Ehepaar Michael und Nadine Hasse starten Duderstädter Gin Manufaktur und produzieren eigenen Gin

Ob es eine Schnapsidee war? Das wird sich zeigen müssen. „Wir wissen nicht, wo die Reise hingeht“, sagt Michael Hasse. Aber, dass die Reise rasant begonnen hat, steht ebenso fest wie die Tatsache, dass die Idee ankommt. Seit der Duderstädter Apotheker Hasse und seine Frau Nadine im September ihren selbst destillierten Gin „Glücksfall No. 1“ zum Verkauf anbieten, haben sie bereits rund 1000 Flaschen à 500 Milliliter ihres Duderstädter Gins verkauft. Dafür, dass ihre „Duderstädter Gin Manufaktur“ künftig deutlich mehr Gin produzieren und verkaufen kann, haben Hasses im Februar den Grundstein gelegt. Zum Destillieren ins Allgäu: Dabei fing alles eher gemächlich an. Als Geburtstagsgeschenk hatte Apotheker Hasse von seiner Frau ein gemeinsames Wochenende im Allgäu geschenkt bekommen. Hier wollten sie im Dezember 2018 alles über Gin erfahren und sich auch im Destillieren des Wacholderschnaps versuchen. „Ich bin eigentlich Biertrinker“, bekennt Michael Hasse. Aber beim Experimentieren mit Flüssigkeiten und Kräutern kam der Apotheker in ihm zum Vorschein. Am Ende fuhren sie mit einer kleinen Destille im Gepäck wieder zurück Hause. „Andere haben ja auch Hobbys“, sagt Nadine Hasse. Die 400 Euro für die Destille seien angesichts kostspieliger anderer möglicher Hobbys zu verkraften gewesen. Und das Gin-Destillieren sei anfangs auch wirklich nur als Hobby gedacht gewesen, versichern beide. Hexenküche im Keller: Doch ab Februar 2019 drehte sich dann bei Hasses alles um Themen wie Firmengründung und Markenrechte, Zollangelegenheiten, Gewerbeanmeldungen und der Umgang mit dem Gesundheitsamt. Die „Duderstädter Gin Manufaktur“ war geboren und mit ihr der Ehrgeiz, zur gemeinsamen Geburtstagsfeier ihren Gästen den ersten eigenen Gin anzubieten. „Es war wie in einer Hexenküche“, erinnert sich Michael Hasse. Vier Monate lang hätten sie im Keller ihres Hauses die verschiedensten Mixturen ausprobiert, verkostet und beurteilt. Freunde, Kollegen, Mitarbeiter seien zu Blindverkostungen eingeladen worden. Am Ende war die Rezeptur für den „Glücksfall No. 1“ gefunden – pünktlich zur Geburtstagsfeier im September. „Wir wollten die ersten sein, die einen Duderstädter Gin auf den Markt bringen“, sagt Hasse. Seit einigen Jahren sprießen kleine Mikro-Destillen in ganz Deutschland aus dem Boden. Der Gin-Boom ist ungebrochen. Auch wenn manch Barbetreiber süffisant-verächtlich betont: „Der Gin ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.“ Wacholder, Zitrone, Gurke und Rosmarin: Und was ist nun drin im Glücksfall? Das ist Betriebsgeheimnis. Nur so viel geben Hasses preis: Natürlich Wacholder, Zitrone, Gurke und Rosmarin plus eine Vielzahl anderer Kräuter und Gewürze. „Alles bio“, versichert Hasse. Und, wo es möglich ist, aus der Region. Lesen Sie auch: Do it yourself – Die besten Gin-Rezepte Längst ist aus dem Hobby zumindest für Nadine Hasse ein Fulltime-Job geworden. Zutaten einkaufen und vorbereiten, destillieren, filtern, abfüllen, etikettieren und vertreiben. „Vor allem der Dezember ist abgegangen“, sagt Nadine Hasse. Fast täglich habe sie destilliert, mit inzwischen zwei kleinen Destillen. Mit einer selbstgebauten Vorrichtung – damit nichts verrutscht – werden bei Hasses die Etiketten noch von Hand auf die Flaschen geklebt. Die Flaschen, wie sollte es bei einem Apotheker anders sein, sind braune Arzneiflaschen. Das Etikett ist schwarz mit weißer Schrift. „Weiß auf schwarz“ – das stünde in der Apotheke für die ganz starken Medikamente, sagt Hasse. Auf 43 Prozent Alkoholgehalt verdünnen Hasses ihr Destillat, das mit rund 72 Prozent aus der kupfernen Apparatur tropft. Der „Glücksfall No. 1“ ist ein London Dry Gin, für den es bei der Herstellung einige Vorgaben gibt. So dürfen etwa die Botanicals ausschließlich zu Beginn des Destillationsvorgangs hinzu gegeben werden. Lesen Sie auch: Bitter ohne Ende: Die neuen Gin Tonic-Trends Und wie schmeckt der Glücksfall? Wachholdrig mit frischem Zitrusgeschmack. Besonders ist der leichte Geschmack von Rosmarin. Hasses empfehlen, vier Zentiliter ihres Gins auf Eis mit 200 Milliliter Tonic-Water zu mischen. „Am besten Schweppes oder Fever Tree“, sagt Michael Hasse. Ein Zweig Rosmarin im Glas unterstreicht dessen Aroma im Gin. Aber es gilt auch: Experimentieren mit Mischungsverhältnissen, unterschiedlichen Tonics und Zugaben wie etwa Zitrone und Gurke ist unbedingt erlaubt. „Gin zu trinken, ist ein Ritual“, sagt Hasse. An acht Verkaufsstellen – von Worbis bis Göttingen – gibt es den Duderstädter Gin inzwischen. Auch in Duderstädter Restaurants ist er im Angebot. Derzeit seien sie in Gesprächen und auf der Suche nach neuen Abnehmern in Gastronomie und Handel, sagt Michael Hasse. Für den Online-Handel kooperieren sie bereits mit Ginobility aus Leinefelde-Worbis. Den „Glücksfall No. 1“ gibt es in 500ml-Apothekerflaschen und 60ml-Tropfenflaschen. Lesen Sie auch: Trendgetränk Gin Tonic – Der Gin des Lebens – gleich zum Frühstück Investitionen: Und die „Duderstädter Gin Manufaktur“ soll wachsen. Dazu haben sich Hasses in diesem Monat eine neue Destille in ihren Keller einbauen lassen, mit der sich deutlich schneller und deutlich mehr Gin pro Destillation herstellen lässt. „Die ist echt der Burner“, schwärmt Hasse. Mit Um- und Einbau haben sie einen mittleren fünfstelligen Betrag investiert. Während das Marketing derzeit eher auf dem Level der Mundpropaganda fußt, wissen Hasses, dass auch hier sich etwas in professionellere Gefilde bewegen muss. Immerhin gibt es schon eine Instagram-Seite. Wo die Reise der „Duderstädter Gin Manufaktur“ tatsächlich hingeht, steht in der Tat nicht fest. Den Status eines reinen Hobbys hat sie aber längst hinter sich gelassen. Nicht nur in Duderstadt wird in der Region Gin hergestellt. Viele kleine und große Destillen gibt es inzwischen. Eine Auswahl von Gins aus der Region: Von Hallers: Der wohl bekannteste Gin aus der Region stammt aus dem Haus Hardenberg. Dabei lässt Carl Graf von Hardenberg junior für seinen Gin, der den Namen des großen Göttinger Gelehrten Albrecht von Haller (1708-1777) trägt, zwar drei Kräuter aus dem Botanischen Garten Göttingen verwenden – destilliert wird das hochprozentige Getränk jedoch in der Hardenberg'schen Partnerbrennerei in der „The Shed Distillery“ (Gunpowder Irish Gin) im abgelegenen Drumshanbo in Irland. Zitronenverbene mit Citrus-Note, die nach Haller benannte fruchtig-frische Baumfuchsie „Halleria lucida“ und die Wasserpflanze Kalmus mit einer Ingwer-Note stammen nach eigenen Angaben aus dem Botanischen Garten. Zehn Kräuter und Pflanzen werden für die Destillation des Von Hallers Gin verwendet. Einbecker Jung: Fünf Gins hat die Firma Einbecker Jung im Angebot. Vom Weihnachtsgin über „Motoröl Gin“, „BeesGin“ bis hin zu „GreekStyle OldTom Gin“ und „ Der EiNE Gin“. Die „Einbecker Jung“ Comedian Dennie Klose, Ilias Tzioros und Heiko Jörns wollen „qualitativ hochwertige und exklusive Lebensmittel“ bieten und produzieren. Seit 2017 sind sie am Start. Ihren ersten Gin „Der EiNE Gin“ beschreiben sie als „rund und voll mit einer feinen Zimtnote im Abgang“. Er schmecke pur auf Eis oder auch als Tonic. Wüstefeld Gin: Diesem Eichsfeld-Gin aus der Number Nine Spirituosenmanufaktur in Worbis wird außer 19 verschiedenen Kräutern noch eine „ganz besondere Zutat hinzugefügt“, heißt es in der Beschreibung auf der Internetseite: Aronia-Beeren, die vom Geschmack her eine herbe Grundstruktur hätten. Monatelange Versuche, zahlreiche Geschmacks- und Geruchsproben und unendlich viel Geduld hätten einen Gin entstehen lassen, „der abseits vom Mainstream sowohl den puren Genießer überzeugt als auch für jeden Barmixer die gelungene Grundlage zahlreicher Longdrinks und Cocktails ist“. Der Luchs: Aus Nordhausen stammt dieser Dry Gin aus der Destille des Destillateurmeisters Thomas Schneider. Der Luchs stehe nicht nur für die Rückkehr einer besonderen Tierart in unsere heimischen Wälder, „sondern auch für eine symbolische Rückbesinnung zum entschleunigten, anspruchsvollen Genuss hochwertiger und zutatenreicher Edelspirituosen“, schreibt Schneider auf der Internetseite der Destillerie Schneider. Zehn Botanicals fügt Schneider nach eigenen Angaben dem Gin hinzu. Außer Wacholder sind das unter anderem Harzer Fichtennadeln, Angelikawurzeln, Schlehen und Bibernellwurzeln. Auch Schlehen-Gin ist dort im Angebot. Sie erreichen den Autor unter: E-Mail: m.brakemeier@goettinger-tageblatt.de Twitter: @soulmib Von Michael Brakemeier

Gründung - „Duderstädter Gin Manufaktur“ startet durch: Glücksfall mit Wacholder, Rosmarin und Zitrusfrüchten