25 Jahren Städtepartnerschaft: Silberhochzeit für Duderstadt und Kartuzy

Eigentlich sollte dieser Tage ein Bus aus Duderstadt in die 836 Kilometer entfernte polnische Partnerstadt Kartuzy aufbrechen. Dort wollten die Menschen beider Städte das 25-jährige Bestehen ihrer Partnerschaft feiern. Doch wie so viele Dinge in den vergangenen Wochen, musste auch diese Reise samt Feier der „Silberhochzeit“ wegen der Corona-Krise abgesagt werden. Aus Anlass des Städtepartnerschaftsjubiläums erzählen Menschen in Duderstadt und in Kartuzy, was die Verbindung beider Städte für sie bedeutet. Freundschaft und Völkerverständigung, sagen die meisten von ihnen. Aber auch, dass sie voneinander lernen könnten. Wolfgang Nolte: „Liebe auf den ersten Blick“: Die Städte Duderstadt im Eichsfeld und Kartuzy in der polnischen Region Kaschubei haben vor 25 Jahren – bildlich gesprochen – den Bund fürs Leben geschlossen. Und so nennt der langjährige Duderstädter Bürgermeister Wolfgang Nolte rückblickend die Verbindung mit Kartuzy einen „Glücksfall und als einmalig gelungen“. Nolte: „In der Rückblende war es ,Liebe auf den ersten BLick’. Kein Strohfeuer, sondern eine Partnerschaft auf solidem menschlichen Fundament, das noch heute kraftvoll trägt.“ Grzegorz Gołuński, Bürgermeister in Kartuzy, sagt: „Vom ersten Treffen mit den Duderstädter Ratsherren an, ahnten wir, dass es der Anfang vieler wunderbarer Ereignisse ist, die sich für immer in der Geschichte von Duderstadt und Kartuzy verewigen werden.“ Die Partnerschaft zwischen Kartuzy und Duderstadt sei für ihn „eines der wichtigsten Ereignisse nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in Polen“ gewesen, an dem er habe teilnehmen dürfen. „Besonders stolz bin ich darauf, dass ich schon damals einen starken Einfluss an dem Aufbau und der weiteren Entwicklung dieser besonderen Verbindung hatte“. Grzegorz Gołuński: „Einiges abgeguckt und gelernt“: Diese Partnerschaft habe ihm ermöglicht, sich „einiges abzugucken und zu lernen“, so Gołuński, beispielsweise „wie die wirtschaftlichen Ideen und kommunalen Lösungen angefasst werden“, um sie „zum Guten für die Bürger von Kartuzy in die Gemeindearbeit zu integrieren“. Gleichzeitig habe die Städtepartnerschaft ihm geholfen, „die allgemeine Lebensqualität unserer Kartusier zu verbessern“. Daher, so Gołuński, „war und ist aus Sicht der Kartusier das Allerwichtigste die materielle und finanzielle Hilfe und das große Engagement“ der Duderstädter. Lebenshilfe, Deutsches Rotes Kreuz und der Deutsch-Polnische Freundeskreis hätten in den vergangenen 25 Jahren viel für „unsere Behinderten, Sozialbedürftigen, das Hospiz, das Krankenhaus und das Kinderheim“ getan, sagt Kartuzys Bürgermeister. Auch Nolte erinnert an die „Pionierarbeit“ der Duderstädter mit dem damaligen Bürgermeister Lothar Koch. Es habe etwa 25 Hilfstransporte von Duderstadt nach Kartuzy gegeben, bilanziert Udo Unzeitig, der seit dem Tod seines Bruders Edwin, seinerzeit Vorsitzender der Lebenshilfe Eichsfeld, die Transporte organisiert und zumeist auch begleitet. Rund 30 Krankenhausbetten, etwa 50 Matratzen, Rollatoren, Rollstühle, medizinische Geräte und vieles mehr hätten in der Partnerstadt dankbare Abnehmer gefunden. Karl-Robert Müller: „Sehr rührende Begegnungen“: „Das waren zum Teil sehr rührende Begegnungen“, erinnert sich auch Karl-Robert Müller, 1996 Mitbegründer des Deutsch-Polnischen Freundeskreis in Duderstadt, als die Duderstädter Hilfsgüter und Geschenke ans Waisenhaus oder die Sozialstation in Kartuzy übergaben. Ein ganz besonderes Mitbringsel hatten die Eichsfelder bei ihrer Fahrt 2018 dabei: das Geburtsbett, das nach Schließung der Geburtsstation am Krankenhaus St. Martini nicht mehr benötigt wurde. Gerade erst habe ihm der Standesbeamte von Kartuzy berichtet, so Müller, dass er über die Osterfeiertage 14 Geburten beurkundet habe. Es habe sich offensichtlich in der Kaschubei herumgesprochen, dass es in Kartuzy ein Geburtsbett gebe. Lesen Sie auch: Hilfsaktion für Bürger in der Bürgerstadt Immer wieder fällt im Zusammenhang mit der 25 Jahre währenden Städtepartnerschaft zwischen Duderstadt im Eichsfeld und Kartuzy in der Region Kaschubei das Wort Freundschaft. Paul Schneegans, lange Jahre bei der Stadt Duderstadt Beauftragter für die Städtepartnerschaft und inzwischen Vorsitzender des Freundeskreises, war schnell von der „nicht zu toppenden Gastfreundschaft“ und der „riesigen Herzlichkeit“ der Menschen in Kartuzy begeistert. Die Partnerstadt habe er „bestimmt 25 Mal“ besucht, sagt Schneegans und lobt das nicht nur das tolle Engagement der Gastgeber, sondern auch die Konstanz der handelnden Personen. Einer derjenigen, die von Anfang an auf polnischer Seite bei der Städtepartnerschaft engagiert war, ist Roman Tuszynski, Vorsitzender des Polnisch-Deutschen Freundeskreises in Kartuzy. „Für mich persönlich bedeutet die Stadtpartnerschaft gute und echte Freundschaft“, betont Tuszynski und sieht darin außerdem die Basis für Völkerverständigung. Ben Thustek: „Immer an Völkerverständigung interessiert“: „Mich hat immer die Völkerverständigung interessiert“, beschreibt Ben Thustek vom Eichsfeld-Gymnasium (EGD) sein über die Schüleraustausche hinaus gehendes Interesse an Kartuzy. „Meine Eltern sind als Kinder aus den deutschen Ostgebieten geflohen, und so hatte ich immer einen besonderen Bezug zu Polen. Im Laufe der Jahre war es mir immer ein großes Anliegen die verbindenden Elemente der beiden Völker zu unterstreichen.“ „Die beste Verbindung, die die Entwicklung unserer Partnerschaft stärkt, sind die privaten Kontakte zwischen den Menschen“, meint Kartuzys Bürgermeister Gołuński. Wolfgang Nolte, der zum 20-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft zum Ehrenbürger von Kartuzy ernannt wurde und Gołuński als „mein Bruder” tituliert, bestätigt die enge Verbindung: „Ein zupackendes Miteinander, das sich schnell von der offiziellen Partnerschaft zu ganz intensiven Freundschaften entwickelte. Grenzenlos, auf Augenhöhe, mit den Herzen.“ Thorsten Feike: „Sehr freundschaftliches Verhältnis“: Thorsten Feike, seit 1. November 2019 Noltes Nachfolger im Amt des Duderstädter Bürgermeisters, sagt, ihn verbinde zwischenzeitlich ebenfalls ein „sehr freundschaftliches Verhältnis“ zu seinem Amtskollegen. Umso mehr bedaure er, dass die geplante Fahrt nach Kartuzy ausfallen musste. Eine Städtepartnerschaft könne zu einem Austausch auf verschiedenen Ebenen führen, so Feike. Schüleraustausche trügen zum gegenseitigen Verständnis der Kulturen rechts und links der Grenzen bei und führten dazu, dass sich Schüler zu gefestigten Menschen entwickelten. Von Janusz Reiter, dem ersten Botschafter Polens nach der Wiedervereinigung und Thorsten Wolfgramm (FDP), dem ehemaligen Parlamentarischen Staatsekretär, sei „nach dem Ende der kommunistischen Diktatur in Polen der Vorschlag zu dem Bündnis zwischen unseren Städten in Kaschubien und im Eichsfeld gekommen“, erinnert sich der frühere Duderstädter Bürgermeister Wolfgang Nolte an den Beginn der nunmehr 25 Jahre währenden Städtepartnerschaft Duderstadts mit der polnischen Stadt Kartuzy. Der Beschluss zur Gründung einer Partnerschaft mit der polnischen Stadt Kartuzy wurde 1994 gefasst. Am 13. Mai 1995 wurden die Partnerschaftsurkunde in Duderstadt unterzeichnet und am 4. September des selben Jahres in Kartuzy bekräftigt. In beiden Städten wurden Deutsch-Polnische Freundschaftskreise gegründet. Rege Kontakte gebe es in den Bereichen Schule, Kultur, Sport und den karitativen Einrichtungen. In den vergangenen 24 Jahren gab es insgesamt rund 135 offizielle Begegnungen, davon 30 Besuche offizieller Delegationen, 60 Besuche wie gegenseitige Besuche der Freundeskreise, Hilfstransporte von Lebenshilfe, DRK und Caritas nach Kartuzy, Beteiligung am Lebenshilfefest, Kunstausstellungen, Betriebsfahrt Stadt Duderstadt, Teilnahme am Sparkassenlauf, Begegnungen der Schachclubs, 45 Schüleraustausche mit circa 1100 Schülerinnen und Schülern oder auch Besuche von Kindern aus dem Waisenhaus in Kartuzy im Tabalugahaus Das Tabalugahaus hat mehrfach Kinder aus dem Waisenhaus von Kartuzy aufgenommen. Geplant ist, dass eine weitere Gruppe im Sommer 2020 nach Duderstadt kommt. Die Kreisstadt Kartuzy zählt mit ihren 26 Ortsteilen etwa 33000 Einwohner, rund 15000 Einwohner davon im Stadtkern. Kartuzy erhilet 1923 die Stadtrechte. Die Stadt liegt etwa 30 Kilometer von Danzig und rund 850 Kilometer von Duderstadt entfernt. Die Region nennt sich Kaschubische Schweiz oder auch Kaschubei. Lesen Sie auch: Jubiläumsfest in Kartuzy fällt aus Delegation aus Duderstadt besucht Freunde in Kartuzy Wiederwahl in Duderstadts Partnerstadt Duderstadt und das polnische Kartuzy feiern Partnerschaft mit Ausstellung Duderstadts Bürgermeister Nolte wird Ehrenbürger in Kartuzy Beim Schüleraustausch die große Liebe getroffen Sie erreichen die Autorin per E-Mail an b.eichner-ramm@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499712. Von Britta Eichner-Ramm

Deutsch-polnische Freundschaft - 25 Jahre Städtepartnerschaft: Das sagen die Menschen in Duderstadt und Kartuzy