In Göttingen steht älteste Hebammenschule Niedersachsens

In der ältesten Hebammenschule in Niedersachsen, in Göttingen, hat vor vier Wochen der letzte Hebammenkurs begonnen. 2023 soll Schluss sein, da es dann nur noch die Möglichkeit gibt, Hebammenwissenschaften als Bachelor-Studiengang zu belegen. Zum Wintersemester 2020/2021 hat in Göttingen erstmals ein solcher Studiengang begonnen. „Wir brauchen einen gewissen Übergang, denn wir versorgen ja auch die eigene Stadt und die Region mit Hebammen“, erläutert die Leiterin der Hebammenschule, Cornelia Krapp. Von 1989 bis 1991 hat sie ihre Ausbildung absolviert. Seitdem hat sich einiges getan. „Damals hieß es, dass man auf dem Rücken liegen muss und unter der Geburt nichts essen und trinken darf. Heutzutage hat sich das völlig geändert. Da ist Bewegung sogar erwünscht“, erzählt Krapp. Was nicht zuletzt natürlich auch daran liegen würde, dass sich die medizinischen Möglichkeiten verändert hätten. Ausbildung in Würzburg absolviert: In Würzburg hat Diemut Stark ein paar Jahre früher als Krapp ihre Ausbildung absolviert. Dabei bekam sie es noch ganz vereinzelt mit „Hausschwangeren“ zu tun. Als Hausschwangere wurden damals Frauen bezeichnet, die in Accouchierhäusern lebten. Junge und ledige Frauen konnten dort ihr Kind zur Welt bringen, mussten für kostenfreies Logieren leichte hauswirtschaftliche Tätigkeiten verrichten. Accouchierhäuser oder auch Gebäranstalten, die im 18. Jahrhundert entstanden, gelten als Vorläufer der heutigen Entbindungskliniken. Auch sollten darin Hebammen durch ärztliche Geburtshelfer ausgebildet werden. Der Hauptzweck bestand allerdings darin, dass Ärzte und Chirurgen zu Geburtshelfern („Accoucheuren“) ausgebildet werden sollten. Ausgang des 18. und im frühen 19. Jahrhundert herrschte bei vielen Regierungen und auch in der Öffentlichkeit die Meinung vor, dass studierte männliche Mediziner die besseren Geburtshelfer seien. Männliche Hebammen, die heißen tatsächlich so, gibt es nur handverlesen in Deutschland. Seit 1985 ist es Männern überhaupt erst möglich, diesen Beruf zu ergreifen. „Es ist nun einmal ein traditioneller Frauenberuf“, erklärt Krapp. Für sie und ihre Mitarbeiterinnen Stark und Süheyla Esmek-Papà ist es sehr hilfreich, wenn die jungen Frauen, die eine Ausbildung zur Hebamme absolvieren möchten, vorher ein Praktikum gemacht haben, um ein Gefühl für den Beruf zu entwickeln. Lesen Sie auch: Vier Hebammen eröffnen „Geburtshaus am Raseweg“ in Rosdorf Lesen Sie auch: Landkreis Göttingen stärkt die Hebammenversorgung im ländlichen Raum Lesen Sie auch: Rahel Thiel ist Hebamme in Göttingen Lesen Sie auch: Hebamme mit Herzblut und wachsamer Gelassenheit Theorie und Praxis halten sich die Waage: In der sich anschließenden Ausbildung warten dann 3000 Stunden Praxis und 1600 Stunden Theorie auf die Auszubildenden. Bereits nach vier Wochen werden sie mit der Praxis konfrontiert, durchlaufen verschiedene Bereiche. Im neu eingeführten Studiengang Hebammenwissenschaft, der sieben Semester umfassen wird, halten sich Theorie und Praxis die Waage. Jeweils 2200 Stunden sind veranschlagt. Stark und Krapp sind ein wenig zwiegespalten, was den Umfang angeht und die neue Form der Ausbildung. „Auf der einen Seite begrüße ich es, denn Hebammen erhalten eine höhere Qualifikation. Gerade für diejenigen, die einen wissenschaftlichen Weg einschlagen möchten, ist dies sicherlich sehr hilfreich. Zumal es in ganz Europa schon einen solchen Studiengang gibt“, sagt Stark, die, wie auch ihre Kollegin Krapp eine Weiterbildung zur Lehrkraft absolviert hat. Die Leiterin der Hebammenschule hat sogar noch ein Pädagogik-Studium drangehängt. Ob die neuen Ausbildungsrichtlinien mit den vorgegebenen Stundenzahlen allerdings tatsächlich ausreichen, da sind sich beide Ausbilderinnen noch nicht sicher. Es würde sich zeigen, ob die Praxis nicht zu kurz kommen wird, meinen sie übereinstimmend. Zwei neue Studiengänge bietet der Gesundheitscampus Göttingen (GCG) zum Wintersemester 2020/2021 an. Zum einen ist dies der sieben Semester umfassende Bachelor-Studiengang Hebammenwissenschaft und der viersemestrige Master-Studiengang Medizintechnik. Bei dem GCG handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) und der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Dabei gehört der Gesundheitscampus zu den vier Standorten in Niedersachsen, die die Akademisierung des Hebammenberufs, die 2019 vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur (MWK) angeschoben wurde, auch umsetzen. Die Hochschule Osnabrück und die Medizinische Hochschule Hannover werden mit ihren Angeboten zum Wintersemester 2021/22 folgen. Ziel der Landesregierung ist es, insgesamt etwa 140 zusätzliche Studienanfängerplätze an vier Standorten im Land zu schaffen. Etwas wird sich nicht verändern, darüber sind sich die beiden Hebammen auch einig. „Mit keiner Methode der Welt kann ich einer Frau garantieren, dass sie ein gesundes Kind schmerzfrei zur Welt bringen kann“, sagt Stark abschließend. Lesen Sie auch Rosdorf: Vier Hebammen eröffnen „Geburtshaus am Raseweg“ Landkreis Göttingen stärkt die Hebammenversorgung im ländlichen Raum Rahel Thiel ist Hebamme in Göttingen Von Vicki Schwarze