Corona und Rohrbruch: Duderstädter Kultkneipe „Zum Halben Mond“ in Nöten

So etwas nennt man wohl einen Stolperstart in die Selbstständigkeit: Zum 1. Februar 2020 hatten Florian Liesenfeld und Melissa Lehmann das Traditionslokal „Zum Halben Mond“ in Duderstadt als Pächter übernommen, dann wurden sie zunächst von Corona ausgebremst. Ab November folgte der zweite Lockdown, und nun ist das Gasthaus bis auf weiteres Baustelle – ein Wasserschaden macht seit Februar 2021 eine Kernsanierung nötig. Wann wieder geöffnet wird, steht nun doppelt in den Sternen. Lesen Sie auch Junges Pärchen übernimmt Duderstädter Kultkneipe Gasthaus "Zum Halben Mond" nach 34 Jahren in Duderstadtverkauft Hausdurchsuchung bei Ärztin in Duderstadt : Gericht prüft Beschlagnahme von Patientenakten Es war der 17. Februar, also der Tag, an dem nach der Polarkälte die Temperaturen plötzlich und zügig anstiegen. Liesenfeld hatte in den vergangenen Lockdown-Wochen alle zwei bis drei Tage im „Halben Mond“ vorbeigeschaut, um einige handwerkliche Arbeiten zu erledigen, diesmal sah er nach eineinhalb Tagen wieder einmal nach dem Rechten. Der 33-jährige Pächter bemerkte bereits vor der Tür ein Rinnsal Wasser, und im Innern stand er dann knöcheltief im Wasser – Rohrbruch. Rohrbruch im obersten Stockwerk lässt Wasser durchs Haus fließen: Ausgerechnet im obersten Stockwerk des Gebäudes an der Duderstädter Haberstraße war ein Rohr mutmaßlich infolge der Eiseskälte geborsten. Resultat: Das Wasser suchte sich, unbeirrt der Schwerkraft folgend, seinen Weg durch das gesamte Gebäude. „Lehmwände, Böden, sogar Teile des Fachwerks – alles kaputt“, berichtet der Pächter. „Es ist alles schwammig, Balken müssen getauscht werden, Lehmwände sind zum Teil herausgeschwemmt.“ Seit beinahe einem Monat ist eine Spezialfirma damit beschäftigt, das Gebäude zu entkernen. Eine mögliche Öffnung im Zuge von Corona-Lockerungen im Frühjahr ist somit unmöglich. „Die Sanierung wird wohl ein halbes Jahr bis ein Jahr dauern“, schätzt Liesenfeld. Die Pächter Liesenfeld/Lehmann hatten es im vergangenen Jahr mit dem ersten eigenen Projekt eigentlich ganz gut durch die Krise geschafft: Nach dem ersten Lockdown öffnete das Paar ab dem 20. Mai wieder – und profitierte von der Feierlust der Duderstädter nach der wochenlangen Schließung der Kultkneipe. 34 Jahre lang hatten Eva und „Kalle“ Marschall den „Halben Mond“ an der Ecke Haberstraße/Schumarktstraße betrieben. Dann kamen Anfang 2020 Florian „Flo“ Liesenfeld und Melissa Lehmann. Er ist eigentlich gelernter Zahntechniker, sie gelernte Friseurin und Kosmetikerin. Kennengelernt haben sich die beiden, als er im Duderstädter Hotel „Zum Löwen“ arbeitete und sie gegenüber in einer Parfümerie. Als sich Ende 2019 die Frage nach einem Nachfolger für die Kultkneipe „Zum Halben Mond“ stellte, erhielt Liesenfeld von Direktor und Restaurantleiter des „Löwens“ den Tipp, dass ein neuer Pächter gesucht werde. Also gaben Liesenfeld und Lehmann ihre Jobs aus und stürzten sich ins Abenteuer: Sie stellten einen Businessplan auf, und im Februar 2020 ging es für sie los. Der Neustart nach wenigen Wochen Umstellungspause gelang, und am Eröffnungstag ging es rund bis in die frühen Morgenstunden. „Zwar musste man sich erst an die Zeiten gewöhnen, aber wir haben so viele Leute getroffen, und es macht so viel Spaß!“, sagt Lehmann. war „Tatsächlich kamen immer mehr Leute. Die wollten einfach wieder raus“, berichtet Lehmann. „Man hat gemerkt, dass die Menschen Geld ausgeben wollten für Sachen, die ihnen Spaß machen“ – dazu gehörte offenbar ein Bierchen im „Halben Mond“. Teilweise sei bis in die späte Nacht gefeiert worden, „wir hatten regelrechte Straßenfeste und mussten wegen der Nachbarn aufpassen, dass es nicht zu laut wird“, ergänzt die 28-Jährige. Stammtische etablierten sich, „es kombinierte sich jung und alt“, erzählt Lehmann. „Die Leute wurden in der Krise auch immer großzügiger und herzlicher. Das haben wir schon gemerkt.“ Diese Hilfsbereitschaft sei auch jetzt im zweiten Lockdown zu spüren, zumal das Pächter-Paar seine Kunden mit Posts in den sozialen Medien auf dem Laufenden hält. „Die Stammgäste, auch ältere, rufen an und erkundigen sich. Da haben sich in der kurzen Zeit, in der wir geöffnet hatten, Freundschaften aufgebaut“, sagt Lehmann. Auch der Zusammenhalt zwischen den Duderstädter Gastronomen sei mittlerweile hervorragend, ergänzt Liesenfeld. Doch nun folgte der erneute Rückschlag. Der Gutachter halte sich sehr bedeckt, berichtet Liesenfeld. Glück im Unglück ist, dass der Eigentümer des Gebäudes die Näder Holding ist, und Ottobock-Chef Hans Georg Näder das Traditionsgasthaus unbedingt erhalten wolle. Die Wiedereröffnung ist also ausgemachte Sache. Bei der Pacht sei der Besitzer dem jungen Pächter-Duo in den Lockdown-Monaten großzügig entgegengekommen, berichtet Liesenfeld. Ein angestellter Koch sei im vergangenen Jahr noch zwei Monate in Kurzarbeit gewesen, seit Januar aber nicht mehr dabei – die laufenden Kosten für den „Halben Mond“ sind für Liesenfeld und Lehmann also nicht das Problem. Liesenfeld will sich übergangsweise eine Stelle suchen: Anders verhält es sich mit den privaten Verpflichtungen, zu denen auch Kredite zählen, die für die Kneipen-Anschubfinanzierung aufgenommen wurden. „Bisher ging’s, jetzt gucken wir, was wir machen“, sagt Liesenfeld. Das Geld wird knapp, der 34-Jährige will sich übergangsweise eine Stelle suchen, auch weil vom Staat nicht viel gekommen sei. „Von 2021 haben wir noch gar nichts gesehen“, sagt er. Immerhin haben Liesenfeld und Lehmann eine Perspektive – nämlich die, dass nach der Sanierung der „Halbe Mond“ in neuem Glanz erstrahlt und das Paar in der Tradition des Hauses Fremdenzimmer vermieten kann. „Das war ja ursprünglich unser Plan gewesen: ein kleines Stadthotel für jedermann anzubieten“, sagt Lehmann und ergänzt: „Wir müssen uns jetzt einfach gegenseitig stützen und uns Kraft geben. Denn nur gemeinsam sind wir stark.“ Von Eduard Warda