Auswirkungen des neuen Bundesteilhabegesetz Thema beim Neujahrsempfang der Lebenshilfe Eichsfeld in Duderstadt

Gut 50 Gäste sind am Sonntagvormittag der Einladung der Lebenshilfe Eichsfeld zum Neujahrsempfang gefolgt. Gastreferent war Gerhard Hofmann von den Harz-Weser-Werken. Dort hat er die eigens geschaffene Stelle als BTHG-Beauftragter inne und ist zuständig für die Umsetzung der neuen Vorgaben, die das zum Jahresbeginn neu gefasste Bundesteilhabegesetz (BTHG) mit sich bringen. Bevor Hofmann jedoch schilderte, was das neue BTHG für Einrichtungen wie die Harz-Weser-Werke, die Behörden und die Betroffenen bedeutet, begrüßte Lebenshilfe-Vorsitzender Martin Vollmer die Gäste beim Neujahrsempfang. Mit der Begegnungsstätte und den elf vermieteten behindertengerechten Wohnungen am Kutschenberg sei die Lebenshilfe Eichsfeld nicht direkt mit den Auswirkungen des geänderten BTHG betroffen, sagte Volllmer. Wohl aber Einrichtungen wie die Harz-Weser-Werke. Deren BTHG-Beauftragter Gerhard Hofmann informierte zunächst darüber, welche Änderungen das neue Gesetz beinhaltet. Geändert wurde die sogenannte Eingliederungshilfe insofern, als dass nur noch die Kosten für die Teilhabe als Fachleistung bezahlt werden. „Die Leistungen zum Lebensunterhalt wurden zum 1. Januar 2020 aus der Eingliederungshilfe in die Sozialhilfe verschoben“, erklärte Hofmann. Das bedeutet, dass die Vereinbarungen zwischen den Trägern der Einrichtungen und dem Land Niedersachsen jetzt nur noch die Teilhabeleistungen aber nicht mehr die existenzsichernden Leistungen beinhalten. Rechnung für Unterkunft und Verpflegung: Was das für weitreichende Folgen hat, machte Hofmann anschaulich klar. Der Lebensmittelanteil der Verpflegung und die Kosten der Unterkunft müsse der Mensch mit Behinderung nun selbst bezahlen – entweder aus seiner Rente oder aus der Grundsicherung (Sozialhilfe). Einrichtungen wie die Harz-Weser-Werke müssten die Kosten für Unterkunft und Verpflegung dem Menschen mit Beeinträchtigung in Rechnung stellen. Eine Aufschlüsselung der einzelnen Positionen des inklusiven Leistungsangebots müssten überhaupt erst einmal ermittelt werden, bisherige Heimverträge als Wohn- und Assistenzverträge neu gefasst werden. Eine Herausforderung sei beispielsweise gewesen, dass die neuen Verträge bis Mitte November 2019 vorliegen, damit der Betroffene überhaupt noch die Chance habe, über die Sozialhilfe Grundsicherung zu beantragen, um zum 1. Januar Geld zu bekommen. Verbrauchskosten zum Beispiel für die 96 Wohnheimplätze im Haus Eulingswiese in Bad Sachsa könnten zunächst nur geschätzt werden, erzählte Hofmann aus der Praxis. Doch damit nicht genug: Auch die EDV müsse angepasst werden, denn die HWW sei ja in der Rolle wie ein Vermieter auf dem normalen Wohnungsmarkt und müsse individuelle Abrechnungen erstellen. Sozialbehörden und Betreuer gefordert: Im Übrigen stelle die Trennung der Leistungen mit dem neuen BTHG auch die Mitarbeiter der Sozialbehörden vor Probleme, da in manchen Fällen die Software noch nicht auf die neuen Regelungen angepasst worden seien. Das Mehr an Selbstbestimmung für die Betroffenen bezeichnete Hofmann als eine gute Sache für Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung. „Für Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung“ bedeute das aber, dass gesetzliche Betreuer mehr zu tun bekämen und Menschen, die bisher keinen gesetzlichen Betreuer benötigten, „häufig jetzt einen brauchen werden“. Der Verein Lebenshilfe Eichsfeld finanziert sich hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Erlöse aus Aktionen wie dem Waffelverkauf bei Veranstaltungen oder etwa dem Glühweinstand im Rahmen des Weihnachtstreffs in Duderstadt. Auf dieser Grundlage werden beispielsweise Freizeitangebote für Menschen mit Behinderung, Angebote für die Begegnungsstätte am Kutschenberg in Duderstadt und die Geschäftsstelle mit einem hauptamtlichen Mitarbeiter finanziert, erläuterte der Vorsitzende Martin Vollmer beim Neujahrsempfang. Dank gebühre den mehr als 100 ehrenamtlichen Helfern, die dazu beitrügen, dass die Lebenshilfe zu einem festen Bestandteil des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens im Untereichsfeld geworden sei. Allein bei der Betreuung des Glühweinstands beim Weihnachtstreff waren über vier Wochen lang 84 Helfer im Einsatz. Die Begegnungsstätte wurde 1998 eröffnet und 2016 erweitert. Angegliedert ist ein Wohnhaus mit elf barrierefreien Wohnungen, die vermietet sind. Menschen mit Behinderungen aus dem Raum Duderstadt, Ebergötzen und Gieboldehausen werden vom Fahrdienst der Lebenshilfe beispielsweise zu Veranstaltungen transportiert. Drei Mehrsitzer-Fahrzeuge und etwa 18 ehrenamtliche Fahrer stehen dafür zur Verfügung. Mit Blick auf den 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar erinnerte Vollmer zu Beginn des Empfangs an die menschenverachtende Politik des NS-Regimes und die Verbrechen insbesondere auch gegenüber Menschen mit Behinderung. Die Lebenshilfe setze sich für eine inklusive Gesellschaft ein, in der Vielfalt als Chance gesehen werde und trete jeglicher Form von Ausgrenzung entgegen, betonte Vollmer. Tombola, Glühwein und Waffeln: In seinem Rückblick auf das vergangene Jahr erinnerte er an die Aktivitäten der Lebenshilfe, allen voran im Rahmen des Eichsfeld-Festivals aus Anlass von 100 Jahre Ottobock. Vollmers Dank galt den Unterstützern der Lebenshilfe Eichsfeld und der großen ehrenamtlichen Mannschaft für ihre vielfältigen Einsätze – vom Fahrdienst bis hin zum Glühweinstand beim Weihnachtstreff oder den Waffelverkauf beim Silvesterlauf am Seeburger See, wo „17 Eimer Waffelteig innerhalb von zwei Stunden verkauft waren“. Lesen Sie auch: Tageblatt-Themenseite zum Eichsfeld-Festival Näder spendiert Lebenshilfe Eichfeld Tombola-Hauptpreis Statt Bürgerfest: Lebenshilfe macht mit beim Eichsfeld-Festival Die Autorin erreichen Sie per E-Mail an b.eichner-ramm@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499712. Von Britta Eichner-Ramm

Neujahrsempfang der Lebenshilfe Eichsfeld - Neues Gesetz: Herausforderung für Harz-Weser-Werke