Die Geschichte des Eichsfeldes im Postkarten-Format

20 000 und noch ein paar mehr – so viele Postkarten aus dem Eichsfeld, haben sich Mareike und Henning Müller aus Göttingen vorgenommen, sollen schon bald für jeden im Internet zu entdecken sein. Das Duo digitalisiert die wohl beispiellose Sammlung von Vater Friedrich Müller in Rhumspringe (Samtgemeinde Gieboldehausen), die Motive aus dem Ober- und Untereichsfeld zeigt. Das Ausmaß der Herausforderung, der sich die Geschwister damit gestellt haben, verdeutlichen die Zahlen hinter dem Projekt von Mareike und Henning Müller. 11 000 Karten hat Henning Müller bereits eingescannt, beschriftet, kategorisiert und auf die eigens für die Sammlung angelegte Internetseite www.eichsfelder-postkarten.online gestellt. „Es ist die sinnvollste Möglichkeit, etwas mit der Sammlung anzufangen“, erklärt dessen Sohn das Projekt. Im Karton gucke man die Karten selten an und zeige sie auch niemandem – online sei das hingegen ganz einfach. Kein Ort ohne Postkarten: 150 Jahre alt sind die ältesten Postkarten, die Müllers bislang digitalisiert haben. Damit erzählen sie die Geschichte des Ober- und vor allem des Untereichsfelds seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie Chroniken das kaum könnten. Lesen Sie auch Radolfshausen: Konfirmanden starten Postkartenaktion Grenzlandmuseum Eichsfeld: Zeitzeugen diskutieren die letzte DDR-Wahl Wandern rund um Mingerode – und dabei auf Fotos ein Stück Eichsfelder Geschichte kennenlernen Adel in Südniedersachsen: Familie von Bodenhausen: Wald, Wild und eine eigene Kapelle „Hier leben wir!“: Schüler aus Duderstadt stellen Fotos aus 233 Orte haben Mareike und Henning Müller bislang auf ihrer Website angelegt – und fast jedem ist mittlerweile mindestens eine Postkarte zugeordnet. „Das sind nicht einmal alles richtige Orte, die Ortschaft Elbingen bei Gieboldehausen bestand vor 100 Jahren aus zwei Häusern – und trotzdem wurden von dort Motiv-Postkarten verschickt“, berichtet Mareike Müller. „Ich klicke auf Ortsnamen, die ich noch nie im Leben gehört habe, und entdecke dort zehn Ansichtskarten.“ 20 Kartons mit jeweils gut 1000 Postkarten stapeln sich derzeit in Henning Müllers Büro. Zusammen bringen sie rund 84 Kilogramm auf die Waage, rechnet Müller vor – deutlich mehr als ein durchschnittlicher Erwachsener. 68 Jahre Zeit hatte Friedrich Müller Zeit, diese Sammlung anzulegen – und es waren einmal noch deutlich mehr als die jetzigen gut 20 000 Postkarten. Doppelte Exemplare hat Sohn Henning in den vergangenen Jahren bereits aussortiert. Karten erzählen ganz persönliche Geschichten aus dem Eichsfeld: Mehr als 60 Arbeitsstunden hat Henning Müller nach eigener Schätzung im vergangenen Jahr allein für das Einscannen von Postkarten investiert – Beschriftung, Kategorisierung und Upload nicht eingerechnet. Insgesamt müssten bereits mehrere hundert Stunden Arbeit im Projekt stecken, schätzt Müller. 35 Gigabyte Speicherplatz nehmen die Postkarten bereits jetzt ein. Als Software-Entwicklerin hat Mareike Müller die Website erstellt, die den benötigten Speicherplatz bietet. „Wir wollen, dass die Menschen unsere Seite finden“, sagt die 32-Jährige – schließlich könnten sie so vielen Menschen ihre Heimat ein Stück näher bringen und anderen Sammlern helfen, die dank Suchmaschinenoptimierung bereits jetzt zahlreich den Weg zur Seite fänden. Sämtliche Postkarten, die Henning Müller aus der Sammlung seines Vaters Friedrich einscannt, stellen er und seine Schwester Mareike in digitaler Form der Öffentlichkeit zur Verfügung. Auf der eigens dafür eingerichteten Internetseite www.eichsfelder-postkarten.online sind bereits jetzt mehr als 10 000 Postkartenvorder- und -rückseiten aus dem gesamten Eichsfeld sortiert. Auf der Website sind die Postkarten nach Orten sortiert. Über ein Suchfeld können außerdem Postkarten mit bestimmten Motiven (zum Beispiel Kirchen) gefunden werden. Zu jeder Postkarte geben Mareike und Henning Müller – so sie die Daten entziffern oder anderweitig herausfinden konnten – Ort, abgebildete Gebäude, Ereignisse oder Naturmotive, Format, Jahr des Versands, Verlag und gegebenenfalls den Künstler, der das Motiv gezeichnet hat, an. Wenn das Archiv vollständig ist, soll es mehr als 20 000 Postkarten umfassen – alle, die Friedrich Müller in seinem Leben gesammelt hat. 1 Augenblick aus ihrer Kindheit, mutmaßt Mareike Müller, hat ihre Lieblingspostkarte eingefangen. Die Karte aus dem Jahr 1996 zeigt die Rhumequelle. An ihr stehen drei Menschen, ein Erwachsener und zwei Kinder. Eines davon, ist sich Müller sicher, ist sie. 4 Gasthäuser hatte Rhumspringe einmal. Diese und viele andere Entdeckungen halten die Postkarten ihres Vaters bereit. Die Karten erzählten Geschichten, befindet Mareike Müller. Auf einer Postkarte, die einen Umzug in Duderstadt zeigt, kratzte der Absender vor mehr als 100 Jahren sorgfältig das Gesicht einer jungen Frau aus. Diese Karten reisten rund um die Welt – und sind nun dank Friedrich Müller zurück im Eichsfeld. Von Tammo Kohlwes