Kinderbetreuung in Adelebsen in der Kritik

Die Kinderbetreuung in Adelebsen muss besser werden. Das fordert das Vorstandsmitglied des Adelebser Ortsverbandes von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Kompart. Die Attraktivität des Ortes für Familien werde seit einigen Wochen „leider durch diverse Ereignisse in der Gemeinde stark beeinträchtigt“, kritisiert der Grüne. So würden Politik und Verwaltung fehlende Betreuungsplätze für unter Dreijährige schlicht ignorieren, Betreuungszeiten in Kindergärten auf ein Minimum reduzieren und Betreuungskosten drastisch erhöhen, bezieht er sich vor allem auf die Sitzung des Sozialausschusses am 12. März dieses Jahres. Inakzeptabel sei auch die Abschaffung der außerschulischen Betreuung an Freitagen und in den Ferien an der Ganztagsschule. „Alle diese Einschnitte wurden im Vorfeld nicht öffentlich kommuniziert und auch nicht mit den betroffenen Stellen besprochen, sodass die Bürgerinnen und Bürger ihre Standpunkte dazu nicht äußern konnten“, rügt Kompart. Aufgrund der Corona-Pandemie sei es zusätzlich Bürgern unmöglich, an den normalerweise öffentlichen Sitzungen des Flecken Adelebsen teilzunehmen. „Wir fordern grundsätzlich die Veröffentlichung der Verwaltungsvorlagen für die Sitzungen des Gemeinderates und der öffentlichen Fachausschüsse“, so Kompart weiter. Protokolle der Sitzungen veröffentlichen: Zudem sollten die Protokolle der Sitzungen, die in diesen Wochen unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgerichtet wurden, veröffentlicht werden. „Das wäre ein Zeichen für Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei den Entscheidungen in den demokratisch gewählten Gremien“, argumentiert der grüne Kommunalpolitiker, der selbst kein Mitglied des Gemeinderates ist. Er fordert zudem die Rücknahme des Beschlusses, die außerschulische Betreuung teilweise einzustellen. Bürgermeister Holger Frase (SPD) versichert, dass Politik und Verwaltung an der gesamten Thematik sehr intensiv arbeiten würden, freilich im Rahmen der finanziellen, personellen und rechtlichen Begebenheiten. Der Gemeindechef erläutert die Hintergründe: „Der Rat der Gemeinde hatte den Bau einer Krippe beschlossen. Die Kommunalaufsicht hat den Rat aufgefordert, den Beschluss aufzuheben, da sie einen Verstoß gegen das Vergaberecht gesehen hat.“ In einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Lüneburg (Aktenzeichen 10 OA 74/19) habe das Gericht die Frage der Ausschreibung „leider nicht abschließend behandelt“, bedauert der Sozialdemokrat und fügt hinzu: „jedoch auch nicht bemängelt“. Folglich könne die Schlussfolgerung gezogen werden, dass mit dem gewählten Interessenbekundungsverfahren doch korrekt gehandelt worden ist und „wir die von der Kommunalaufsicht geforderte europaweite Ausschreibung nicht durchführen müssen“. Vergabestelle soll aufgebaut werden: Das finanzielle Risiko und die mögliche Verfahrensdauer würden sehr abschreckend wirken. „Daher werden wir den Weg der geforderten Vergabe gehen. Da wir keine Vergabestelle haben, können wir die europaweite Ausschreibung derzeit noch nicht leisten. Daher wurde ich im letzten Verwaltungsausschuss von der Politik beauftragt, eine Vergabestelle aufzubauen“, so Frase. Eine schnelle Änderung der Betreuungssituation für die U3-Kinder sei bedauerlicher Weise nicht zu realisieren. Mittlerweile sei ein Arbeitskreis mit Tagespflegekräften (ehemals Tagesmütter) gebildet worden, um diese Fachkräfte einzubinden. Die Verwaltung sei von der Politik beauftragt worden, ein Konzept zur zukünftigen Kinderbetreuung zu erarbeiten. Im jüngsten Sozialausschuss habe man sich dafür ausgesprochen, eine aktuelle Bedarfsumfrage unter den Eltern zu veranlassen. Danach sollen weitere Schritte überlegt werden. Dieser Empfehlung des Ausschusses werde der Rat am 11. Juni sicherlich folgen, meint Frase. Der Rat werde am 11. Juni auch die Kita-Bedarfsplanung beschließen. Der Bürgermeister weiß, dass Eltern von 76 Kindern unter drei Jahren einen Betreuungsplatz wünschen. „Neun Kindern konnte kein Platz vermittelt werden“, legt er dar. Bis zum 1. August werde eine Betreuung von 67 Kindern (65 Prozent aller Kinder im Krippenalter) erfolgen. Bedarfsabfrage wird Entscheidungsgrundlage: Die Äußerung Komparts, die Betreuungszeiten der Kindergärten würden auf ein Minimum reduziert, kann Frase nicht nachvollziehen. „Nachdem die Kommunalaufsicht mitgeteilt hatte, dass wir den Beschluss zum Bau einer Krippe durch die Johanniter wieder aufheben müssen, wurde überlegt, ob auch ohne eine neue Einrichtung die Betreuung sichergestellt werden kann“, erklärt er. Dazu sollten Ideen zusammengetragen werden. Erst in einem zweiten Schritt sollten die finanziellen Fragestellungen geklärt werden. Mit der Bedarfsabfrage unter den Eltern würde eine Datenbasis vorliegen, die Grundlage sei für Entscheidungen der Politik. „Es ist daher im Interesse der Eltern, die auf eine Betreuung angewiesen sind, an der Bedarfsumfrage auch teilzunehmen. Nur so kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden“, appelliert der Bürgermeister. Laut Gesetz seien Gemeinden verpflichtet, eine Betreuung von 8 bis 13 Uhr vorzuhalten. „Dies sind aber nur fünf Stunden. Die Eltern haben ein Recht auf kostenfreie Betreuung von acht Stunden. Bisher hat mir noch niemand erklären können, welche Zeit verbindlich sein soll. Wenn Herr Kompart hier von einem Minimum spricht, möchte ich darauf hinweisen, dass niemand an einer Reduzierung auf 13 Uhr interessiert ist. Dies ist derzeit nur wegen der Corona-Notgruppen der Fall.“ Rat entscheidet über Betreuungsausbau: Der Rat habe für den St. Martini-Kindergarten Adelebsen die Betreuung einer Gruppe von 13 auf 15 Uhr ausgeweitet und am 11. Juni werde das Gremium über den Antrag des Kindergartens Barterode entscheiden, der ebenfalls eine Erweiterung der Öffnungszeit bis 15 Uhr beantragt hat. „Dies zeigt in meinen Augen den umgekehrten Fall. Der Rat erweitert gerade die Betreuung, die sicherlich auch aufgrund der Beitragsfreiheit von acht Stunden weiter ausgebaut werden muss.“ Hinsichtlich der Erhöhung der Betreuungskosten sagt Frase, dass die Gemeinde Adelebsen seit 2009 vom Rechnungsprüfungsamt aufgefordert werde, die Kindergartenbeiträge anzupassen. 2009 seien sie seit 14 Jahren nicht angehoben worden. Dies habe zu erheblichen Einbußen bei den Einnahmen geführt. Darum erfolge eine „jährliche leichte, aber konsequente Erhöhung“. Als nun die Beitragsfreiheit durch das Land Niedersachsen beschlossen wurde, habe die Verwaltung die Ausfälle der Elternbeiträge im Rahmen des Härtefallfonds geltend gemacht. „Allerdings konnten hier nur die Differenz zwischen den Elternbeiträgen und der Zahlung des Landes geltend gemacht werden. So haben wir eine Zahlung von knapp je 10000 Euro pro Jahr für insgesamt drei Jahre bekommen. Andere Gemeinden haben einen jährlichen Ausfall von weit über 100 000 Euro erstattet bekommen“, vergleicht Frase. Massive finanzielle Auswirkungen: Also habe die Entscheidung der Vergangenheit, die Beiträge für fast 20 Jahre überhaupt nicht anzupassen, nun auch massive finanzielle Auswirkungen bei der Härtefallzahlung gehabt. Im Vergleich zu anderen Gemeinden im Landkreis, sei Adelebsen noch immer im unteren Bereich und damit bei seinen Beiträgen sehr günstig. Auch hier werde der Rat am 11. Juni eine Entscheidung zur Beitragsanpassung treffen. Letzter Punkt, außerschulische Betreuung: „Derzeit bereitet die Verwaltung ein Konzept vor. Es wird ebenfalls Gegenstand der Ratssitzung sein“, schließt der Bürgermeister den Kreis der von Kompart angesprochenen Kritikpunkte. Doch der legt noch einmal nach: Die Informationspolitik der Verwaltung im Flecken Adelebsen lasse insgesamt mehr als zu wünschen übrig. „Die Transparenz von politischen Entscheidungsprozessen ist zumindest in dieser außergewöhnlichen Zeit in keiner Weise gegeben“, argumentiert Kompart. Davon könne sich jeder, der die Internetseite des Flecken und den „sogenannten“ ’Ratsinformationdienst’ besucht, selbst überzeugen. „Auch in den letzten drei monatlichen Ausgaben des offiziellen Mitteilungsblattes des Flecken seit März ist über die hier behandelten Vorgänge kein einziges Wort geschrieben worden“, drückt Kompart sein Unverständnis aus. In Adelebsen ist von der politischen grünen Seite auch die fehlende Transparenz von Entscheidungen kritisiert worden, die in der Corona-Zeit im Verwaltungsausschuss und im Rat der Gemeinde gefallen sind. Dazu sagt Bürgermeister Frase: „Wegen der Corona-Bedingungen haben wir auf die Fachausschüsse verzichtet. Das hat zur Folge, dass die Fachausschüsse die Entscheidungen nicht vorbereitet haben und wir deutlich länger im Verwaltungsausschuss und im Rat tagen werden.“ Die eigentliche Diskussion der Fachausschüsse werde im Rat und im Verwaltungsausschuss stattfinden müssen. Letztgenanntes Gremium tage laut Gesetz sowieso unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Rat der Gemeinde kommt am 11. Juni in der Sporthalle Lödingsen zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Mit der Wahl der Örtlichkeit soll sichergestellt werden, dass alle interessierten Bürger teilnehmen können. Mit einer neuen Stelle in der Verwaltung soll nun klargestellt werden, welche Inhalte aus den nichtöffentlichen Sitzungen laut Datenschutzgrundverordnung öffentlich gemacht werden dürfen. Das Adelebser Ratsinfosystem kann derzeit nur von Mandatsträgern genutzt werden. Lesen Sie auch: Duderstadt und Adelebsen setzen Kita-Gebühren aus Kita-Beitragsfreiheit: Härtefall-Ausgleich für Gemeinden reicht nicht aus Betreuung wird an Schule in Adelebsen teilweise eingestellt Von Ulrich Meinhard

Fehlende Plätze - Kinderbetreuung in Adelebsen in der Kritik