Online-Treffen der befristet Beschäftigten der Universität Göttingen

Über ihre Arbeitssituation während der Corona-Krise haben 60 an der Universität Göttingen Beschäftigte Auskunft gegeben. In einer Online-Veranstaltung am Donnerstag, 18. Juni, soll über die Ergebnisse informiert und diskutiert werden. Die Initiative „Uni Göttingen unbefristet“ hat die Umfrage, die sich an befristet Beschäftigte richtete, im April begonnen. Befristete Arbeitsverträge sind im wissenschaftlichen Bereich üblich und auf Projekte oder Ausbildungszeiten bezogen. Aber auch in Abteilungen der Verwaltung der Universität Göttingen sind Angestellte befristet tätig, die ebenfalls zur Teilnahme an der Umfrage aufgerufen waren. Beim wissenschaftlichen Personal sind etwa 88 Prozent der Beschäftigten befristet angestellt, so die Initiative „Uni Göttingen unbefristet“, die 20 aktive Mitglieder hat und mehr als 50 Unterstützer. Benachteiligung durch Sorgearbeit: Deren Mitglied Dr. Christiana Bers erklärt: „Die Corona-Krise verschärft bereits vorher bestehende Tendenzen, wie die Benachteiligung von Sorgearbeit leistenden Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen und teilweise absurde Arbeitsanforderungen an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf befristeten Teilzeitstellen. Die durch Corona entstandenen Zusatzbelastungen werden, überwiegend ohne Rückfragen, einfach nach ,unten’ durchgereicht. So offenbart die Corona-Krise erneut den enormen Reformbedarf der universitären Strukturen.“ Das Thema Sorgearbeit werde als Problem während der Corona-Krise häufig angegeben. Wer sich um Kinder oder Angehörige daheim zu kümmern habe, komme im Homeoffice mit wissenschaftlicher Arbeit nicht weit. Dazu fehle oftmals die technische Ausstattung oder aber auch die räumliche Möglichkeit, ungestört zu arbeiten, so Bers. Dennoch seien vielfach Fristen einzuhalten. Belastung durch Homeschooling: Bezeichnend für die Lage diese Rückmeldung: „Meine beiden Kinder sind zu Hause, beide sind weit unter zwölf Jahre, das sollte alles erklären. Arbeiten am Stück ist nicht möglich.“ Bei manchen komme durch Homeschooling noch eine dritte Belastung dazu. Untersuchungen an anderen Hochschulen zeigten bereits, dass die gewöhnliche familiäre Arbeitsteilung in Corona-Zeiten vor allem zu Lasten von Frauen gehe, die noch in ihrer Qualifizierungsphase sind, teilt die Initiative „Uni Göttingen unbefristet“ mit. Schwierig sei die Lage auch für Beschäftigte, die auf die Ausstattung des Arbeitgebers angewiesen seien für Labortätigkeiten. So teilte eine Person mit: „Weil ich nicht im Labor arbeiten kann, verspätet sich die Abgabe meiner Arbeit und mein Chef wird den Vertrag nicht verlängern.“ Wer für das aktuelle Semester Feldforschung geplant habe, gegebenenfalls mit einem Auslandsaufenthalt, habe ebenfalls keine Chance dazu, beschreibt Bers die Auswirkungen der Corona-Krise, wie sie von Befragten geschildert wurden. Mangel an digitaler Literatur: Auch Archivarbeiten oder Literaturrecherchen sind betroffen, da vor Ort eine „mangelhafte Ausstattung an digitaler Literatur herrscht“. Insofern konnte nicht im notwendigen Umfang auf wissenschaftliche Arbeiten und Grundlagenwerke zugegriffen werden. Die Initiative setzt sich wie in den vergangenen Jahren für eine umfassende Entfristung der Beschäftigungsverhältnisse an der Universität Göttingen ein. Die Herausforderungen der gegenwärtigen Situation sowie mögliche Handlungsstrategien sollen Thema der Veranstaltung von „Uni Göttingen unbefristet“ am Donnerstag, 18. Juni, sein. Zum ersten Mal wird ein Online-Treffen veranstaltet. Wer an der Online-Veranstaltung von 10 bis 11.30 Uhr teilnehmen will, kann sich unter uni-goettingen-unbefristet@posteo.de anmelden. Für befristet Beschäftigte in Wissenschaft und Kunst gilt mit Blick auf das Arbeitsrecht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG). Dieses wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ergänzt: „Beschäftigungsverhältnisse zur Qualifizierung, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 30. September 2020 bestehen, können zusätzlich um sechs Monate verlängert werden.“ Und auch für den Fall, dass die COVID-19-Pandemie weiter andauern sollte, will das Ministerium die Höchstbefristungsgrenze abhängig von der Dauer der Krise höchstens um weitere sechs Monate verlängern. Die Leitung der Universität Göttingen hat nach eigenen Angaben „noch bevor die Änderungen des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes am 28. Mai 2020 in Kraft traten, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Universität Göttingen über die Änderungen umfassend in Form eines Merkblattes informiert. Laut dem Gesetz kann der Befristungsrahmen erhöht werden, ein Anspruch auf eine Verlängerung besteht indes nicht. Damit können die Fakultäten im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten eigenständig über eine Verlängerung entscheiden. Die Universitätsleitung sieht keinen Anlass, hier in die Personal- und Budgetautonomie der Fakultäten einzugreifen.“ Lesen Sie auch: Corona:Forscher aus Göttingen wollen wissenschaftliche Vielfalt schützen Streit um befristete Arbeitsverhältnisse an Universität Göttingen Interimspräsident Reinhard Jahn reagiert Frist ist Frust: Klopf-Aktion gegen befristete Verträge an Göttinger Uni Gegen befristete Uni-Jobs: Initiative fordert Wissenschaftsminister Thümler heraus und schreibt offenen Brief Die Autorin erreichen Sie per E-Mail an a.bruenjes@goettinger-tageblatt.de Von Angela Brünjes