Zoff um die Urne: Kommt die Online-Wahl an der Uni Göttingen?

Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) an der Universität Göttingen fühlt sich unter Druck gesetzt. Stimme das Studierendenparlament (Stupa) dem Vorschlag von Präsidium und Senat nicht zu, im kommenden Jahr die Hochschulwahlen online als elektronische Wahl durchzuführen, müsse der AStA ohne die – bislang übliche – finanzielle und organisatorische Hilfe der Uni auskommen, fasst der AStA-Vorsitzende Felix Schabasian die Befürchtungen zusammen. Eine Entscheidung für oder gegen Online-Wahlen für die studentischen Organe will das Stupa in seiner Sitzung am Donnerstag treffen. Eine einhellige Meinung gibt es im Stupa derzeit nicht. So hat sich etwa die ADF-Hochschulgruppe für Online-Wahlen ausgesprochen, die Hochschulgruppe Nerdcampus lehnt diese jedoch ab. Zwei Szenarien: Je nach Abstimmungsergebnis in Stupa und Senat, der die Grundordnung sowie die Ordnungen der Universität beschließt, skizziert der AStA die beiden wahrscheinlichsten Szenarien: 1. „Senat und Studierendenparlament sprechen sich für Onlinewahlen aus. Das Präsidium wird weiterhin die Kosten tragen und sich um die Organisation kümmern.“ 2. „Der Senat spricht sich für, das Studierendenparlament aber gegen Onlinewahlen aus. Für diesen Fall habe das Präsidium angekündigt, die Organisation und Kosten der studentischen Wahlen nicht länger übernehmen zu wollen.“ Dadurch, dass das Präsidium angedeutet habe, im Falle des zweiten Szenarios nicht weiter für Organisation und Kosten aufkommen zu wollen, im Falle von Szenario 1 jedoch schon, übernehme sich das Präsidium und übe „ungebührenden Einfluss auf die Selbstverwaltung der Studierendenschaft aus“, kritisiert der AStA. Romas Bielke, Sprecher der Uni, hingegen betont: „Keineswegs will die Universität die Studierendenschaft bei deren Entscheidung über die Einführung digitaler Wahlen einschränken.“ 4500 Euro und 2300 Arbeitsstunden: Die Materialkosten einer Urnenwahl der studentischen Organe beziffert Uni-Sprecher Bielke auf 4500 Euro für Druck und Briefwahl. Stellwände, Räume und inneruniversitäre Logistik habe die Universität bislang nicht in Rechnung gestellt. Von den rund 2300 Arbeitsstunden der Wahlhelferinnen und -helfer seien bislang rund die Hälfte auf Beschäftigte der Universität entfallen. Verpflichtet ist die Uni nicht, Wahlen zum Stupa zu organisieren. Sie würde auch „nicht jegliche Unterstützung einstellen“, sagt Bielke. Und weiter: „Da die Studierendenschaft das Recht zur Selbstverwaltung besitzt, ist sie zunächst selbst für die Organisation verantwortlich.“ Das weiß auch Sofia Dräger, Referentin für Politische Bildung beim AStA, dennoch kritisiert sie die Uni-Spitze: „Wer nach bereits verabschiedetem Haushalt des AStA und so kurz vor der Wahl damit droht, unvorbereitete Studierende ins kalte Wasser zu werfen, kann sich nicht auf deren Eigenverantwortung berufen, sondern zeigt sich selbst verantwortungslos.“ Wegen Corona zur Online-Wahl: Als Hauptgrund, jetzt auf Online-Wahlen wechseln zu wollen, nennt Bielke für die Uni die weiterhin herrschende Corona-Pandemie und ein dadurch gefordertes Hygienekonzept. Durch eine Verlagerung ins Digitale, so Bielke, versuche die Universität, eine weitere Verbreitung des Virus möglichst zu verhindern, um die Ansteckungsgefahr für Mitglieder und Angehörige der Universität so gering wie möglich zu halten. Eine Urnenwahl und ein Auszählen der Stimmzettel vor Ort – beides bislang unter erheblicher Beteiligung von Beschäftigten der Universität – dürften angesichts des dynamischen Pandemiegeschehens nur mit erheblichen Risiken und erheblichem Mehraufwand zu organisieren sein. „Digitale Wahlen hingegen würden diesem Hygienekonzept entsprechen und wären eine sichere Lösung“, sagt Bielke. Auch für die Wahl der sogenannten Kollegialorgane an der Uni ist eine Onlinewahl im Gespräch. „Die Entscheidung für die Universität trifft der Senat“, erläutert Bielke. Sollte das Stupa – abweichend vom Senat – an einer Urnenwahl festhalten, stehe es hierfür in der Verantwortung – was sowohl den ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl als auch die Einhaltung der Hygienemaßnahmen zum Schutz der Beteiligten betreffe, erläutert Bielke. Die Studierendenschaft könne nicht erwarten, dass die Universität die Wahldurchführung auf Basis zweier unterschiedlicher Wahlsysteme – Onlinewahl bei den Kollegialorgangen und Urnenwahl bei den Studierendenvertretungen – und unter erheblichem Einsatz von Beschäftigten und Ressourcen unverändert allein verantwortet, zumal die Synergien, die sich bislang aus der gemeinsamen Wahl ergeben hätten, in großem Umfang entfallen würden, erläutert Bielke. Sie erreichen den Autor unter E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib. Von Michael Brakemeier