Im Livebus versucht Andreas Kümmert die Coronakrise zu überstehen

„Guten Tag, hier meldet sich Andreas Kümmert. Wir sind aktuell mit einer mobilen Bühne unterwegs und suchen die Möglichkeit aufzutreten. … Vielleicht wäre das für euch auch etwas?“ Diese Nachricht erreichte die Tageblatt-Redaktion via Facebook. Andreas Kümmert – der Mann, der 2013 die dritte Staffel von „The Voice of Germany“ klar gewann und der zwei Jahre später auch beim deutschen ESC-Vorentscheid erst siegte und dann kurz nach der Entscheidung auf den Sieg verzichtete, jetzt als Klinkenputzer unterwegs? Wir haben beim Künstler nachgefragt. „Die Idee ist entstanden, weil wir aus der Not eine Tugend machen wollten“, erzählt Andreas Kümmert. „Wir haben den ganzen Sommer Biergartenshows gespielt und in größeren Häusern vor wenigen Leuten.“ Doch als das im November wegen der Corona-Einschränkungen nicht mehr möglich gewesen sei, habe man sich im Team zusammengesetzt und nach Lösungen gesucht. So wurde ein Transporter in den Livebus umgebaut. „Dabei hat unter anderem mein Bruder geholfen“, sagt Kümmert. Mit den aktuell verschärften Beschränkungen sei die Situation noch einmal schwieriger geworden. Trotzdem will er weitermachen. „Wir können nicht einfach aufhören“, sagt er. „Wir haben viel Arbeit und Geld in das Projekt gesteckt.“ Deshalb fokussiere er sich mit seinen Mitstreitern auf Häuser mit mehreren Parteien, wo er dann mit jeweils einem weiteren Gitarristen oder Percussionisten im Bus spielt. „Die Leute können dann aus ihren Wohnungen heraus zuschauen.“ Mittlerweile habe er seit Mitte November bereits 30 Shows abgeliefert, zum Teil mehrere an einem Tag. „Ich habe auch schon zwei Shows bei Polizisten gespielt.“ Zu hören gebe es eine Mischung aus älteren und aktuellen eigenen Liedern sowie auch einige Coverversionen, darunter „Rocket Man“ von Elton John. „Rocket Man“ ist auch das Lied, das ihn bekannt gemacht hat. 2013 bei den Blind Auditions der Castingshow „The Voice of Germany“ drehten sich alle Coaches um und verneigten sich vor dem Sänger. „Der Rocket Man setzte in der dritten Staffel ganz neue Maßstäbe“, hieß es in einem Best-Of-Special zum zehnjährigen Bestehen der Sendung. Andreas Kümmert habe „eine der spektakulärsten Blind Auditions“ abgeliefert. Im Finale siegte er deutlich. Der „Rocket Man“ in den Blind Auditions: „The Voice war ein sehr wichtiger Schritt für mich“, sagt er sieben Jahre später. Er hatte vorher bereits zehn Jahre versucht, bekannter zu werden, 150 Shows pro Jahr in Irish Pubs und kleinen Kneipen gespielt. „Das nennt man die Ochsentour“, sagt er. Nach seinem ersten Album entstand die Idee zur Teilnahme an der Castingshow. „Es war eine unvergessliche Zeit“, erklärt er. „Ich habe viel gelernt.“ Zwei Jahre später folgte dann der legendäre Auftritt beim deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest. „Ich habe mich vorher wenig informiert, weil ich den Medienkanal TV gar nicht nutze. Ich schaue kein Fernsehen.“ Das Event habe er nur vom Hörensagen gekannt. Teilgenommen habe er, weil er sein Album noch einmal anschieben wollte. „Als ich da war, war klar, dass ich das nicht schaffen kann in meinem Gesundheitszustand.“ Er habe sich anschließend wegen seiner Angststörung in Therapie begeben. Die Sitzungen endeten vor ein bis zwei Jahren, die Medikation dauert noch an. Verzicht auf ESC: Da stand er nun beim ESC-Vorentscheid als Sieger auf der Bühne neben Moderatorin Barbara Schöneberger, die ihn mit der Menge feierte. Angetreten war er trotz Fieber. Und dann erklärte er, dass er auf den Sieg verzichte und seinen Startplatz an die zweitplatzierte Ann Sophie gebe. „Die Entscheidung fiel aus einem Impuls heraus“, sagt er. Es habe nur sehr wenig Verständnis für seine Entscheidung gegeben. Auch wenn er erst Tage später seinen Verzicht erklärt hätte: „Der Shitstorm wäre auf jeden Fall gekommen. Es gibt viele Leute, die denken, sie müssen eine Meinung haben und damit ihre Unzulänglichkeiten ausgleichen.“ ESC-Vorentscheid: „Ich bin nur ein kleiner Sänger“: Lange Zeit wurde es eher still um den Sänger, bis er im Sommer 2020 wieder die Schlagzeilen füllte. „Der Kassiererin-Eklat“, wie er es nennt, sorgte für Aufsehen. Er hatte in einem Einkaufsmarkt eine Kassierin beleidigt, was von Videokameras aufgenommen wurde. „Ich habe ein Attest, dass ich keine Maske tragen musste“, erzählt er. Das habe er auch an der Kasse erklärt, sei aber trotzdem schlecht behandelt worden. „Ich habe dann meiner Wut dummerweise freien Lauf gelassen.“ Und später im Auto eine Instagram-Story dazu gemacht. Mit den sogenannten „Querdenkern“ habe er aber „gar nichts am Hut“, betont er. Die Vorgaben für Corona beachte er auch bei seinen Auftritten. Lesen Sie auch „Rocket Man“ Andreas Kümmert gewinnt Castingshow „The Voice of Germany“ ESC-Vorentscheid in Hannover Andreas Kümmert will nicht nach Wien Wehmütig, erdig, geradlinig - Andreas Kümmert im Muthaussaal in Hardegsen – GT - Göttinger Tageblatt „In Wien hätte Desaster passieren können“ Kennengelernt haben ihn die Menschen bei „The Voice of Germany“ als starken Sänger mit soulig-bluesigen Stücken. Nachher habe er es zwischendurch auch in der poppigen Richtung versucht, um auch im Radio gespielt zu werden. Das sei auch der Wunsch der Plattenfirma gewesen. „Ich hatte die Songs alle selbst geschrieben, war aber bei der Produktion nicht dabei.“ Funktioniert habe der Plan nicht, auch weil er nur halbherzig bei der Sache gewesen ist. „Die Radiowelt interessiert mich nicht“, erklärt er. Eigenes Label gegründet: Nach der Trennung von der Plattenfirma gründete er sein eigenes Label Vomit Records. Der Name schwebte schon lange in seinem Kopf herum. „Ich komme aus dem Punk, habe mit 13, 14 Jahren in Punkbands gespielt.“ Irgendwann habe er die Idee gehabt, ein eigenes Label zu gründen und so zu nennen. „Es steht dafür, nichts zu versprechen, was ich nicht halten kann.“ Eigentlich müssten sich andere so nennen, weil es ehrlicher wäre, sagt er. Auf seinem aktuellen Album „Harlekin Dreams“ hat er dann auch wieder mehr die rockig-bluesig-soulige Richtung gewählt. Die Instrumente hat er selbst eingespielt: Schlagzeug, Bass, Gitarre und Piano. Auf dem nächsten Album sollen dann aber wieder andere Musiker mitwirken. „Ich bin kein gelernter Bassist“, sagt er. Und Schlagzeugunterricht habe er mit 13 Jahren gehabt, danach nicht mehr. Das nächste Album ist bereits in Arbeit. „Ich denke, es wird bunt gemischt. Alles handgemachte und ehrliche Musik. Einen Erscheinungstermin gibt es aber noch nicht.“ Vorab soll am 26. Februar eine neue Single veröffentlicht werden. Das aktuelle Album „Harlekin Dreams“: Für die Zukunft hofft Kümmert, dass sich die Situation bald ändert und wieder Normalität einkehrt. Bis dahin ist er weiter in seinem Livebus unterwegs – wieder auf Ochsentour. „Das fühlt sich aber nicht schlecht an“, sagt er. „Es erdet und man fühlt, dass man etwas geleistet hat.“ Es seien nicht alles negative Aspekte, „rein wirtschaftlich aber schon“. Wer den Livebus von Andreas Kümmert buchen möchte, kann dies über die Facebookseite „Andreas Kümmert Singer and Songwriter“ oder aber per E-Mail an laudi@stagekult.de tun. Darüber hinaus gibt Kümmert, wenn die Corona-Situation es zulässt, am Sonnabend, 22. Mai, ein Konzert im Göttinger Exil. Sie erreichen den Autor per E-Mail an r.franke@eichsfelder-tageblatt.de. Von Rüdiger Franke