Kunstwerk am Duderstädter Wall erinnert an 30 Jahre Grenzöffnung

Ist es Aufregung, Vorfreude oder der kalte Wind, der Hannelore Mitschke ten bokkel und Hans-Arno Poppen von einem Bein auf das andere trippeln lässt, als am Donnerstagmorgen der Wagen des städtischen Bauhofs am Wallaufgang am Westertor in Duderstadt vorfährt? Ein wenig von allem vermutlich, denn die Künstler, die beide im Verein „Kunst bist Du...derstadt“ aktiv sind, erwarten einen für sie sehr besonderen Moment: Ihr Werk „Mit dem Kopf durch die Wand“ soll im Boden verankert werden. Die Freifläche am Eingang zur Westertorstraße – dort, wo einst „Deges Bude“ stand, wird zum Ort der Kunst. Auftakt zu einem Kunstpfad? Für Mitschke ten bokkel und Poppen in mehrfacher Hinsicht ein bedeutendes Ereignis: Zum einen ist die Gemeinschaftsarbeit, eine metallene Skulptur, das größte Werk, das Mitschke ten bokkel je entworfen hat, zum anderen wird es eine dauerhaft sichtbare Arbeit sein – und zwar für jeden, der die Innenstadt von Westen aus betrachtet. Außerdem beschäftigen sie sich mit einem Thema, das die Duderstädter Künstler bereits seit Monaten bewegt, wie die laufende Ausstellung im Rathaus, „Wind of Change“ zeigt. Und: Das Objekt könnte das erste in der Reihe eines „Kunstpfades“ sein, den sich die Initiative „Kunst bist Du...derstadt“ wünscht. Im kommenden Jahr will sie daran mit Schülern eines Wahlpflichtkurses Kunst am Eichsfeld-Gymnasium weiterarbeiten, auch der Duderstädter Künstler Oskar Müller hat bereits Interesse gezeigt, sich zu beteiligen. „Natur, Bürger und Künstler zusammenbringen, das wäre mein Traum“, sagt Mitschke ten bokkel. Dabei schwebe ihr vor, die Grünanlagen am Stadtwall mit Kunst anzureichern. Flanieren, Gassigehen und Kunst betrachten – das sollen die Duderstädter eines Tages erleben können, wünscht sie sich. Hier wird die Skulptur aufgestellt: Objekt mit „Zeitmaschine“: Die beiden „Grenzgänger“, die eine Seite des Objektes „Mit dem Kopf durch die Wand“ bestimmen, könnten dafür den Anfang machen. Rund 270 Kilogramm Stahl wuchtet der Kran des Bauhofs in die vorbereiteten Löcher im Boden, in denen das Kunstwerk später verankert werden soll. Die Idee zu der Skulptur hatte Mitschke ten bokkel: Gezeigt werden Menschen, die durch Türen in verschiedene Richtungen gehen, die auf einem gemeinsamen Fundament stehen. Symbolhaft soll dies für die Grundlage der gemeinsamen Verfassung und die Basis durch einen gemeinsamen Wertekanon stehen. Wie eine Landkarte mit den Umrissen der Bundesrepublik kommt die zweite Seite der Skulptur daher. Warum aber schlängelt sich eine Fahrradkette über den Grund? „Die Kette soll die Verbindung zur DDR darstellen“, sagt Mitschke ten bokkel: Gemeinsam, aber doch zeitweise getrennt habe die Zeit ihren Lauf genommen: Apropos: Betrachter der Skulptur haben selbst die Möglichkeit, das Objekt zu füllen. Ein Kurbelrad, Mitschke ten bokkel nennt es lachend die „Zeitmaschine“ ist an der Seite angebracht. Daran lässt sich symbolhaft die gemeinsame Zukunft voranbringen – oder auch ein stückweit zurückdrehen. „Es gibt schließlich auch Kritiker der Wende“, erklärt Mitschke ten bokkel. Rückblick und Ausblick: Mit einem Stück Grenzzaun, den Zahlen „1989“ und „2019“ und den Umrissen Deutschlands ist klar, mit welchem Inhalt sich die Metallarbeit beschäftigen will. Ergänzt werden diese Motive um silbern glänzende Flächen, die eine weitere Seite belegen. „Sie sind nicht angerostet“, sagt Poppen. „Das ist bewusst so. Sie sollen ihre eigene Patina entwickeln und in ihrer eigenen Geschwindigkeit Zeichen der Zeit zeigen.“ Die Idee für „Mit dem Kopf durch die Wand“ stammt von Mitschke ten bokkel. Sie erstellte ein Papiermodell, dem ein weiteres in der Werkstatt von Poppen folgte. Der Metallkünstler stellte schließlich das eigentliche Objekt in seiner Garage her. Aus Sorge, es könnte Schaden nehmen, und weil das Gewicht doch sehr hoch sei, habe er das Werk zweigeteilt an Mitarbeiter des Bauhofs übergeben, der es nun an den mit der Stadtverwaltung abgestimmten Ort brachte. 1,20 Meter breit ist es und 1,80 Meter hoch. „Wir wollten eine lebensechte Höhe umsetzen“, sagt Poppen. Nicht nur das habe ihn vor Herausforderungen gestellt, auch mussten Ideen modifiziert werden, um dem Werkstoff gerecht zu werden. „Ich habe unglaublich viel gelernt“, sagt sie. „Sogar ein bisschen schweißen.“ Eröffnung am Freitag: Als die Mitarbeiter des Bauhofs das Objekt in seine Verankerung gebracht und befestigt haben, ist schon nichts mehr zu sehen von der Kunst am Wall. Bis zur offiziellen Enthüllung am Freitag, 29. November, um 9.30 Uhr soll die Optik nur zu erahnen sein, so wünschen es sich die Künstler, die sich auch nur kurz davor fotografieren lassen möchten. Dann gibt es wieder einen Termin, bei dem sie vielleicht ein wenig aufgeregt sind. Und voller Vorfreude. Die Kunstausstellung „Wind of Change“ im Bürgersaal des Historischen Rathauses Duderstadt, Marktstraße 66, an der „Kunst bist Du...derstadt“ und die „werkstatt.-mosler“ beteiligt sind, erinnert an die friedliche Revolution im Herbst 1989. Ihr Name ist angelehnt an einen Titel der „Scorpions“. Die in vier Bereiche unterteilte Schau mit Gemälden und Rauminstallationen ist bis zum 8. Dezember montags von 11 bis 16.15 Uhr und dienstags bis sonntags von 10 bis 16.15 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei. Lesen Sie auch: Mit einem Festakt feiert Duderstadt 30 Jahre Grenzöffnung. In diesem Zusammenhang wird die Ausstellung „Wind of Change“ im Rathaus eröffnet. Von Nadine Eckermann

Enthüllung am Freitag - Kunst am Duderstädter Wall erinnert an 30 Jahre Grenzöffnung