Raubmord in Duderstadt: 19-Jährige recherchiert 100 Jahre alten Fall

Am 18. Dezember 1920 starb der Duderstädter Lehrer Heribert Hartung. Er wurde an der Roten Brücke an der heutigen Göttinger Straße ermordet und ausgeraubt. Der Fall wurde nie aufgeklärt. 100 Jahre später hat die Duderstäder Schülerin Michelle Feike versucht, etwas Licht in den Fall zu bringen. Michelle Feike besucht den 13. Jahrgang des Eichsfeld Gymnasiums Duderstadt. Im zwölften Schuljahr musste sie im Fach Geschichte eine Seminarfacharbeit zum Thema „Ein Haus erzählt eine Geschichte“ abliefern. Dazu habe der Lehrer Ben Thustek erklärt, dass es egal sei, ob es dabei um Architektur oder Stadtentwicklung gehe oder aber in dem Haus ein Mord passiert sei, berichtet die 19-jährige Schülerin. „Ich habe dann mal meinen Opa gefragt, ob er wüsste, ob es in Duderstadt mal einen Mord gegeben habe“, griff sie das Stichwort auf. Nach der Info des Großvaters musste der Lehrer noch zustimmen, da das entsprechende Haus nur einen kleinen, wenn auch wichtigen Aspekt in den Ermittlungen spielte. Todesursache: Schuss ins Herz: Michelle Feike tauchte in die Recherche ein und erarbeitete immer neue Puzzleteile, um den Fall zu rekonstruieren. „Aufklären konnte ich den Fall aber auch nicht“, sagt sie. Die Leiche des Lehrers wurde kurz nach der Ermordung gefunden. „Todesursache war ein Schuss ins Herz.“ Doch am Körper seien weitere Folgen von der Einwirkung stumpfer Gewalt zu sehen gewesen. Gestohlen wurden ein Stück Käse, ein Pfund Butter und der Lehrerkalender. Die Ermittlungen liefen in verschiedene Richtungen und dauerten sieben Jahre. Lesen Sie auch Rhumspringe: Nach dem Mord am Vater auf der Suche nach der verschwundenen Stiefschwester rhumspringer zwillingsbrüder ingo und boris pasch wollen wissen, wo ihr vater begraben wurde Heribert Hartung sei Oberlehrer gewesen und habe die Fächer Mathematik, Physik und Erdkunde unterrichtet. „Er soll streng und schroff gewesen sein“, erzählt sie. Verschiedene Schüler hätten durch seine harte Benotung den Abschluss nicht geschafft. Deswegen sei auch eine spezielle Schülergruppe verdächtig gewesen. Hartung war aber auch politisch aktiv und als sogenannter Worthalter der Bürgervorsteher tätig, also ein Mittler zwischen Bürgern und Bürgermeister. Und der Bürgermeister sei drei Jahre später wegen Unterschlagung aus dem Amt entlassen worden. „Vielleicht hatte Hartung da etwas herausgefunden“, stellt die Schülerin zur Diskussion. Auf jeden Fall habe es einen Geldtransfer zwischen dem Bürgermeister und einem der Hauptverdächtigen gegeben. Drei Männer unter Verdacht: Hauptverdächtig waren drei Männer, von denen einer eher nur als Finanzier eines Revolverkaufs auftrat. Die anderen beiden hatten am 10. Dezember 1920 den Revolver gekauft und dann am 22. oder 23. Dezember, also kurz nach dem Mord, wieder verkauft. Darüber hinaus solle einer der Männer im November des Jahres versucht haben, einen falschen Schnurrbart zu erwerben, „angeblich, weil er Nikolaus spielen wollte“. Die Recherchen für ihre Seminarfacharbeit zu einem 100 Jahre alten Mord hattMichelle Feike im Duderstädter Stadtarchiv begonnen, wo sie auch auf die Polizeiakten stieß. Sie habe aber auch vielen andere Quellen gesucht, ob in einem Artikel in der Eichsfelder Monatszeitschrift oder aber im Internet. „Ich habe auch ein Interview mit einem Polizeihauptkommissar geführt“, erzählt sie. Gearbeiet hat sie daran von Februar bis Mai. Corona habe dabei Vor- und Nachteile mit sich gebracht. „Zum einen hatte ich keinen Zugang zu Fachliteratur, da die Bibliotheken geschlossen waren. Dafür konnte ich die Zeit aber effektiv nutzen.“ Für die Benotung hat sich ihr Engagement auf jeden Fall gelohnt. Die Arbeit wurde mit 14 Punkten, also einer glatten Eins, benotet. Und die Arbeit hat noch einen weiteren Aspekt für sie hervorgebracht. „Bevor ich angefangen habe, war ich mir noch unsicher, was ich nach dem Abitur mache“, erzählt die Schülerin. Doch die Arbeit habe ihre Neugier in die medizinische Richtung bestätigt. „Ich habe auch schon ein Praktikum in der Pathologie gemacht.“ Das Haus des Mordopfers an der Göttinger Straße 22 spielte auch eine Bedeutung bei den Ermittlungen. Am Tag des Mordes waren, wie die 19-Jährige erzählt, nacheinander drei Männer dort und hatten die 18-jährige Magd gefragt, wo sich Hartung befinde. Erst dem dritten am späteren Nachmittag hatte die Magd verraten, dass er in Werxhausen sei, um ein Schwein zu kaufen. Die Magd hatte zu Protokoll gegeben, dass einer der Männer sehr große Füße gehabt habe. Und genau solche Abdrücke seien auch am Tatort gefunden worden. „Das Haus, in dem Heribert Hartung gelebt hat, ist der einzige Zeuge, der den oder die Mörder kennt.“ Den Autor erreichen Sie per E-Mail an r.franke@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499751. Von Rüdiger Franke