dafür sei ein TV-Beitrag von einem Sender aus Tiflis (Georgien), der das Projekt zum Thema hatte. Schockierende und begeisternde Ausflüge: Für die ausländischen Gäste stand ein umfangreiches Kulturprogramm an: So besuchten sie die Gemäldesammlung im Bergpark Wilhelmshöhe, machten aber auch „schockierende“ Fahrten. So sei die Reise zur Wewelsburg mit dem Besuch der Erinnerungs- und Gedenkstätte der Opfer des SS-Terrors für die Künstler nicht leicht zu ertragen gewesen. „In Stille verarbeiteten sie die Verbrechen“, die von der SS ausgingen, sie hätten nicht fassen können, dass Kriegsverbrecher lange nach Ende der Kampfhandlungen Versammlungen organisierten, anstatt verfolgt und angeklagt zu werden. Dagegen seien die Künstler von der „niedersächsischen Fachwerkperle“ Hann. Münden hellauf begeistert gewesen. Die Idylle der Kleinstadt habe eine derartige Begeisterung hervorgerufen, dass es schwer war die Gäste dazu zu bewegen, diese Stadt zu verlassen. „Deswegen sind wir länger in Hann. Münden geblieben und haben in einem Lokal unsere Arbeitsbesprechung gehalten anstatt in der Wohnung, welche ich für das Vorhaben gemietet habe“, so Klose. Ergebnis kann bald präsentiert werden: Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen, denn es muss noch ein Buchumschlag zu dem Werk gestaltet werden und die Seiten gebunden werden. Wann genau das geschehe, sei noch nicht ganz klar. „Jedenfalls freut es mich sehr, dass bereits jetzt das Museum des Kunstbuches aus der viertgrößten Stadt Polens Interesse an der Ausstellung des Ergebnisses meines Projektes bekundet hat.“ Das habe bei ihr den Wunsch bekräftigt, das Ergebnis auch in einem Ausstellungsraum in Göttingen zu präsentieren. Nadine Klose studiert im vierten Semester in Göttingen Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie und Jura. „Wenn das Coronavirus nicht im Weg steht, werde ich im nächsten Wintersemester in Barcelona studieren“, sagt die 23-Jährige. Ihre Zukunft möchte sie derartigen Projekten widmen, die sich mit Völkerverständigung beschäftigen und Menschen unterschiedlicher und verfremdeter Kulturen zusammenbringen. Dank ihres Sieges im Wettbewerb „Kreativität im Studium“ seien ihr finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt worden, die es ihr ermöglichten, ihr Kunstbuch zu „70 Jahre Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland“ zu erstellen. Klose hatte sich bei dem Wettbewerb mit der Idee beworben, Künstler aus osteuropäischen Staaten, die in der jüngsten Vergangenheit in Kriege verwickelt waren oder es noch sind, nach Deutschland einzuladen und gemeinsam mit ihnen an dem Projekt zu arbeiten. Sie erstellen gemeinsam handgearbeitete Kunstwerke oder Zeichnungen für das Buch. Von Tobias Christ

Völkerverständigung - Göttinger Studentin erstellt Kunstbuch mit Gästen aus Osteuropa