Mit der Einrichtung der zentralen Kustodie und dem Plan, diese und Teile der Sammlungen ab 2014 im Zoologischen Institut an der Berliner Straße unterzubringen, will Beisiegel der Georg-August-Universität einen Platz verschaffen in der internationalen Riege der bisher sechs Universitäten mit bedeutenden Sammlungen.
„Wir haben gute Sammlungen mit hoher Wertschätzung und großem Bekanntheitsgrad. Aber wir müssen stärker ins Bewusstsein rücken, dass die Sammlungen auch Forschungserkenntnis bringen“, sagt Dr. Marie Luisa Allemeyer. Seit Juni ist die Historikerin und ehemalige Geschäftsführerin der Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen Direktorin der zentralen Kustodie. Diese hat den Auftrag, die Sammlungen zu erhalten, die Bestände mit den Kuratoren aufzuarbeiten und daraus neue Forschung zu ermöglichen. Mit 200 000 Euro jährlich vom Land Niedersachsen ist eine finanzielle Grundausstattung gegeben für die Sammlungen, die Kustodie und die geplante Professur Wissensgeschichte, die im Frühjahr 2014 besetzt sein soll.
Zum Konzept gehört ein Haus dazu
Und im nächsten Jahr wird auch das Gebäude am Bahnhof, das Zoologische Institut, frei sein. Das ist, nachdem Pläne einer Unterbringung im Alten Auditorium am Weender Tor aufgrund des heftigen Widerspruchs der Mitglieder des dortigen Instituts für Rechtsgeschichte verworfen wurden, inzwischen der Favorit. „Zu dem Konzept der zentralen Kustodie gehört ein Haus dazu“, stellt Beisiegel klar und auch, dass für das Haus Gelder über Fundraising eingeworben werden müssen. Sie zeigt sich optimistisch: Interesse an einem Haus des Wissens gebe es auch bei Bürgern, Stadt und Unternehmen.
Das 1877 als Naturhistorisches Museum eröffnete Gebäude eignet sich nach Ansicht von Allemeyer und Beisiegel bestens für die zentrale Kustodie mit einem „dauerhaft dynamischen Ausstellungskonzept“. Das soll wechselnde Themen und Objekte bieten und so auch dafür sorgen, dass die Sammlungen bleiben, wo sie sind: bei den Seminaren und Instituten für Forschung und Lehre.
DNA-Analysen zoologischer Sammlungsstücke
„Mit dem Wort Museum gehen wir zögerlich um, weil wir nicht nur alte Werkzeuge ausstellen wollen, sondern auch neue Erfindungen“, erklärt Beisiegel. Und es gehe auch beim Sammeln um die Frage, was wird heute gesammelt. Das seien beispielsweise Sprachen oder Genom-Datenbanken. Und ebenso können mit neuen Technologien alte Sammlungsstücke neu untersucht werden. Beisiegel, vor ihrem Wechsel nach Göttingen Biochemikerin an der Universität Hamburg, ist fasziniert von DNA-Analysen zoologischer Sammlungsstücke. Diese Sicht auf die alten Stücke sei aber eine neue Bewegung, erklärt die Universitätspräsidentin. Lange Zeit habe es keine Investitionen in die Sammlungen gegeben.
Beisiegel: „Die Fakultäten haben auf Innovation gesetzt und die Tradition außer acht gelassen.“ Die Trendwende zur Erhaltung stamme aus den Geisteswissenschaften und der Wissenschaftsgeschichte mit der Forderung nach Erhaltung. „Für diese Interaktion ist die Universität gefragt und umso wichtiger ist deshalb die Einrichtung der Zentralen Kustodie“, erklärt Beisiegel. Und auch Allemeyer ist von dem Bestand der Sammlungen, Museen und Gärten überzeugt: „Die Dinge sind nutzbar für gute Forschung.“
Perspektivwechsel ergibt andere Ansprüche
Wichtig sei auch, den Blick auf Objekte disziplinär zu erweitern. Der Blick der Biologen auf das historisches Herbarium im Albrecht-von-Haller-Institut für Pflanzenwissenschaften sei ein anderer als der von Historikern. „Der Perspektivwechsel ergibt andere Ansprüche an die Aufbewahrung und die wissensgeschichtliche Bedeutung der Objekte“, sagt Allemeyer. Mehr noch als in der Wissenschaftsgeschichte erfordere die Wissensgeschichte den unterschiedlichen Fachhintergrund der Forscher.
Und so ist für Allemeyer „Göttingen als Aufklärungsuniversität ein genialer Ort, um zu erforschen, welche Rahmenbedingungen für Wissenschaft in der Vergangenheit nötig waren.“ Die Sammlungen der Universität Göttingen sind dafür eine hervorragende Basis, auch wenn sie unterschiedlich gut erhalten oder umfassend sind.
► Einen Tag der offenen Sammlungen veranstaltet die Universität Göttingen am Sonnabend, 27. Oktober. Dann öffnen von 10 bis 18 Uhr 18 Sammlungen, Museen und Gärten der Georgia Augusta.
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