Neubauten am Clara-Gerlach-Garten: Beratung über Verstöße gegen Bauvorgaben in Duderstadt

Die neue Wohn- und Apartmentanlage in Nachbarschaft zum Clara-Gerlach-Garten in Duderstadt, in der bereits die ersten Bewohner leben, ist zu groß gebaut worden – nach Tageblatt-Informationen bis zu 90 Zentimeter höher als genehmigt, wodurch zusätzlicher Wohnraum entstanden sein soll. Auch soll es weitere Verstöße gegen die Bauvorgaben gegeben haben. Unter anderem soll auch die Tiefgarage größer und breiter als geplant ausgefallen sein. Details nennt Bürgermeister Thorsten Feike (FDP) nicht. In der Beratungsvorlage heißt es aber, „dass die Abweichungen so gravierend waren, dass ein erneutes Baugenehmigungsverfahren erforderlich werden wird“. Daher soll nun der Bebauungsplan „Am Hellergraben“ an die tatsächlich geschaffenen Fakten angepasst werden – vorausgesetzt Fachausschuss und Rat stimmen diesem Vorgehen zu. Der Stadtentwicklungsausschuss soll sich in seiner Sitzung am Donnerstag, 11. Februar, mit dem Thema befassen. Im öffentlichen Teil soll es allerdings lediglich um die auf Kosten des Bauherrn vorgesehene Bebauungsplanänderung gehen. Bußgeld im sechsstelligen Bereich ? Welche Verstöße bei dem Bauprojekt festgestellt wurden und welche Konsequenzen das für den Investor haben wird, thematisieren die Ausschussmitglieder hinter verschlossenen Türen. Ungestraft hinnehmen wollen Verwaltung und Kommunalpolitik die Verstöße mutmaßlich nicht. Die Rede ist von einem Bußgeld im mittleren sechsstelligen Bereich, das dem Investor droht. Außerdem soll der Fall kein Freibrief für mögliche künftige Schwarzbauten in Duderstadt sein, so ist aus Reihen der Politik zu vernehmen. Mit dem jetzt avisierten Vorgehen soll Rücksicht auf die Bewohner in dem Komplex genommen werden. Wie Bürgermeister Thorsten Feike (FDP) Ende Januar gegenüber dem Tageblatt sagte, könnten die „schutzwürdigen Interessen von Bewohnern und zukünftigen Eigentümern nicht für baurechtswidriges Handeln Dritter“ verantwortlich gemacht werden. Alternativ hätte die Stadt Duderstadt als Bauaufsichtsbehörde die Möglichkeit, einen (Teil-)Rückbau des Gebäudes anzuordnen, um rechtmäßige Zustände herzustellen. Verstöße auch in: Göttingen und Bovenden: Verstöße gegen Bauvorgaben sind nicht selten, glaubt man den Aussagen von Baufachleuten. Allein ein Blick ins Tageblatt-Archiv offenbart einige Beispiele. So wurde 2016 ein Verstoß gegen den Bebauungsplan bei einem Mehrfamilienwohnhaus an der Sternstraße in Göttingen festgestellt und im Falle von zu hohen Traufhöhen bei einem Neubau im Kiessee-Karree in Göttingen urteilte gar das Verwaltungsgericht Ende 2018, dass zu hoch gebaut wurde. Einen so genannten Rückbau hatte beispielsweise der Landkreis Göttingen verfügt, weil auf einem Grundstück im Bovender Baugebiet Dannensee eine Stützmauer zu groß ausgefallen war. Wie häufig gegen Bauvorgaben im Landkreis Göttingen verstoßen wird und welche Folgen das hat, vermag der Landkreis derzeit nicht zu beantworten. Für eine entsprechende Recherche habe die Bauaufsicht derzeit „keinerlei Kapazitäten“, teilt Ulrich Lottmann, Sprecher der Kreisverwaltung mit. Im Duderstädter Fall sei der Landkreis nicht involviert, weil die Stadt selbst Baubehörde sei. Versäumnisse der Bauaufsicht? Inwieweit sind der Stadtverwaltung im Zusammenhang mit dem aktuellen Fall Vorwürfe zu machen? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Aus Reihen der Ratsmitglieder heißt es einerseits, „der Verwaltung ist kein Vorwurf zu machen“. Andererseits gibt es auch Stimmen, die sich ein „genaueres Hingucken“ der Bauaufsicht gewünscht haben. Der Bürgermeister hatte gegenüber dem Tageblatt betont, dass es „aus dem Umfeld während der gesamten Bauphase keine Hinweise auf Abweichungen oder Unstimmigkeiten“ gegeben habe. Erste Abweichungen von den genehmigten Bauantragsunterlagen seien erst festgestellt worden, als der Bauherr im März 2020 die sogenannte Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt habe. Der derzeit gültige Bebauungsplan „Am Hellergraben“ war im Auftrag des Investors erstellt worden und 2018 in Kraft getreten. Warum hatte der Bauherr nicht damals schon dem Planungsbüro entsprechende Vorgaben gemacht? Das fragt sich heute mancher Ratspolitiker. Gleichwohl habe sich die Planung des Areals als nicht einfach erwiesen, wie sich der Planer erinnert, der seinerzeit den Bebauunsplan Am Hellergraben erstellt hatte. Die Krux sei beispielsweise gewesen, berichtet er, dass der Bereich „so eng gestrickt war“. Auch galt es, das Gartendenkmal Clara-Gerlach-Garten und das Bodendenkmal im Bereich des früheren Wallgrabens zu bedenken. Lesen Sie auch Neubau am Clara-Gerlach-Garten in Duderstadt höher als genehmigt: Das hat Konsequenzen 2018: Bebauungsplan am Hellergraben in Duderstadt beschlossen Bei der Frage, wie Verstöße geahndet werden, komme es auch auf die Verhältnismäßigkeit an, sagen Ratsherren wie auch Baufachleute. Das dürfte auch eine Rolle spielen, wenn Politik und Verwaltung am Donnerstag, 11. Februar, hinter verschlossenen Türen über Konsequenzen wegen der zu hoch geratenen Neubauten am Clara-Gerlach-Garten in Duderstadt beraten. Der Bauherr selbst machte keine Angaben darüber, wie es zu den Abweichungen kam. Das Verfahren laufe noch, argumentierte er gegenüber dem Tageblatt. Das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Bau, Energie und Klimaschutz ist oberste Bauaufsicht im Land. Nach Einschätzung des Ministeriums, so ein Sprecher, „sind Verstöße gegen baugenehmigungspflichtige Vorhaben“ – wie offenbar in Duderstadt vorliegend – „äußerst selten“. Aus der Vergangenheit seien „einzelne Fälle genehmigungsfreier Baumaßnahmen bekannt, bei denen es sich um Verstöße gegen das festgesetzte Maß der baulichen Nutzung handelte“. Welche Konsequenzen eine Kommune entsprechend der Niedersächsischen Bauordnung bei Verstößen nutze, hänge immer vom Einzelfall ab. „Zu den möglichen Maßnahmen zählen Nutzungsuntersagungen, (Teil-)Abrisse oder Änderungen an der baulichen Anlage. Möglich ist aber auch, das Bauvorhaben (nachträglich) zu genehmigen und damit einen rechtmäßigen Zustand herzustellen oder den vorhandenen rechtswidrigen Zustand für einen gewissen Zeitraum zu dulden“, so die Auskunft des Ministeriumssprechers. Je nach Verstoß sind laut Niedersächsischer Bauordnung (NBauO) Geldbußen zwischen 50 000 und bis zu 500 000 Euro möglich. Bei der nachträglichen Änderung des B-Plans an die tatsächlichen Gegebenheiten, wie in Duderstadt vorgesehen, handelt sich nach Ministeriumsangaben „zumindest um ein mögliches Verfahren, und zwar wenn es hinreichende städtebauliche Gründe für eine Änderung des B-Plans gibt. Allein die Legalisierung eines rechtswidrigen Vorhaben ist als Planrechtfertigung nicht ausreichend.“ Mit Blick auf den Duderstädter Fall sagt der Ministeriumssprecher: „Es ist sicherlich im Interesse aller Beteiligten, eine konstruktive Lösung zu finden.“ Von Britta Eichner-Ramm