Dransfelder Weihnachtsgottesdienst aus dem Radio

Zu vier Autokino-Gottesdiensten hatte die evangelische St.-Martini-Gemeinde Dransfeld am Heiligen Abend eingeladen. Ort der außergewöhnlichen Andachten war der Parkplatz vor dem Erlebnisbad. Auf der UKW-Frequenz 104,7 MegaHertz konnten die Besucher über ihre Autoradios den Gottesdienst verfolgen. Aussteigen war nicht nötig. Dieses Format zur Verkündigung der frohen Botschaft von der Menschwerdung Gottes hatte die Kirchengemeinde gewählt, um ein mögliches Infektionsgeschehen mit dem Corona-Virus zu verhindern. Bis zu 50 Fahrzeuge fanden sich ein, viele besetzt mit Familien. „Dieses Jahr ist komplett anders“: „Wann ist Weihnachten?“ Mit dieser Frage beginnt Gemeindepastorin Almuth Wiesenfeldt ihre kurze Predigt. Für die Kinder, wenn die Geschenke unter dem Baum liegen, mutmaßt sie. Für die Erwachsenen, wenn endlich etwas Ruhe eingekehrt ist und das letzte bisschen Arbeit aufgehört hat. „Oder mit dem Krippenspiel? – Dieses Jahr ist es komplett anders“, nimmt die Pastorin Bezug auf die Corona-Pandemie. Sie steht auf der mit Lichtern und Tannengrün geschmückten Ladefläche eines von der Göttinger Firma Becher GmbH zur Verfügung gestellten Lkw. „Weihnachten wird es immer dann, wenn wir daran denken, wie dieses Kind in die Welt gekommen ist, auch wenn jetzt alles anders ist als sonst, weil Familien nicht zusammenkommen können, weil jemand in Quarantäne ist oder erkrankt ist“, sagt Wiesenfeldt. „Dieses Kind ist unsere Trotzkraft“: Weihnachten werde es dann, wenn trotz alledem Weihnachten wird: trotz allem, was fehlt, trotz Sorgen und Ungewissheit. „Dieses Kind ist unsere Trotzkraft. Gott lässt diese Welt nicht allein. Gott lässt uns nicht allein“, spricht die Theologin allen Zuhörern Mut zu. Sie vergleicht die Hirten vom Feld, von denen in der Weihnachtsgeschichte die Rede ist, mit den zum Gottesdienst gekommenen Menschen: „Auch die Hirten haben sich damals auf den Weg gemacht und sie waren sich unsicher, was sie erwartet.“ Die Lesung aus dem Lukas-Evangelium (“Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging...“) übernimmt Vikarin Annika Landt. „Ich fand die Idee anfangs nicht gut“: Die Zufahrten und den Parkplatz sichern Mitglieder der Gemeinde und der örtlichen Feuerwehr ab. Unter ihnen Thomas Obermann aus Bördel: Der Landwirt ist der Vorsteher der Kirchengemeinde. Er stellte zwei Traktoren zur Verfügung, quasi als Markierungsposten. Zum Kirchenvorstand gehört auch Viola Ahlborn. „Ich muss zugeben, ich fand die Idee eines Autokino-Gottesdienstes anfangs nicht so gut. Ich lasse mich aber gerne umstimmen, wenn das Gefallen findet. Dann muss auch was Neues ausprobiert werden“, sagt sie. Schließlich sei diese Art des Gottesdienstes der Corona-Situation angepasst und eine sichere Lösung, befindet ihre Tochter Jule Ahlborn. Vater Peter Ahlborn, danach befragt, ob mit dem Ordner-Dienst, den die gesamte Familie leistet, nicht Heiligabend unter die Räder gerate, relativiert: „Wir sind ja in Schichten aufgeteilt“, verweist er auf die insgesamt vier Gottesdienste, die die Gemeinde anbietet. Außerdem sei diese freiwillig übernommene Aufgabe eine jährlich wiederkehrende: nichts Ungewohntes also. Die knapp halbstündigen Gottesdienste auf dem Parkplatz in Dransfeld waren über die Radiofrequenz 104,7 zu empfangen. Dafür hatte die Gemeinde bei der Bundesnetzagentur gegen eine Gebühr eine zweitweilige Frequenz beantragt. Die Reichweite deckte fast das gesamte Stadtgebiet ab, sodass die Menschen auch von zu Hause aus die Gottesdienste verfolgen konnten. Mit den Predigten wechselten sich Almuth Wiesenfeldt und ihr Ehemann Christoph Wiesenfeldt ab. Die St.-Martini-Gemeinde Dransfeld sammelt auch in diesem Jahr Spenden für die Hilfsorganisation Brot für die Welt. Die weltweite Not werde wohl durch die Corona-Pandemie noch steigen, sagte Almuth Wiesenfeldt. Einen Weihnachtsgottesdienst mit Mindestabstand und Masken wird es noch am ersten Feiertag ab 10.45 geben. Danach werde auf Präsenz-Gottesdienste vorerst verzichtet. Das Infektionsgeschehen sei so heikel, dass jedes Risiko einer Ansteckung vermieden werden soll. „Etwas schräg, aber besser als nichts“: Nach dem ersten Gottesdienst sagt Pastorin Wiesenfeldt, dass die gewählte Weise zwar nicht ideal sei, vielleicht etwas schräg, aber besser als nichts. Kalt sei ihr auf der Ladefläche des Lkw gewesen und sie habe sich in die Kirche gewünscht. Es sei auch schade, dass sie die Gesichter der Gottesdienstbesucher nicht habe sehen können, um Reaktionen abzulesen. Die Reaktion freilich kam dann zum Schluss, als die Anwesenden ein Hupkonzert anstimmten und beim Wegfahren mit Daumen und Zeigefingern Herzen zeigten. Lesen Sie auch Dransfeld: Gottes Wort auf Frequenz 104,7 Megahertz Auf die Frage, wann denn für sie Weihnachten beginne, sagt Wiesenfeldt: „Wahrscheinlich, wenn wir zu Hause sind mit unseren Kindern. Aber ich hätte den Beruf verfehlt, wenn für mich nicht schon mit dem Gottesdienst Weihnachten begonnen hätte.“ Von Ulrich Meinhard