Ein ruhiger Vatertag im Eichsfeld

Es ist ruhig an diesem Vormittag des Vatertages 2020. Auf den Fahrradwegen sind nur hin und wieder Radler zu sehen, zumeist sind es Familien, die einen Ausflug machen. Bollerwagen und glückselig-trunkene Männer in Frack und Zylinder? Fehlanzeige. Kein Bollerwagen weit und breit. In Immingerode und Tiftlingerode ist kaum jemand auf der Straße. Lebendig wird es erst auf dem Pferdeberg. Eine Großfamilie hat sich am Waldrand zum Picknick niedergelassen. Kaum nach der Eröffnung der Ausflugsgaststätte „Schöne Aussichten“ finden sich die ersten Gäste ein. Die mussten sich zuvor anmelden, es gelten Regeln, die den Abstand der Gäste sicherstellen. Neue Kreation: Leckerlis für Hunde: „Bei uns läuft es ganz toll“, versichert Restraurantleiterin Heike Bals, die, vielbeschäftigt, ihren Kopf aus der Küche steckt. Es ist der erste Vatertag nach der Neueröffnung der beliebten Ausflugsgaststätte im Herbst 2019, wenn auch unter Corona-Bedingungen. „Die Leute sind froh, dass sie rauskommen und einkehren können“, sagt Bals. Das Angebot des Hauses ist freilich auch verlockend. Die Zeit des Shutdowns hat die Restaurantleiterin genutzt, um etwas Neues zu kreieren: Leckerlis für Hunde. Da seien so gute Zutaten drin – „die könnten auch wir essen“, sagt sie. Vor der Gaststätte wird es allmählich immer lebendiger. Eine Gruppe von sechs Jugendlichen zieht mit Musik in der Tasche und schräg dazu singend vorüber. Aber ohne Bollerwagen. 40 Biker aus Erfurt wollen ein Eis: In der Duderstädter Innenstadt haben viele Gaststätten- und Café-Betreiber Tische und Stühle auf die Straße gestellt. Mit Abstand. Die sind allesamt besetzt. Gegen Mittag strömt eine 40-köpfige Biker-Truppe auf die Marktstraße. Die Jungs wollen jetzt erst einmal ein Eis. Mario Pizzano vom Eiscafé „Delizia“ bekommt Arbeit. Je länger der Tag dauert, um so mehr Fahrradfahrer kommen an. Und doch halten die Menschen Abstand zueinander. Alles ist ruhig, es ist ein sonntäglicher Vatertag. Keine Bollerwagen. Auch nicht entlang der Straße nach Gieboldehausen. Zwischen Germershausen und Obernfeld strampeln Radfahrer und genießen den sonnigen Tag: Viele junge Leute sind darunter, zu zweit, in kleinen Gruppen oder im Doppel-Pärchen-Paket. Hunderte Menschen zieht es vor allem zu einem Ort: zum Seeburger See. Am Campingplatz macht ein Duo Musik, handgemacht mit Gitarre und Gesang. „Damit hier mal etwas Stimmung aufkommt“, sagen die beiden. Mit anderen Musikern aus der Region Duderstadt hätten sie heute eine neue Band gegründet: Die mit Abstand beste Band der Welt, soll sie heißen. Dabei liege die Betonung nicht auf „beste“ oder „Welt“, sondern auf „Abstand“. Erstmal nur ein Gag, heißt es. Aber wer weiß... Eiserne Disziplin am Bootsverleih: Der Parkplatz am See ist vollgestellt mit Fahrzeugen. Oh weh, Mindestabstand in Gefahr? Mitnichten. Die Menschen verteilen sich auf der Fläche rund um das Restaurant Graf Isang, das geöffnet hat. Christina Erichsen verkauft in einem Holzwagen Eis am Stiel. Mit ihrem Angebot kommt sie vor allem bei den Kindern gut an, sagt sie. Erstmals in diesem Jahr hat der Bootsverleih geöffnet. Es hat sich eine Schlange gebildet. Wer auf eines der 30 Boote warten muss, wartet geduldig. Ulrich Jung vom Bootsverleih ist von dieser Disziplin angetan. „Ich habe noch nicht einmal etwas sagen müssen“, betont er. Wenn alles gut geht, werde der Verleih jetzt täglich von 9 bis mindestens 19 Uhr geöffnet haben, bis 31. Oktober. An einem Tisch haben sich zwei Pärchen zusammengesetzt. Auch sie vermissen die Bollerwagen. Aber es gehe eben auch ohne sie. Was den Vieren auffällt: Die Männer scheinen ihre Familien zu entdecken und ziehen mit Kind und Kegel los. „Vielleicht suchen sie auch Schutz bei ihnen“, lautet eine Vermutung. Wolfgang Kutzborski vom Ordnungsamt Duderstadt kann am späten Nachmittag ein positives Zwischenfazit ziehen: „Es ist ruhig. Die Leute halten Abstand. Es gibt keine Vorfälle.“ „Keine besonderen Vorkommnisse“, melden auch der Stadtordnungsdienst und die Polizei für den Bereich Göttingen und Umgebung. Man hatte sich personell auf einen arbeitsreichen Tag eingestellt. Streifen patrouillierten an den beliebten Ausflugszielen, um auch am Feiertag die Einhaltung der Corona-Regeln zu überwachen. Tatsächlich aber waren kaum typischen Vatertagsgruppen unterwegs, Verstöße blieben die Ausnahme. Das sommerliche Wetter lockte zwar viele Menschen auf die Schillerwiesen, an den Kehr oder den Kiessee, doch angeheiterte Herrenrunden waren dort bis in die frühen Abendstunden nicht auszumachen. Thomas Heckenbach vom Göttinger Stadtordnungsdienst bilanzierte am Ende eines unerwartet ruhigen Dienstes: „Es ist schon ein bisschen verwunderlich, dass ich nicht einen einzigen Bollerwagen gesehen habe.“ Lesen Sie auch: Auch am Abend bleiben Trinkgelage und Corona-Verstöße weitgehend aus Feiern in der Corona-Krise: So lief der Vatertag in Göttingen Von Ulrich Meinhard

Keine Vorfälle - Ein ruhiger Vatertag im Eichsfeld