Martin Roddewig ist seit 30 Jahren Schwimmmeister in Bovenden-Reyershausen

Weit mehr als die Hälfte seines Lebens ist Martin Roddewig schon Schwimmmeister im Reyershäuser Ratsburgbad. Seit 30 Jahren steht er dort am Beckenrand, wacht über das Geschehen in den Becken und hat auch immer ein Auge auf das Areal drumherum, das mit 5200 Quadratmetern gar nicht so leicht zu überwachen ist. Seine Ausbildung zum Schwimmmeister-Gehilfen, wie die Berufsbezeichnung damals noch lautete, hat der Nörten-Hardenberger quasi vor seiner Haustür im heimischen Hallenbad 1984 begonnen. „Die haben jemanden gesucht, und das war bei mir fast direkt um die Ecke“, berichtet er von seiner Berufswahl. Er sei sehr gern geschwommen, war aber kein Wettkampfschwimmer. Sechs Jahre später folgte der Wechsel nach Reyershausen und damit zum Arbeitgeber Flecken Bovenden. „Ich wollte nicht mein gesamtes Arbeitsleben in der Halle verbringen. Ich bin gern an der frischen Luft, fühle mich im Freibad wohler“, sagt der 52-Jährige. 1996 machte er seine Prüfung zum Schwimmmeister, in den folgenden Jahren hat er vier junge Menschen in dem Beruf ausgebildet. Beruf mit vielen Anforderungen: Im Ratsburgbad kennt er natürlich nicht nur die vielen Stammgäste, sondern neben jedem Strauch und Baum auch jede Pumpe, jeden Filter. Er ist das gesamte Jahr über beim Flecken Bovenden angestellt, in den Wintermonaten werden Überstunden „abgefeiert“, die in der Sechs-Tage-Woche während der Saison anfallen, und der Jahresurlaub genommen. „Nach Saisonende im Spätsommer ist auf dem Gelände noch bis Anfang Dezember zu tun. Dann fallen Renovierungsarbeiten an, Bänke und Sonnensegel werden eingelagert, die Becken winterfest gemacht. Der Wasserpegel wird abgesenkt. Erst im Frühjahr wird ganz abgelassen, gereinigt und wiederbefüllt“, berichtet Roddewig, der seinen vielschichtigen Arbeitsplatz so beschreibt: „Ich bin Schwimmmeister, aber ebenso Techniker, Maler, Gärtner und Kundenbetreuer, der auch erste Hilfe leisten kann.“ Weniger zu tun hat er mit den kaufmännischen Angelegenheiten. „Da muss ich für die Haushaltsplanungen nur angeben, was an Neuanschaffungen notwendig ist.“ Im Frühdienst beginnt sein Arbeitstag um 7 Uhr, zwei Stunden bevor er die Eingangstüren aufschließt. Vor der Öffnung des Bades werden die Böden in den Becken abgesaugt, Zählerstände notiert und Messungen von PH-Wert, Chlorgehalt und Temperatur vorgenommen. Sind die ersten Schwimmer da, bleibt der Schwimmmeister in der Nähe der Becken, überwacht, spricht mit den Gästen. „Ich kenne viele Familiengeschichten. Das ist wahrscheinlich so ein bisschen wie beim Friseur“, sagt er über die Gespräche mit seinen Stammgästen. Familienurlaub im Freibad: Zu Roddewigs Stammgästen gehörte in den vergangenen Jahrzehnten auch seine Familie. Die musste nämlich auf den Sommerurlaub mit dem Vater und Ehemann verzichten. Inzwischen sind seine Kinder 24 und 26 Jahre alt und können selbst entscheiden, wann sie verreisen möchten. „Sommerurlaub kenne ich seit drei Jahrzehnten nicht. Aber ich bin auch nicht der große Urlaubsfahrer. Hier ist es doch schön.“ Er hat aber auch schon die Schattenseiten seines Berufes kennengelernt. Einmal in seinem Berufsleben konnte er nicht helfen, eine Schwimmerin starb im Nichtschwimmerbecken. „Darüber habe ich anschließend lange nachgedacht. Sie war ein Dauergast und ich kannte sie gut. Es hat sich aber dann herausgestellt, dass sie an einem Aneurysma gestorben ist und ich chancenlos war.“ Damit Roddewig und seine Kollegin Janine Arto immer helfend eingreifen können, gehören Schulungen und Kurse im Zwei-Jahres-Rhythmus zu ihrem Arbeitsalltag. Pommes gibt es nur ab und zu: Nicht jeden Tag, „aber doch ab und zu“ gönnt sich Roddewig auch mal eine Portion Pommes am Kiosk der Familie Walbrecht. Sonnenschutz braucht er in den Sommermonaten kaum noch. „Wenn wir im März mit den Außenarbeiten anfangen, krempele ich schon mal die Ärmel hoch. Einen Sonnenbrand bekomme ich nicht.“ In seinem 30. Sommer im Reyershäuser Ratsburgbad ist für Schwimmmeister Martin Roddewig alles anders. Das Coronavirus hat die sonst übliche Routine durcheinander gebracht. Angefangen hat alles damit, dass das Freibad in diesem Jahr rund einen Monat später als üblich seine Türen geöffnet hat. Normalerweise geht es immer Muttertag – also am zweiten Sonntag im Mai – los. 2020 war der 8. Juni der erste Öffnungstag. „Ich hätte mir vorher nie vorstellen können, dass unsere Gäste einmal alle in eine Richtung schwimmen“, sagt Roddewig, der vor dem Saisonstart den Pandemieplan der Deutschen Gesellschaft für Badewesen mit Kollegen der Fleckengemeinde so modifiziert und mit dem Gesundheitsamt abgestimmt hat, dass er auf das Ratsburgbad passt. „Unsere Gäste sind sehr diszipliniert. Das klappt alles wunderbar“, lobt er die Besucher, von denen sich nur 300 zeitgleich auf der weitläufigen Anlage aufhalten dürfen. Auch die Zahl der Schwimmer pro Becken ist limitiert. „Wir haben diese Zahl in diesem Jahr noch nicht erreicht. Unsere Liegewiese ist groß genug, da können sich die Familien mit viel Abstand ausbreiten.“ Von Kathrin Lienig