Corona: Duderstädter und Göttinger Händler froh über Wiedereröffnung

Am Montag sind erste Lockerungen der Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie in Kraft getreten. Ab sofort sind Shoppen und Bummeln wieder erlaubt – wenn Sicherheitsregeln und Abstände eingehalten werden. Am vergangenen Mittwoch hat Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) über den folgenden Beschluss informiert: Kleinere Geschäfte dürfen ab Montag, 20. April, wieder öffnen. Dass Einzelhandelsgeschäfte unter bestimmten Voraussetzungen wieder öffnen dürfen, kommt bei Ladeninhabern und Kunden in Göttingen und Duderstadt größtenteils gut an, wie die Tageblatt-Reporter festgestellt haben. Breite Zustimmung in Duderstadt: Die Wiedereröffnung der Geschäfte ist in Duderstadt auf breite Zustimmung gestoßen. Sowohl Händler als auch Kunden halten die Lockerungen für gut. In den Läden wurden, so zeigen es Stichproben in der Fußgängerzone, Vorkehrungen getroffen, um Mitarbeiter so gut es geht zu schützen, für Kunden wird vielfach Desinfektionsmittel bereitgehalten. Manche Verkäufer und Kunden tragen Masken, die Abstandsregeln sind für die Menschen anscheinend inzwischen gewohnte Routine. Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Die mehrwöchige Zwangspause sei „katastrophal gewesen“, klagt Wolfgang Kohl, Inhaber des gleichnamigen Elektrogeschäfts in Duderstadt und fügt erleichtert hinzu: „Gott sei Dank geht es jetzt wieder los“. In dem kleinen Ladengeschäft klebt eine rot-weiße Linie am Boden vor dem kleinen Tresen, eine Plexiglasabtrennung hängt über der Kasse herab. Als der Kunde Johannes Klapprott den Händler jedoch nach Gummi-Außensteckdosen fragt, wird es schon schwierig, den Mindestabstand zueinander einzuhalten. Beide Männer bemühen sich redlich. Am Vormittag hätten schon einige Kunden sein Fachgeschäft besucht, sagt Koch und der Brochthäuser Klapprott freut sich, im Baumarkt „endlich nicht mehr Schlange stehen zu müssen“. „Endlich wieder rausgehen“: „Schön, dass die kleinen Geschäfte wieder offen haben“, meint Monika Rittmeier aus Nesselröden. Sie ist am Montagmittag in der Duderstädter Fußgängerzone unterwegs, um zunächst einmal zu sehen, welche Geschäfte wieder geöffnet seien. „Endlich wieder rausgehen“, freut sich Petra Kriegelsteiner, die auf der Marktstraße bummelt. Die 62-jährige Gerblingeröderin sieht die Geschäftsöffnungen indes mit gemischten Gefühlen. Sie sorge sich schon ein bisschen, „ob alles gut geht“ und sich die Zahl der Ansteckungen dadurch nicht erhöhen. Sie achte darauf, Abstand einzuhalten. Bei aller Freude, wieder unter Menschen zu kommen, gehe es doch vor allem immer um die Frage: „Was ist im Moment wichtig?“ Dekorationen für Zuhause seien derzeit eher weniger gefragt, stellt Jörg Rode, Inhaber des gleichnamigen Duderstädter Geschäfts für Wohnaccessoires fest. Der Andrang am ersten Öffnungstag nach der Zwangspause bezeichnet er als „ein bisschen verhalten“. Gleichwohl sei er froh, wieder öffnen zu dürfen und appelliert an die Vernunft der Kunden, die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten. „Die Kunden sind sehr verantwortungsbewusst“, so die Einschätzung von Gaby Haber, die an der Marktstraße in Duderstadt ein Geschäft für Lifestyle- und Einrichtungsgegenstände führt. Viel Betrieb sei bis zur Mittagszeit jedoch noch nicht gewesen, sagt sie. Lieber im Laden statt online: „Ich habe erst überlegt, ob ich heute überhaupt los gehen soll“, gesteht Christiane Borchard. Dann aber habe das Bedürfnis, wieder aus dem Haus zu gehen und „was anderes zu sehen“ überwogen. Die Duderstädterin betont, ihr sei es beim Bummel durch die Innenstadt weniger ums Shoppen gegangen. Ein paar Schuhe habe sie dennoch benötigt und auch gekauft. „Ich bin kein Online-Besteller“, betont sie, vielmehr habe sie sich gefreut, in den Laden zu gehen und das Geschäft unterstützen zu können. Sie sei froh, dass in der Fußgängerzone wieder „ein bisschen Leben“ herrscht, äußerte sich Alexandra Rittmeier. Sie nutzte die Wiedereröffnung der Geschäfte, um passend zu ihren gelben Mantel ein paar gelbe Schuhe zu kaufen. Online zu bestellen, sei für sie nicht in Frage gekommen, denn wegen ihrer großen Füße probiere sie Schuhe lieber im Laden an. Kinderschuhe besonders gefragt: Im Schuhgeschäft Kühn in Duderstadt sei am Vormittag „schon gut zu tun gewesen“, zieht Mitarbeiterin Claudia Krabbe gegen Mittag ein erstes Zwischenfazit vom ersten Tag der Wiederöffnung. Auch das Eichsfelder Schuhcenter in Gieboldehausen hatte am Montag wieder offen. Inhaberin Christiane Wüstefeld berichtet, dass vor allem Kinderschuhe gefragt gewesen seien. Das habe sie auch schon in den vergangenen Wochen festgestellt, als sie auf Nachfrage mit einer Auswahl an Kinderschuhen in die Dörfer gefahren sei. „Anprobieren auf der Treppe oder auf der Terrasse – das hat sehr gut geklappt und hat auch Spaß gemacht“, sagt sie rückblickend. Und die Kunden seien alle sehr entspannt gewesen. Mit ihren Kindern zum Einkaufen unterwegs war am Montag Jessica Rother aus Fuhrbach. „Wir brauchten ein paar Sachen für die Schule“, berichtet die Mutter von Paul (3), Luise (6) und Amelie (7) von ihren Einkäufen in der Buchhandlung. Und dann benötige sie für Paul unbedingt eine neue Hose, nach der sie bei Juniors Kindermoden in Duderstadt Ausschau hielt. Sie habe stets vor Betreten des Ladens gefragt, ob die Kinder mit herein dürften, sagt sie. Überhaupt kein Problem, meint Inhaber Hans Kwoczek. Schon eine Viertelstunde vor Öffnung hätten die ersten Kunden bei ihm schon vor dem Kindermodengeschäft gewartet, sagt er. „Das hätte ich so auch nicht erwartet.“ Und trotz des guten Besuchs in dem 140 Quadratmeter großen Laden hätten Polizei und Ordnungsbehörde bei ihrer Kontrolle keine Beanstandungen gehabt. Sich etwas Besonderes gönnen: Es seien schon einige Kunden gewesen, sagt Judith Leinemann, Inhaberin des Juweliergeschäfts Oppermann in Duderstadt. Einige hätten Serviceleistungen in Anspruch genommen, andere hätten ein Geschenk gekauft, aber es seien auch zwei Kundinnen vorbeigekommen, die gesagt hätten, sie wollten sich an diesem Tag etwas Besonderes gönnen. In den vergangenen Wochen habe es auch telefonische Bestellungen gegeben, ergänzt Leinemann. Antje Kühle, Inhaberin der gleichnamigen Parfümerie in der Duderstädter Fußgängerzone, hat ihr Ladengeschäft entsprechend der Vorgaben präpariert. Und auch die Kundinnen, die die Parfümerie an diesem ersten Tag der Wiedereröffnung betreten, seien „alle verständnisvoll“ gewesen. Parfümerie-Kundin an diesem Montag ist unter anderem Gabi Thomas. Sie sei sehr froh, dass die Geschäfte wieder geöffnet haben, komme sie doch dadurch „wieder unter Leute“. Reinhard Recke, der ebenfalls in Duderstadt unterwegs ist, begrüßt, dass die Freiheitsbeschränkungen nun wieder gelockert würden. Dennoch zeigt er Verständnis für die Maßnahmen. „Man muss damit leben und Verzicht üben“, sagt der Duderstädter, „aber das ist ja nicht für eine Ewigkeit“. Gutscheinaktion gut angekommen: Positive Erfahrungen haben auch Jürgen Grollmisch, Inhaber des Modegeschäfts 4fashion, und seine Mitarbeiterin Gudrun Hellmold am Tag der Wiedereröffnung gemacht. Vor allem die Bereitschaft vieler Kunden, in den Laden zu kommen statt im Internet zu bestellen, freut Grollmisch. Dazu beigetragen haben mag vielleicht auch die Gutscheinaktion, die der Geschäftsmann gestartet hatte, „damit es überhaupt ein bisschen Geldfluss gibt“. Erfreulich sei, dass dabei vor allem Gutscheine über 50 Euro und mehr gekauft worden seien. In Göttingen öffnet sogar das Kaufhaus – eingeschränkt: Das Göttinger Kaufhaus „Galeria Karstadt“ hat am Montag auch geöffnet – allerdings begrenzt. Das Geschäft kann nur von der Johannisstraße aus betreten werden. Außerdem ist nur die untere Etage für die Kunden zugänglich. Somit ist die Geschäftsfläche auf 776 Quadratmeter begrenzt. Am Eingang steht ein Service-Point aufgebaut. Dort informieren Schilder über einen neuen Service: „Verkauf aller Wunschartikel: Sie sagen uns, was Sie suchen – wir finden es in unserem Sortiment!“ Von der Stadt Göttingen heißt es: „Die maximale Kundenanzahl wird durch Zählen am Eingang begrenzt. Das war aus Sicht der Mitarbeiter des Stadtordnungsdienstes sehr vorbildlich gelöst.“ Die Stadt Göttingen zeigt sich optimistisch: Seitens des Stadtordnungsdienstes heißt es, dass keins der ab Montag geöffneten Geschäfte wegen fehlender Hygienemaßnahmen aufgefallen war. „Ein Händler hat beispielsweise eine Art Eintrittschip an Kunden ausgehändigt. Anhand der Chip-Anzahl konnte die maximale Kunden-Anzahl, eine Person auf zehn Quadratmetern gesteuert werden“, teilt Verwaltungssprecher Dominik Kimyon mit. „Einige wenige Geschäfte, die auch schon zuvor öffnen durften, wurden, wenn nötig, auf die bestehenden Hygiene-Auflagen hingewiesen. Die Kontrollen werden bei diesen Geschäften intensiviert“, ergänzt Kimyon. Gebastelter Schutz für den Kassenbereich: Im Waschbär-Umweltladen an der Kurze-Geismar-Straße tragen Geschäftsleiterin Sabine Morgenroth und eine Mitarbeiterin gegen 11.45 Uhr ein etwa zwei Meter langes und 1,70 Meter breites Konstrukt aus Pappe und transparenter Folie zum Kassenbereich. „Firmen, die Spuckschutz professionell aus Plexiglas herstellen, können im Moment nicht liefern. Die Nachfrage ist sehr hoch“, sagt Morgenroth. „Wir haben natürlich bestellt.“ Ein paar Tage müsse der selbst gebastelte Schutz ausreichen. Für einen Montagvormittag, so die Geschäftsleiterin, sei die Frequenz gut gewesen, „hauptsächlich Stammkundinnen. Sie haben sich sehr gefreut, dass wir wieder offen haben.“ Mehr als 20 Kunden dürften den Laden nicht gleichzeitig betreten – sieben waren es am frühen Mittag. Jeder müsse einen Korb mitnehmen. „Sind keine Körbe mehr da, kommt auch keiner mehr rein“, sagt Morgenroth. Einkauf im kleinen Laden vermisst: Kathrin Bormann (54) ist Kundin im Waschbär-Umweltladen. Die Göttingerin kauft hier gezielt ein: „Kohlensäure. Den Sprudler in unserer Ergotherapiepraxis konnten wir einige Wochen nicht nutzen. Wir mussten Mineralwasser kaufen.“ Sie habe es „vermisst, einkaufen zu gehen“ – und bislang „meist vermieden, online zu bestellen und liefern zu lassen. Es ist schön, dass die kleinen Geschäfte wieder geöffnet sind.“ Jan-Erik Pruschke ist Göttinger, studiert aktuell in Mainz und „kommt ab und zu“ in seiner Stadt, sagt der 20-Jährige. Und wenn er hier schon mal hier sei, gehe kein Weg am Antiquariat René Krieger an der Kurze-Geismar-Straße vorbei. „Ich habe den ersten Tag, an dem Geschäfte öffnen dürfen, gleich genutzt, um hier ein Buch zu kaufen“, sagt der Geschichtsstudent: Lektüre über die deutsch-jüdische Historie im 18. Jahrhundert. Im Geschäft gibt es mehr Nähe: In der City einzukaufen, mag er. „Das habe ich vermisst. Es ist doch was anderes als bei einem Unternehmen zu bestellen und Ware bringen zu lassen. Hier ist Nähe. Jetzt natürlich mit Einschränkung.“ Pruschke sagt, er finde, die Lockerung „ist eine sinnvolle Sache. Aber die Maßnahmen könnten bezüglich der Maskenpflicht strikter sein.“ Er trägt beim Besuch des Antiquariats keine Maske. „Die habe ich zu Hause vergessen. Ich kaufe mir gleich eine in der Stadt.“ DVD-Hülle dient als Bargeld-Tablett: Diesen Kauf hat Herbert Eberhard bereits getätigt. Der Mitarbeiter des Antiquariats René Krieger an der Kurze-Geismar-Straße hat nicht nur Mundmasken in einer Apotheke erworben. Neben dem Präsentationsbereich für Langspielplatten hat er zwei Bodenmarkierungen angebracht, deren Überschreitung tabu ist – der 73-Jährige steht zwischen beiden Linien und macht Kasse. Als Tablett zur Barzahlung und Überreichung von Wechselgeld dient ihm eine DVD-Hülle. „Ich bin mit dem Besuch und dem Umsatz in den ersten zweieinhalb Stunden sehr zufrieden. Wir leben von unseren Stammkunden. Sie sind erleichtert, dass wir wieder geöffnet haben.“ Im Eingangsbereich hat er einen Infozettel angebracht: „Mundschutz ist herzlich willkommen“ – und: „Bitte Abstand halten.“ Bislang zehn Kunden hätten sich an die Regel gehalten. „Zehn sind für einen Montagvormittag fast schon normal. Damit habe ich nicht gerechnet.“ Pfeile weisen den richtigen Weg: Offen ja – aber Rückkehr zur Normalität: nein. Mit dieser durchaus nicht unangenehmen Erkenntnis empfängt das Team von Contigo Kundschaft im Geschäft an der Lange-Geismar-Straße. Im Eingangsbereich steht ein Bistro-Tisch – darauf platziert sind: eine Infotafel zu den lokalen Regeln, einer Flasche Desinfektionsmittel und Papiertücher. Am Boden prangt ein großes X, das signalisiert: Hier geht’s nicht lang. Ein Pfeil weist den Weg in den Warenbereich, ein weiterer den zu Kasse. Alle Mitarbeiterinnen tragen Gesichtsmasken – bis auf die Kollegin an der Kasse, dort ist Plexiglas angebracht. „Vor allem Stammkundschaft“ sei am Vormittag im Geschäft gewesen, sagt Filialleiterin Antje Pyka. „Alle sind erfreut. Und rücksichtsvoll. Einschränkungen nehmen die Kunden mit Respekt entgegen.“ Maximal zehn Kunden gleichzeitig dürften das Geschäft betreten. Die Kaffeebar habe geschlossen. Die Lockerung der allgemeinen Regeln sei „sehr vernünftig“, sagt die 55-Jährige. „Jeder Tag vorher ist ein Verlusttag gewesen.“ Welche Produkte wurden bislang am meisten gekauft? „Kaffee!“, sagt sie mit einem Lächeln. „Kaffee ist heute die Nummer eins.“ Vier Kunden zugleich: Dietmar Graf zählt mit dem von ihm 1982 gegründeten Geschäft Tavola an der Ecke Kurze-Geismar/Mauerstraße zu den ersten Adressen in der City bezüglich „Porzellan und Design“. „Ich war erst skeptisch, als ich gehört habe, dass die Lockerung so schnell kommt. Aber natürlich haben wir uns sehr gefreut.“ Graf hat 160 Quadratmeter Ladenfläche, sagt er, davon 50 für die Kunden. Maximal vier können gleichzeitig eintreten, steht auf dem Zettel an der Tür – mit gebührendem Abstand zueinander. Mit dem Besuch am Montagvormittag sei er „sehr zufrieden“. Den Abstand hielten die Kunden auch ein: „Alle kennen ja das Corona-Ballett vom Lebensmitteleinkauf. Das haben die meisten verinnerlicht.“ Nachdem das Ostergeschäft ausfallen musste, seien jetzt Artikel für die Gartensaison gefragt. Unter anderem seien eine Bonsai-Schere, „japanisch geschmiedet“, und ein „,Long-Tom’, ein viktorianischer Rosenblumentopf“, gekauft worden. Im Fachgeschäft genähte Gesichtsmaske: Annika Stöber hat mittags an die Tür von Friederike Lohrengels Fachgeschäft für Damenmode an der Burgstraße geklopft. Innen ist Kundschaft zu sehen, sagt die Göttingerin. Eine Mitarbeiterin hat geöffnet und nach ihrem Wunsch gefragt. Die 38-Jährige hatte eine genähte Gesichtsmaske für ihre sechsjährige Tochter Amelie bestellt, die sie jetzt abholen wollte, prompt erhielt und an der Tür bezahlte. Im Schaufenster hatten sie und ihre beiden Töchter bunte Beispiele der von Lohrengel angebotenen Masken gesehen, die ihren Töchtern „gut gefallen haben“. Die neunjährige Paulina hatte bereits eine. Die Maske für Amelie „passt perfekt. Die Schneiderin hat ein gutes Auge“, sagt Stöber. „Wenn wir in der Stadt einkaufen oder spazieren gehen, tragen wir aus Rücksicht auf andere Gesichtsmasken. Wir wollen andere schützen. Wenn viele so handeln, ist das gut für alle.“ Die Masken könne sie zwar selber nähen, aber: „Wir wollen die lokale Wirtschaft unterstützen. Support your local.“ „Etwas mehr Leben in der Stadt“: „Ich habe mich sehr über die Lockerungen gefreut“, sagt Barbara Lemke-Müller. „Jetzt ist wieder mehr Leben in der Stadt. Zumindest etwas.“ Das Einkaufen habe sie gar nicht so sehr vermisst. Die Leere habe ihr zugesetzt. „Jetzt ist sie wenigstens nicht völlig ausgestorben.“ Irritierend sei, dass die neuen Regeln unterschiedlich interpretiert werden: „Es wäre besser, sie in allen Bundesländern einheitlich zu handhaben“, so die 70-Jährige. Die Empfehlung, Gesichtsmasken zu tragen, findet die Göttingerin „richtig. Asien hat es vorgemacht. Die nutzen offensichtlich.“ Lemke-Müller sagt, sie habe in ihrer Handtasche „Desinfektionsmittel und Handtasche“ dabei. „Und Mundschutz“ – den trage sie, wenn sie in ein Geschäft geht, „zum Beispiel zum Einkauf von Lebensmitteln. Das gibt anderen ein Gefühl der Sicherheit. Ist auch psychologisch ein wichtiger und guter Aspekt.“ Die Mundmaske werde gleich zum Einsatz kommen, sagte sie. Ein paar Schuhe vor dem Geschäft Lorenzo an der Jüdenstraße hatte ihr Interesse geweckt. Stöbern in der Buchhhandlung: Andreas Dröscher, Mitarbeiter in der Buchhandlung „Vaternahm“, trägt an diesem Montag eine bunt gemusterte Gesichtsmaske. Diese hat er von einer Freundin geschenkt bekommen: „Unser Vorgesetzter hat uns Mitarbeitern auch Masken ausgehändigt. Diese hat er wiederum von Bekannten geschenkt bekommen, die selber genäht haben“, so Dröscher. Ferner wird in dem Geschäft darauf geachtet, dass jeder eintretende Kunde einen winzigen Einkaufskorb bekommt: „Eine Person ist pro zehn Quadratmeter ist erlaubt. Es dürfen also bloß 15 Kunden gleichzeitig im Laden sein. Deswegen stehen vorne 15 Körbe. Wir sehen, wann die maximale Anzahl erreicht ist“, so Dröscher. Der Buchhändler freut sich über den Zuspruch, den das Geschäft erfuhr, als es geschlossen war: Auch in diesen Zeiten bestellten Leser telefonisch Bücher in im Geschäft. „Aber dieser Handel ersetzt nicht den Kunden im Laden“, ist er sich sicher. Gemeinsam mit zwei Kollegen habe er die Bücher nach Hause geliefert – auf dem Fahrrad. „Das war ein Kraftakt“, meint er. Kunden seien ausschließlich im Göttinger Stadtgebiet beliefert worden. Ob die Mitarbeiter diese Zulieferung nun weiter betreiben, wisse Dröscher nicht. Die Überlegung bestehe aber, Risikopatienten zu beliefern. „Wenn ein Kunde um die Lieferung bittet und seine Wohnung in der Nähe liegt, können wir das realisieren. Aber wir haben nicht die Kapazitäten, so viel wie in den vergangenen Wochen auszuliefern“, erklärt Dröscher. Öffnungszeiten sind aktuell Probezeiten: Es kommen an diesem Montag weniger Kunden in den Laden, als normalerweise, teilt der Buchhändler mit. Mit den Öffnungszeiten würden die Mitarbeiter noch experimentieren: Zunächst sei festgelegt worden, dass der Laden zwei Stunden früher schließt. Insgesamt freue er sich, dass das Geschäft wieder geöffnet ist: „Es ist schön zu sehen, dass Menschen reinkommen und dass es wahrgenommen wird, dass wir wieder da sind.“ Neues Hobby entdeckt: Fleißig am Stöbern ist die BWL-Studentin Josephine Kriev. Zufällig habe sie entdeckt, dass die Geschäfte wieder offen sind: „Ich hatte die neuen Öffnungszeiten nicht so sehr auf dem Schirm. Ich war auf dem Weg zum Fahrradladen, ich wusste, dass der geöffnet ist. Unterwegs habe ich gesehen, dass auch der Buchladen offen ist“, erklärt sie. Auf einer belebteren Fußgängerpassage entlangzugehen, fühle sich gut an, findet die Studentin. „Vorher war es schon sehr leer und einsam auf den Straßen“, sagt sie. Die 23-Jährige sucht nun ein Buch aus, dass sie bei dem schönen Wetter in der Sonne lesen kann. Das Lesen hätte sie als neues Hobby in Zeiten von Corona für sich entdeckt. Blättern am Bücherstand: Tobias Heine, Doktorand in Kunstgeschichte, genießt das Stöbern in der Buchhandlung: „Ich freue mich, wieder reinkommen zu dürfen. Mir gefällt es, in den Büchern zu blättern, und der Laden hier hat ein großes Repertoire an Kunstbüchern.“ Vor Ort könne er die Bilder begutachten, die in den Kunstbüchern gedruckt wurden. Online sei es schwieriger, die Qualität der Bilder zu untersuchen. In einem Bekleidungsgeschäft und im Supermarkt werde er heute auch noch vorbeischauen. Für einen Montag viel Betrieb: Im Geschäft „Die Nadelzeile“ müssen sich die Kunden anstrengen, sich nicht zu nahe zu kommen. Üblicherweise würden am Montag bloß zwei Mitarbeiter in dem Stoffladen im Dienst sein. Da sehr viel Betrieb ist, muss die Filialleiterin Sabine Harms mit anpacken. „Alle kaufen Stoffe, um Masken zu nähen“, erklärt Harms. In einigen Ländern sei es schließlich bereits Pflicht, eine Maske zu tragen. Auf der Internetseite hat der Laden eine eigene Anleitung zum Masken-Nähen verfügbar gestellt. „Außerdem haben wir selbst genähte Masken online verkauft. Da die Nachfrage so groß war, verkaufen wir nun Masken-Sets bei uns im Laden. In diesem sind alle wichtigen Materialien für eine Gesichtsmaske“, so die Filialleiterin. Die Kunden kauften Stoffe mit den verschiedensten Mustern. „Die ausgewählten Muster können auch Ausdruck der Individualität sein“, so Harms. „Die Abwechslung tut gut“: Eine Kundin in dem Stoffgeschäft, die ihren Namen nicht nennen mag, kauft ihr Material allerdings nicht für eine Maske: Um ein Dinkelkissen zu nähen, ist sie am Montag in das Geschäft gekommen. Zu den frisch geöffneten Geschäften meint sie: „Es ist eigentlich schön, nach sechs Wochen daheim, mal wieder rauszukommen. Irgendwann ist die Drei-Zimmer-Wohnung aufgeräumt.“ Das Shoppen-Gehen sei eine schöne Abwechslung im Alltag. Allerdings fürchte sie, dass die Innenstadt zu voll werde – am Montag seien schon viel mehr Menschen als in den vergangenen Wochen zu sehen gewesen. Sie arbeite selber im Einzelhandel, berichtet die Frau. Doch ihr Geschäft öffne erst wieder am 4. Mai: „Nicht alle Geschäfte sind bereits geöffnet. Einige müssen auch erst die Sicherheitsbedingungen realisieren.“ Nach dem Beschluss von Bund und Ländern dürfen alle Geschäfte mit einer Ladenfläche von bis zu 800 Quadratmetern am Montag, 20. April, wieder öffnen. Ausgenommen von dieser Einschränkung sind Kfz- und Fahrradhändler und Buchhandlungen. Diese dürfen unabhängig von ihrer Größe die Türen öffnen. Die Länder müssen die Anordnungen selbst ausgestalten, daher gibt es Ausnahmen. „Kritiker sprechen aufgrund der unterschiedlichen Regelungen von einem Flickenteppich, der Handelsverband Deutschland warnt bereits vor Wettbewerbsverzerrungen“, heißt es seitens des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). In Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Hessen und dem Saarland dürfen auch größere Läden aufmachen, wenn sie die Verkaufsfläche auf 800 Quadratmeter begrenzen. Solche Einzelhändler müssten die Abtrennung aber unmissverständlich durchsetzen. In Brandenburg und Niedersachsen dürfen auch Geschäfte mit bis zu 800 Quadratmetern öffnen, die in Einkaufszentren liegen. Lesen Sie auch: Corona-Regeln gelockert: Göttinger und Duderstädter genießen wieder Eis Das sagen Göttinger Passanten zu den neuen Maßnahmen Ein Name im Artikel wurde korrigiert. Sie erreichen die Autoren per E-Mail an lokales@eichsfelder-tageblatt.de. Von Britta Eichner-Ramm, Stefan Kirchhoff und Anja Semonjek

Corona - Göttinger und Duderstädter froh über Wiedereröffnung der Läden