21-jähriger Duderstädter macht Kirchenglocken zu Internetstars

Einer Passion, die vielen Gleichaltrigen wundersam erscheinen dürfte, frönt der Gerblingeröder Steven Wucherpfennig. Der 21-Jährige steht auf Glocken. Mit den klerikalen Klangkörpern kann er mehr anfangen als mit Rap, den seine jüngere Schwester hört. Besonders angetan haben es ihm die Glocken der Duderstädter Basilika St. Cyriakus. Die hat er im Internet groß herausgebracht – auf der Homepage der Kirchengemeinde und mit Geläut-Influencern auf Youtube. Wucherpfennig ist zehn Jahre lang Messdiener gewesen, hat ein Faible für Kirchenmusik und ist einer von drei Kantoren an St. Cyriakus, die sich als Vorsänger ablösen:„Ein befreundeter Organist hat mich zu einem Kantorenkurs angestachelt.“ Gleich den zweiten Auftritt hatte er bei der Erhebung der Oberkirche zur päpstlichen Basilika vor 800 Besuchern, Bischof und mehreren Priestern: „Ich war sehr aufgeregt, habe aber alle Töne getroffen.“ Gemeinsames Online-Gebet: Den richtigen Ton getroffen er auch, als er die Youtuber „Angelusglocke“ alias Jonas Rennspieß und „Lingualpfeife“-Betreiber Ludwig M. Jetschke beim abenteuerlichen Aufstieg über Stein- und Holzstufen begleitet und ein Video in einem der beiden Glockentürme gedreht hat, samt Infos über die Kirche und die Region. Das gab den Anstoß, weitere Informationen zu liefern, die jetzt in aller Klang- und historischen Detailfülle auf der Kirchen-Homepage erlebbar sind. Mit dem Kirchenmusiker Jetschke ist Wucherpfennig befreundet, die Online-Community „Lingualpfeife“ auch eine Glaubensplattform: „Wir wechseln aus datenrechtlichen Gründen gerade von WhatsApp zu Discord, einem ursprünglichen Gaming-Server, der Sprachanrufe ermöglicht – bis hin zum gemeinsamen Stundengebet.“ Wucherpfennig, der in Marburg Politikwissenschaften studiert und auf seinen Bachelor-Abschluss zum Thema Rechtsextremismus zusteuert, versteht sich als Katholik, der für seinen „Glauben brennt – aus eigenem Impetus heraus“. In Kirchengeschichte und Theologie ist er so fit, als hätte er jahrelang im Vatikan gedient. Aufgewachsen am Ortsrand von Gerblingerode hat der Sohn einer evangelischen Mutter und eines katholischen Vaters die Glocken dort nur aus der Ferne läuten hören, mit seinen Großeltern häufig die Messe besucht. Klangvolle Lebensbegleiter: Glocken, die geläutet, angeschlagen oder zum Glockenspiel ausgebaut werden können, sind für ihn nicht nur wegen Tonmotiven und Kombinationsmöglichkeiten interessant. Wucherpfennig betrachtet sie auch als „wunderbare Instrumente mit Auftrag, die zum Tagesablauf dazugehören, Menschen durch alle Lebensstationen begleiten, Traurige trösten und Freude verbreiten – von der Osterglocke bis zur Totenglocke“. Dennoch hat er Verständnis für alle, die damit nichts anfangen können – bis hin zu Klagen gegen zu lautes Geläut, die wegen des Gewohnheitsrechtes zumeist scheitern würden. Ein Theologie-Folgestudium schließt Wucherpfennig nicht aus. Vom Gedanken, Priester zu werden, hat er aber nach langem Abwägen zunächst Abstand genommen – nicht nur wegen des Zölibats. Das sei in Orden sinnvoll und werde als komplettes Konstrukt wohl nie abgeschafft werden. Persönlich hält er es für richtig, „verheirateten bewährten Männern, viri probati, das Priesteramt zu ermöglichen, um nicht an der Lebenswirklichkeit der Menschen zu scheitern“. Die schonungslose Aufklärung sexuellen Missbrauchs, dem die Machtstrukturen der Kirche in der Vergangenheit Vorschub geleistet hätten, sei gut und richtig. „Natürlich gab es in der Schule den einen oder anderen, der sich über meinen Glauben lustig gemacht hat“, antwortet Wucherpfennig: „Da stehe ich aber drüber und komme damit klar. Man kann nicht jedermanns Darling sein, das Lob von Messebesuchern entschädigt für vieles.“ Das sechsstimmige Hauptgeläut der Basilika St. Cyriakus gehört zur Duderstädter Klanglandschaft wie das Amen in der Kirche. Ohne die Uhrschlagglocken verfügt das Gotteshaus über sieben Glocken: Vier Läuteglocken im Südturm, zwei im Nordturm und eine weitere Glocke im Chordach-Reiter, die unter anderem als Taufglocke dient. Zu jeder von ihnen kann Steven Wucherpfennig eine Geschichte erzählen. Besonders fasziniert ist der Kantor und Glocken-Aficionado von der 5, 7 Tonnen schweren Gloriosa, der zweitgrößten Glocke im Bistum Hildesheim. Durch das vor vier Jahren umgesetzte neue Farb- und Lichtkonzept für die Basilika habe St. Cyriakus sehr gewonnen, sei ein freundlicherer Raum geworden, sagt er. An einigen Stellen der Kirche und ihres Umfelds müsse allerdings noch nachgebessert werden – und sei es die verfaulte Außenbank, die vom Papstbesuch 2011 in Freiburg stammt. Lesen Sie auch: Youtuber filmt Glocken der Duderstädter Kirchen Duderstädter Glocken läuten jetzt auch digital Von Kuno Mahnkopf

Basilika St. Cyriakus - 21-jähriger Duderstädter macht Kirchenglocken zu Internetstars