Landkreis Göttingen: Ärger um Radweg zwischen Lenglern und Emmenhausen

Radfahren ist in Mode. Vor allem E-Bikes erfahren wachsende Beliebtheit. Am Willen zum Umstieg auf das umweltfreundliche Zweirad fehlt es nicht - wohl aber an Radwegen. Mehr davon müssen her, fordern Kommunalpolitiker im Landkreis Göttingen. Die Mehrheitsgruppe von SPD, Grünen und Freie Wähler (FWLG) im Kreistag Göttingen setzt verstärkt auf die Gangart „Gemeinschaftsradwege“, bei der sich das Land und die Kommunen in die Aufgabe des Radwegebaus entlang von Bundes- und Landesstraßen hineinteilen. So geschehen bereits auf der Strecke Emmenhausen – Lenglern. Dieser Radweg ist im August 2017 eröffnet worden, die Realisierung erfolgte als Gemeinschaftsradweg. Es funktioniert also - oder eben auch nicht, denn: Die Eigentümer, die ihr Land für das Anlegen des Radwegs zur Verfügung stellten, haben bis heute keinen Cent gesehen. Darauf weist Henning Klages hin, er ist der Vorsitzende der Feldmarkinteressentenschaft Lenglern und vertritt Landwirte, wenn es um die Nutzung von Feldwegen geht. Klages erhielt bereits im September 2010 die Unterlagen für das Planfeststellungsverfahren. „Danach tat sich für mehrere Jahre erst mal nichts“, berichtet er. Bauerlaubnisvertrag im Juli 2015: Im Juli 2015 habe das Straßenbauamt Bad Gandersheim einen Bauerlaubnisvertrag mit den Grundstückseigentümern geschlossen. „Wir wollten den Ausbau nicht verzögern. Auch wir als Landwirte sind für den Ausbau von Radwegen entlang der Landesstraßen, um die manchmal gefährlichen Begegnungen zwischen Radfahrern und landwirtschaftlichen Fahrzeugen auf unseren Wirtschaftswegen zu reduzieren“, betont Klages. „Im Dezember 2019 bekamen wir die Bekanntgabe der Eintragungen in das Liegenschaftskataster. Der Radweg wurde also inzwischen vermessen und von unseren Grundstücken abgetrennt“, schildert er weiter. Eine Entschädigung an die Eigentümer für die Übernahme der Grundstücke durch das Straßenbauamt indes blieb aus. Corona und „andere Dringlichkeiten“: Wann also erhalten nun die Grundstückseigentümer ihr Geld? Carsten Wüstefeld vom Straßenbauamt holt zur Erklärung etwas weiter aus: „Aufgrund der Dringlichkeit hinsichtlich Bau und Freigabe des Radweges wurde mit den meisten Eigentümern zunächst ein Bauerlaubnisvertrag abgeschlossen“, erklärt er. Durch einen derartigen Vertrag sei es möglich, die Flächen in Besitz zu nehmen und das geplante Bauvorhaben auszuführen. Die Eigentumsverhältnisse (sprich: der Ankauf der Flächen) seien anschließend über einen Grundstückskaufvertrag, in dem dann auch der Kaufpreis festgesetzt wird, final zu regeln. Wüstefeld weiter: „Nach Freigabe des Radweges wurde zunächst die Vermessung beauftragt. Die Abschreibungsunterlagen liegen seit Januar 2020 hier vor.“ Durch die Corona-Auswirkungen und durch, wie er sagt, „Dringlichkeiten in anderen Maßnahmen“, sei es bis jetzt nicht möglich gewesen, den Grunderwerb im Bereich des Radweges Emmenhausen – Lenglern zum Abschluss zu bringen. „Abwicklung Anfang 2021“: „Den Eigentümern wurde aber bereits bei Abschluss der Bauerlaubnisverträge zugesichert, dass der zum Zeitpunkt der Kaufvertragsabschlüsse in dem Bereich geltende Bodenrichtwert berücksichtigt wird und entsprechend in den Kaufpreis einfließt“, erklärt der Behördenmitarbeiter. Darüber hinaus werde der Kaufpreis vom Zeitpunkt des Abschlusses der jeweiligen Bauerlaubnisverträge bis zum Zeitpunkt der Auszahlung mit zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verzinst. Auf der Internetseite des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung heißt es zum Thema „Bau von Radwegen an Landesstraßen als Gemeinschaftsradweg“: „Die Planung und der Bau von Straßen begleitenden Radwegen obliegt dem jeweiligen Straßenbaulastträger. Für die Landesstraßen ist dies das Land. Die Entscheidung, ob ein Radweg zu 100 Prozent landesfinanziert wird oder als Gemeinschaftsradweg finanziert werden kann, orientiert sich nicht an Kriterien. Allein die jeweilige Kommune entscheidet, ob und inwieweit sie sich am Bauvorhaben beteiligt. Der Begriff Gemeinschaftsradweg bezieht sich ausschließlich auf die Art und Weise der Finanzierung und nicht auf die Dringlichkeitseinstufung. Diese erfolgt anlässlich der Fortschreibung des Radwegekonzeptes.“ Die Mehrheitsgruppe im Kreistag Göttingen lässt aktuell die Möglichkeiten für Gemeinschaftsradwege prüfen. Zudem geht es um die Frage, ob der Landkreis die Unterhaltung von Fernradwegen wie dem Weserradweg in eigene Hoheit übernimmt. „Grundsätzlich wird von uns natürlich versucht, von vornherein Kaufverträge abzuschließen, sodass diese nach erfolgter Schlussvermessung nur noch über die Auflassungserklärung abgewickelt werden müssen. Die Abwicklung der hier in Rede stehenden Maßnahme ist für Anfang des Jahres 2021 vorgesehen“, ergänzt Wüstefeld. Lesen Sie auch Bovenden: Aktiv bei Radwegebau an Bundes- und Landesstraßen Landkreis Göttingen: An Landesstraßen fehlen oft Radwege „Die brauchen nicht wiederkommen“: Aktuell plant der Flecken Bovenden einen Radweg zwischen Lenglern und Bovenden als Gemeinschaftsprojekt. „Es wird den Vertretern des Flecken Bovenden nicht leicht fallen, an die benötigten Flächen zu kommen“, macht Klages darauf aufmerksam, dass das Geschäftsgebaren des Straßenbauamtes mit hoher Wahrscheinlichkeit abschreckend wirkt. An die Adresse in Bad Gandersheim gewandt sagt er: „Die brauchen so schnell nicht wiederkommen.“ Von Ulrich Meinhard