So gehen Eichsfelder Schulen auf Mobbing um

Die kleine, einmalige Hänselei oder der Schubser auf dem Schulhof gehören wahrscheinlich zum Schulalltag. Werden einzelne Schüler aber wiederholt schikaniert und herabgewürdigt, beleidigt und bloßgestellt, handelt es sich um Mobbing – ein gesamtgesellschaftliches Problem, das Experten zufolge in allen Schulformen und Altersklassen vorkommt, unabhängig von dem Leben in einer Stadt oder dem ländlichem Raum. Auch an Eichsfelder Schulen kennt man das Phänomen, wenngleich die Häufigkeit von Mobbingfällen nicht mit denen einer Großstadt-Schule vergleichbar sei. „Die cleversten Mobber“ machten sich nicht selbst die Finger schmutzig. „Die lassen das andere machen“, etwa indem sie Gerüchte in die Welt setzten. „Das ist dank Smartphone leichter geworden“, sagte der Diplom-Psychologe und Ausbilder für Mediation und Prävention, Thomas Grüner, am Dienstag in Duderstadt bei einem Vortrag über „Das System Schikane“ vor gut 100 Pädagogen und Mitarbeitern der Kinder- und Jugendarbeit. Lesen Sie auch: „Mobbing gibt es in jeder Schulklasse“ Schikane erfolgt über das Internet: Für den Duderstädter Präventionsbeauftragten der Polizei, Dierk Falkenhagen, ist vor allem Cybermobbing, das Mobbing über das Internet, derzeit ein großes Thema, das ihn im Rahmen seiner Arbeit mit den Schulen beschäftigt. Vor allem auf Plattformen wie WhatsApp oder Tellonym komme es unter Schülern und Jugendlichen zu Mobbing. Das reiche von klassischen Beleidigungen wie „du kannst nichts“, steigere sich über Herabwürdigungen in jeglicher Form bis zur Verbreitung von Nacktfotos. Letzteres war dem Beamten zufolge in einer WhatsApp-Gruppe von Elf- und Zwölfjährigen aufgetaucht. Falkenhagen hat beobachtet, dass Täter wie Opfer immer jünger würden. Gerade „WhatsApp“ werde schon von Kindern genutzt – und das, so betont der Beamte, obwohl die Messenger-App für das Smartphone erst ab einem Alter von 16 genutzt werden dürfe. Einsätze in Schulen: Falkenhagens Einsätze in Schulklassen – von der Grundschule bis zur Berufsbildenden Schule – teilen sich in drei Präventionsphasen auf. In der ersten Phase gehe er in die Schulen und informiere allgemein über die Gefahren, so der Polizist, der seit nunmehr fast 14 Jahren als Präventionsbeauftragter tätig ist. Erste Medienkompetenz und Mediensicherheit will er den Kindern und Jugendlichen so vermitteln. In der zweiten Phase gebe es in der Klasse Mobbing, Opfer und Täter seien aber nicht bekannt. In diesem Fall informiert der Beamte die Schüler über mögliche Konsequenzen und über die Tatsache, dass es sich bei Mobbing auch um eine Straftat handeln kann. Dabei mache er den jungen Menschen klar, dass sich die Herkunft von Messenger-Beiträgen oder E-Mails zum Ursprung zurückverfolgen lassen. „Das Netz ist nicht anonym, vieles lässt sich zurückverfolgen“, betont Falkenhagen. Konfrontation in der Gruppe: In der dritten Phase sei bereits Anzeige erstattet worden und die Schülern würden mit dem Sachverhalt konfrontiert, so Falkenhagen weiter. Auf sozialpädagogische Einzelgespräche sowohl mit dem gemobbten Schüler als auch mit dem Täter folgten die Gespräche in der gesamten Gruppe oder Klasse. Dabei werde den Schülern auch die Folgen des Mobbings verdeutlicht –und zwar zum einen für das Opfer, zum anderen aber auch die rechtlichen Kosequenzen für den oder die Täter. Das Einstellen eines Nacktfotos in einen Gruppen-Chat etwa erfülle den Straftatbestand der Verbreitung pornografischer Schriften, macht Falkenhagen klar. Mobbing an jeder Schule? An der Heinz-Sielmann-Realschule in Duderstadt gebe es wie an jeder anderen Schule auch Mobbing, sagt Schulleiter Stefan Hoppe. „Wenn sich herausstellt, dass ein Kind gemobbt wird“, werde so schnell wie möglich gehandelt. Dann komme das Mobbing-Interventionsteam zum Einsatz, um die Sache zu ergründen und das Gespräch zu suchen. Wichtigstes Ziel dabei sei, so Hoppe, dem Opfer größtmöglichen Schutz zu gewähren. Von Mobbingvorfällen erfahre die Schule auf unterschiedlichem Weg, berichtet der Schulleiter. Entweder melde sich das Kind selbst, oder aber die Eltern sprächen vor. Auch komme es vor, dass die Mitschüler aufmerksam seien und darauf hinwiesen, dass etwas nicht in Ordnung sei. Bestätige sich ein Mobbingverdacht, werde eingegriffen, um die Sache frühzeitig zu ergründen und zu intervenieren. Die Rolle der Schule sieht Hoppe auch darin, deutlich zu machen, dass Mobbing kein Kavaliersdelikt sei und notfalls auch Konsequenzen drohten. Der Schulleiter der Duderstädter Realschule spricht von einem Fall, bei dem Mitschüler einen anderen ihres Jahrgangs durch eine Bildmontage verunglimpft hätten. Über die Eltern sei das an die Schule herangetragen worden. Die Strafe für für die mobbenden Teenager: Sie mussten Hoppe zufolge ein Referat über Ursachen und Wirkung von Mobbing ausarbeiten, sich mit der Thematik auseinandersetzen und schließlich vor der gesamten Jahrgangsstufe darüber referieren. Am Ende sei die Situation bereinigt worden. „Wichtig ist, dass man allen Beteiligten die Möglichkeit zu einem Neuanfang gibt“, so Hoppe, also auch den Tätern. Elterngespräch suchen: „Mobbing ist kein besonderes Problem unserer Schule“, stellt Theodora Bernsdorff-Lösekrug, didaktische Leiterin an der KGS Gieboldehausen, klar. Vieles werde aber über soziale Medien und Dienste wie WhatsApp oder Instagram, einer Smartphone-Anwendung zum Teilen und Kommentieren von Fotos, in die Schule hereingetragen. Gebe es Hinweise auf Mobbingfälle, werde das Elterngespräch gesucht. Darüber hinaus werde Medienerziehung angeboten oder der Präventionsbeauftragte der Polizei Duderstadt eingeschaltet. Am Eichsfeld Gymnasium Duderstadt (EGD) gibt es seit nunmehr fünf Jahren ein Mobbing-Präventionsteam, dass sich aus zwei besonders geschulten Lehrkräften, den Schulseelsorgern, dem Schulleiter, dem Beratungslehrer und auch Klassenlehrern zusammensetzt, erklärt Lars Bednorz vom Mobbing-Präventionsteam des EGD. Gebe es einen Fall, werde so schnell wie möglich beraten, wie zu reagieren sei. „Wir gehen in die Klasse“, um die Schüler mit der Situation zu konfrontieren, so Bednorz. Es werde zunächst versucht, eine Lösung ohne die Eltern finden. Oft habe das Erfolg. Wiedergutmachung erreicht: Die EGD-Schüler wüssten, dass sie Kontakt zum Präventionsteam aufnehmen könnten – ganz gleich, ob persönlich im Büro, oder weniger öffentlich per E-Mail. Bednorz berichtet von einem Mädchen, das über lange Zeit mit Schimpfworten oder abfälligen Bemerkungen herabgewürdigt worden war. Daraufhin habe er den „Spiel herumgedreht“, in dem er in der Klasse all die Worte zusammen mit seinem Namen an die Tafel geschrieben habe – „Lars Bednorz ist ...“ . Mit dieser „emotionalen Erschütterung“ sei den Elfjährigen klar geworden, dass das Mobben ihrer Mitschülerin gegen die Menschenwürde verstoße. Am Ende hätten sich alle Mitschüler bei dem Mädchen entschuldigt und eine Wiedergutmachung erreicht worden. Durch diesen Perspektivwechsel hätten die Kinder fürs Leben gelernt, ist der Pädagoge überzeugt. Bednorz betont, dass es bei der Mobbing-Intervention auch darauf ankomme, die unterschiedlichen Rollen der Beteiligten aufzubrechen und „den Mitläufern“ klar zu machen: „Ihr seid auch nicht besser.“ Seit es das Mobbing-Präventionsteam am EGD gebe und offen mit dem Thema umgegangen werde, habe die Zahl der Fälle deutlich abgenommen, so Bednorz’ Einschätzung. Für diejenigen, „die es lostreten“, habe das möglicherweise eine abschreckende Wirkung. „Cybermobbing ist eine Form der Gewalt und unterscheidet sich wenig von klassischem Mobbing. Gerade junge Menschen sind oft davon betroffen - mit teils gravierenden Folgen für Täter und Opfer“, heißt es seitens der polizeilichen Kriminalprävention. Die Täter nutzten Internet- und Mobiltelefondienste zum Bloßstellen und Schikanieren ihrer Opfer. Das Internet scheine außerdem die Hemmschwelle für Mobbingaktivitäten zu senken, heißt es auf der Website weiter. Cybermobbing sei mittlerweile keine Ausnahmeerscheinung mehr. Insbesondere an Schulen trete das Problem häufig zu Tage. „Das liegt vor allem daran, dass junge Menschen verstärkt über Soziale Netzwerke wie Facebook und Nachrichtendienste wie WhatsApp kommunizieren. Schulklassen oder ganze Schulen sind auf diese Weise miteinander vernetzt. Hänseleien und Beleidigungen finden nicht mehr nur im Klassenzimmer und auf dem Schulhof statt, sondern werden ins Internet verlagert“, so die Polizei weiter. Dort sei es besonders leicht, andere zum Opfer zu machen - die Täter wähnten sich sicher in der Anonymität des Netzes. Folgende Tipps gibt die Polizei zum Schutz vor Cybermobbing: Geben Sie möglichst wenig Daten von sich im Internet preis. Geben Sie in Profilen von Sozialen Netzwerken niemals die vollständige Adresse oder die Handynummer an. Stellen Sie möglichst wenige Bilder und Videos von sich selbst ins eigene Profil ein. Beachten Sie beim Anlegen Ihres Profils die Sicherheitseinstellungen für den privaten Bereich. Geben Sie diesen Privatbereich nicht für jedermann frei. Prüfen Sie stattdessen jede Freundschaftsanfrage. Grundsätzlich sollten Sie nur Ihrem engsten Freundeskreis (also Personen, die Sie auch aus dem realen Leben gut kennen) diesen Bereich zugänglich machen. Diese Vorsichtsmaßnahmen schützen Sie beispielsweise auch vor Phishing-Attacken oder Schadsoftware. Lesen Sie auch: „Mobbing gibt es in jeder Schulklasse“ Was tue ich, wenn mein Kind gemobbt wird? Gewalt an Schulen: Eltern fühlen sich alleingelassen Göttinger Eltern schlagen Alarm: Wenn Kinder in der Schule brutal zuschlagen Umfrage: Eltern bei Cybermobbing unter Kindern oft ratlos Sie erreichen die Autorin per E-Mail an b.eichner-ramm@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499712. Von Britta Eichner-Ramm

Prävention und Konfrontation - So gehen Eichsfelder Schulen mit Mobbing um