Streit um befristete Arbeitsverhältnisse an Universität Göttingen Interimspräsident Reinhard Jahn reagiert

Nach der Protestaktion der Initiative „Uni Göttingen unbefristet“ am 14. Januar, mit der die Organisatoren gegen befristete Arbeitsverhältnisse an der Universität demonstrierten, meldet sich nun das Universitätspräsidium um Interimspräsident Reinhard Jahn zu Wort. Der 69-jährige zeigt sich gesprächsbereit – erklärt aber auch, warum die Universität weiterhin auf befristete Arbeitsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter setzen dürfte. „Positive Entwicklung“: Die Universität Göttingen folge für eine „optimale Personalstruktur“ verschiedenen Richtlinien, die mit Vertretern aller Gruppen an der Universität erarbeitet worden seien, sagt Jahn – inklusive den Vertretern des wissenschaftlichen Mittelbaus. Daraus sei unter anderem das Positionspapier „Perspektiven für Karrierewege in der Wissenschaft“ entstanden. Alle Richtlinien seien im Mitarbeiterportal der Universität einsehbar. An Universitäten in ganz Deutschland steigt der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse. Jahn erklärt das damit, dass immer mehr Promovierende – die einen großen Teil der Universitätsbeschäftigten ausmachen – ihre Promotion durch Arbeitsverträge statt wie bisher durch Stipendien finanzieren. Diese Entwicklung sei eine positive, sagt Jahn – denn die Betroffenen hätten sich freiwillig für diesen Weg entschieden. Am 14. Januar protestierten Mitarbeiter der Universität Göttingen gegen befristete Arbeitsverhältnisse. Die Initiative „Uni Göttingen unbefristet“ fordert einen Abbau befristeter Arbeitsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter und eine Förderung unbefristeter Verträge. Sie beklagen die Auswirkungen von Arbeitsverhältnissen, die nur für kurze Zeit gelten: Der Verdienst sei geringer, man habe keine langfristige Berufsperspektive mit sozialer Absicherung für das Alter – und viele unbezahlte Überstunden, weil die vertraglich festgelegte Arbeitszeit nicht für die anfallende Arbeit genüge. Laut Silke Hamoudi vom Personalrat der Universität Göttingen sind 89 Prozent des wissensschaftlichen Personals befristet beschäftigt. Beim unterstützenden Personal im Verwaltungsbereich sei es etwa jeder vierte Beschäftigte. Zur Zeit stehen Bund und Länder im Austausch über einen „Zukunftsvertrag Studium und Lehre“. Große Hoffnung auf Veränderung setzen die Organisatoren von „Uni Göttingen unbefristet“ in diesen Austausch aber nicht. „Forderungen sind unsinnig“: Vor allem die häufig offene berufliche Zukunft von Promovierenden und Promovierten führt der Interimspräsident als Argument für befristete Arbeitsverhältnisse an. Viele wissenschaftliche Mitarbeiter blieben nach ihrer Promotion nur übergangsweise an der Universität, bevor sie sich für einen Karriereweg entschieden – unbefristete Verträge seien in diesen Fällen „unsinnig“, sagt Jahn. Der Anteil der Promovierten, die sich tatsächlich für eine Wissenschaftskarriere entscheiden, sei gering, sagt Jahn – ohne Zahlen dafür anzuführen. Das Ziel sei in diesem Fall oft eine Professur, doch dafür gebe es keine Garantie, betont der Interimspräsident. Die Risiken dieses Karrierewegs müsse jeder selbst einschätzen und vorsorgen. Lesen Sie auch: Frist ist Frust: Klopf-Aktion gegen befristete Verträge an Göttinger Uni Wer angesichts dieser Umstände grundsätzlich unbefristete Arbeitsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter verlange, zeige damit seine Unwissenheit, so Jahn: „Wer solche Forderungen stellt, dokumentiert, dass er von der wissenschaftlichen Personalstruktur in akademischen Institutionen nur wenig versteht oder verstehen möchte.“ Sicherlich gebe es für die Universität noch viel zu tun, um ihren Mitarbeitern Hilfestellungen bei der Karriereplanung zu geben – vor allem aber sei jeder Angestellte der Universität in der Pflicht, selbst zu seiner Karriereentwicklung beizutragen. Reden ja – aber nicht mit jedem: „Befristete Stellen im akademischen Bereich sind für eine Universität sinnvoll und notwendig“, fasst Jahn seine Position zusammen. Nachwuchswissenschaftler könnten sich so für zukünftige Aufgaben qualifizieren. Jahn gesteht: „Natürlich gibt es immer wieder Fehlentwicklungen.“ Deshalb sei es wichtig, über Rahmenbedingungen zu sprechen. Dies werde er aber nur mit gewählten Vertretern der betroffenen Gruppen. Lesen Sie auch: Gegen befristete Uni-Jobs: Initiative fordert Wissenschaftsminister Thümler heraus Sinnvolle Gespräche seien zudem nur möglich, wenn beide Seiten die Sachlage differenziert betrachten: „Es ist wenig hilfreich, über ,das Prekariat’ zu klagen, insbesondere auf der Basis von irreführenden Pauschalierungen.“ Wissenschaftliche Mitarbeiter seien im Regelfall hoch qualifiziert. Der Verbleib im Wissenschaftssystem bleibe aber wettbewerbsorientiert. Die Universität wolle ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, in diesem Wettbewerb zu bestehen. Von Tammo Kohlwes

Wissenschaftliche Mitarbeiter - Streit um befristete Arbeitsverhältnisse: Universitätspräsident Jahn reagiert