WG-Leben in Göttingen in Zeiten der Coronakrise

Die Ausbreitung des Corona-Virus zwingt auch die Göttinger Studenten, zu Hause zu bleiben. Einige verbringen die Zeit bei ihren Eltern, andere in Wohngemeinschaften (WGs). In einer WG kann es in Zeiten der Coronakrise zu neuen Herausforderungen kommen, ist sich die Diplom-Psychologin Gabriela Böhmer sicher. Böhmer betreibt eine Familienpsychologische Praxis in Göttingen. Sie hat gegenüber dem Tageblatt erklärt, wie Studierende aufkommende Schwierigkeiten meistern können. „Isolation und Quarantäne führen zu einem Dichte-Stress“, so die Diplom-Psychologin. Die Bewohner verbringen momentan sehr viel Zeit miteinander und können sich so schnell auf die Nerven gehen. „Da kann es schon mal zu emotionalen Ausbrüchen kommen.“ Die Studierenden reagierten auf die Krisensituation außerdem ganz unterschiedlich: Viele haben Angst, zeigen diese Angst aber auf unterschiedliche Weise. Ein tolerantes Miteinander ist gefragt: Die Studierenden seien zurzeit angespannt: Sie können nicht wie gewohnt lernen, und wissen nicht, wie es weitergeht. Vor allem in internationalen Studentenheimen, wo Menschen aus aller Welt leben, sei die Unsicherheit gegenwärtig. Böhmer empfiehlt daher, dass sich die Bewohner umso mehr mit Toleranz und Akzeptanz begegnen. „In Krisensituationen ist alles anders. Definitiv ist jetzt kein Zeitraum für Konflikte“, betont Böhmer. Falls sich eine Differenz in der WG abzeichnet, sei es ratsam, die Situation zu verlassen. „Oftmals denken Menschen, sie dürften nicht vor einem Konflikt ,fliehen’. Ganz besonders in einer Krisensituation hat aber jeder Mensch das Recht, sich zurück zu ziehen.“ Die Ängste der Studierenden müssten nicht ausdiskutiert werden – ratsam sei Ablenkung. „Sie können zum Beispiel Mundschutze nähen.“ Verschiedene Meinungen: Der eine Mitbewohner glaubt an eine Verschwörungstheorie, der andere hört den zehnten Wissenschafts-Podcast? Da gilt wieder: „Toleranz. Jeder sollte bei seiner eigenen Krise bleiben – und nicht versuchen, den anderen von seiner Meinung zu überzeugen.“ Wenn die Studierenden mit dem Verhalten der Mitbewohner nicht klar kommen, sollten sie ihnen aus dem Weg gehen. Doch was ist, wenn sich die Mitbewohner nicht an die Vorschriften der Regierung halten und beispielsweise wechselnde Freunde treffen? „Der eigene Schutz darf noch stets gewünscht werden“, so die Psychologin. Dann müssten die Studenten wohl oder übel ihr eigenes Geschirr im Zimmer verstauen und mit den Mitbewohnern absprechen, wer wann die Küche benutzt. Wenn es in der WG schlecht läuft, können sich die Bewohner zu Gesprächen verabreden. Dann soll jeder zwei Anmerkungen äußern. „Dabei sollte es nicht einen Ankläger geben und der andere verteidigt sich.“ Für solche Gespräche rät sie, die Grundsätze der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Rosenberg zu beachten: „Es geht nicht darum, Vorwürfe zu äußern – sondern darum, bei sich zu bleiben. Sätze wie ,Du hast nicht abgespült...’ sind problematisch. Besser ist, man sagt: ,Mir ist es wichtig, dass die Küche sauber ist.’“ Empfehlungen für den Alltag: Böhmer rät den Studenten, eine eigene Tagesstruktur für sich zu planen. Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen seien auch hilfreich. „Beim Spazierengehen können sie etwa die ,5-4-3-2-1-Übung’ ausprobieren: Welche fünf Dinge sehen sie? Welche vier Dinge hören sie? Und welche drei Dinge fühlen sie?“ Auf den Internetseiten der Krankenkassen seien gute Entspannungsübungen dargestellt. Wichtig sei zudem, Kontakte außerhalb der Wohngemeinschaft zu pflegen – und mit Freunden und Familie zu telefonieren oder besser: Sich im Video-Chat zu sehen. „Auf jeden Fall sollten sich die Studenten etwas Gutes tun und sich selbst mehr wahrnehmen.“ Viel Zeit für sich selbst zu haben, könne schließlich auch durchaus positiv sein. So vieles ist in Zeiten von Corona verboten. Um einen schönen WG-Abend mit den Mitbewohnern zu verbringen, muss die Unterhaltung daher in die eigenen vier Wänden kommen. Wir schlagen drei Abendprogramme vor: 1. WG-Disco. Etliche Clubs bieten am Wochenende Live-Streams an, um Feierwütige in ihrer Wohnung zum Tanzen zu bringen. Auch Göttinger Clubs wie das Alpenmax und das Savoy bieten den Live-Stream an. Also mixt euch ein paar Cocktails und holt euch den DJ in eure Wohnung! 2. Veranstaltet einen Spieleabend. Zum Beispiel hat der Escape Room „Breakout Göttingen“ für die Quarantänezeit ein digitales und kostenloses Rätsel-Spiel entwickelt. Über vier Tage bekommen die Spieler neue Informationen zugesendet, die sie für die Lösung eines Kriminalfalls brauchen. 3. Peppt die Wohnung auf. Gemeinsam könnt ihr den Frühjahrsputz angehen und Möbel selber bauen. Auf der Online-Pinnwand „ Pinterest “ könnt ihr euch inspirieren lassen: Mit Tape-Band könnt ihr euch etwa Muster auf die Waschmaschine kleben oder aus alten Weinkisten Regale bauen. Sie erreichen die Autorin per E-Mail an: lokales@goettinger-tageblatt.de Von Anja Semonjek

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