Streit um Kunst, Urheberrecht und Brunnengestaltung in Hilkerode

Die Frage, wie es mit dem Brunnen in Hilkerode weitergeht, ist derzeit völlig offen. Die bisherigen Diskussionen wurden zum Teil sehr emotional geführt, und es gab sogar eine Unterschriftenaktion im Ort. Vieles beruhte allerdings auf Missverständnissen, wie sich zwischenzeitlich herausstellte. Dennoch sind die Fronten verhärtet. Dazu hat ein Brief des Künstlers beigetragen, in dem er dem Ortsrat Kompetenz in Sachen Ästhetik abspricht. Hilkerodes Brunnen am Dorfplatz bereitet seit Jahren Probleme, und diese sind nicht nur technischer Natur. Zunehmend wird auch über die Gestaltung diskutiert. Dabei wird klar, dass sich über Geschmack trefflich streiten lässt. Nicht jedoch über die Frage des Urheberrechts, denn der Brunnen mit den drei markanten Bronzeplatten ist ein Kunstwerk des früheren Hilkeröder Künstlers Helmut Stephan Diedrich. Großer Wasserverlust: Hintergrund der festgefahrenen Debatte ist, dass der Ortsrat Hilkerode eine Förderung für eine Neugestaltung der Ortsmitte inklusive neuem Brunnen anstrebt. Der Brunnen läuft nicht vernünftig, der Wasserverlust ist enorm. Mehrfache Versuche, die Probleme zu beheben, scheiterten. Dazu kommt, dass jegliche Veränderung am Brunnen-Kunstwerk der Zustimmung des Künstlers bedarf. Diedrich hat mehrfach betont, dass er an seinem Urheberrecht festhalte. Seine Änderungsvorschläge für eine mögliche Veränderung des Brunnens – erst vor kurzem hat er einen dritten Entwurf vorgelegt – fanden im Ortsrat jedoch keinen Anklang. Zudem will man sich nicht wieder auf Urheberrechtsdiskussionen einlassen müssen. Nach vielen vorausgegangenen Kontakten und Gesprächen zwischen Ortsbürgermeister Michael Skupski (parteilos), den Ortsratsmitgliedern, dem Erschaffer der vorhandenen Brunnenplastik, einem Mitarbeiter des Planungsbüros und Mitarbeitern der Verwaltung hatte der Ortsrat am 11. Dezember 2019 beschlossen, „dass das bereits beteiligte Büro die Planungen für den neuen Brunnen umsetzt. Eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Künstler soll es nicht mehr geben“, fasst Svenja Eckert, Sprecherin der Stadtverwaltung Duderstadt, zusammen. Unterschriftenliste übergeben: In seiner Februar-Sitzung beschäftigte sich der Ortsrat erneut mit der Thematik. „Dabei war unter anderem auch das bürgerschaftliche Engagement zum Thema spürbar, als eine Unterschriftenliste überreicht wurde“, so Eckert. Während der Sitzung war jedoch deutlich geworden, dass die Unterschriftenliste zum Teil auf Basis eines Missverständnisses initiiert worden war. So war ein die drei vorhandenen Bronzetäler integrierender Gestaltungsvorschlag von Ortsrat Sascha Behrmann (WDB) wegen der Formulierung „Wasserspiele“ als Planung eines Wasserspielplatzes interpretiert worden. „Das war nie der Plan“, versichert Behrmann. Vielmehr habe er vorgeschlagen, durch eine niedrigere Anordnung der Bronzeplatten „den Brunnen erlebbarer zu machen“. Nur Hörensagen: Auch Ortsrat Steffen Maur (SPD) weist darauf hin, dass ein Wasserspielplatz an der Hauptstraße „nie eine reale Planungsoption“ war. Ihn ärgere vor allem, dass Unterschriftenaktion und Leserbriefe nur aufgrund von „Hörensagen“ erfolgt seien und die Einwohner nicht das Gespräch mit dem Ortsrat gesucht hätten. Unterdessen machte der Künstler nicht nur einen weiteren Gestaltungsvorschlag auf Basis des seinerzeit angefertigten Brunnens. Zudem sandte Diedrich ein Schreiben, das der Redaktion vorliegt, an Ortsbürgermeister Skupski. Diedrich nennt darin Behrmanns Entwurf „Plagiat“ und spricht dem Ortsrat „Kompetenz in Sachen Ästhetik“ ab. Zudem macht der Künstler klar: „Ohne Wenn und Aber berufe ich mich auf mein Urheberrecht. Ich überlasse keinem Nobody in Sachen Ästhetik die Zerstörung dieses Unikates – gleich Bilderstürmern der Vergangenheit“, schreibt Diedrich. Er kündigt darüber hinaus seine Bereitschaft an, den Hilkerödern seine Entwürfe vorzustellen. Zusammenarbeit unmöglich: Nach Diedrichs Schreiben dürfte jedoch die Bereitschaft der Ortsratsmehrheit, vom bestehenden Beschluss abzurücken, nicht sehr groß sein. Behrmann sieht etwa „auf dieser Basis eine Zusammenarbeit“ mit dem Künstler als unmöglich an. Auch Maur ist skeptisch. Vor dem Brief habe er ein Gespräch und Informationen Diedrichs zu seinen Entwürfen „gut gefunden“. Nach dessen Angriff gegen den gesamten Ortsrat verspüre er jedoch keine große Bereitschaft zu einem Treffen. Christian Rust (CDU-Fraktion) sagt, von einem dritten Entwurf Diedrichs habe er keine Kenntnis. Auf den Brief des Künstlers geht Rust nicht ein. Rust setzt darauf, dass das Planungsbüro im Zuge der Dorfentwicklung Entwürfe erarbeitet. Er hätte nichts dagegen, würden dabei die drei Bronzeplatten des Künstlers integriert. Doch das setze eine Einigung mit dem Künstler voraus, gibt Rust zu bedenken. Bisher habe Diedrich aber klar gemacht, dass es nur so laufe, wie er wolle, oder gar nicht. Hoffen auf Einigung: Ortsbürgermeister Skupski indes hofft, dass eine Einigung mit dem Künstler möglich ist und damit die drei Bronze-Tafeln für Hilkerode erhalten bleiben. Skupski hatte im Dezember als einziger gegen den Mehrheitsbeschluss und damit gegen einen neuen Brunnen gestimmt. Der Beschluss vom Dezember habe unverändert Bestand. Eckert: „Derzeit klärt die Verwaltung urheberrechtliche Fragen. Erst mit dem Ergebnis der rechtlichen Expertise wird erkennbar sein, ob andere Vorstellungen als die des Künstlers umsetzbar sind. Aus diesem Grund konnte eine mögliche Beauftragung des Büros noch nicht vorgenommen werden.“ Helmut Stephan Diedrich, Jahrgang 1937, und wuchs in Hilkerode auf. Er studierte Kunst und Kunstgeschichte in Karlsruhe. Von 1972 bis zu seiner Berufung an die Fachhochschule Bielefeld 1978 lehrte er als Assistenzprofessor an der Erziehungswissenschaftlichen Hochschule Rheinland-Pfalz in Koblenz. An der FH Bielefeld unterrichtete Diedrich visuelle und haptische Kommunikation . Die Arbeiten seines künstlerischen Schaffens reichen von Grafiken, Zeichnungen und Malereien über Plastiken sowie beispielsweise Kathedralverglasungen oder Wandreliefs. Darüber hinaus zählen Brunnen- und Denkmalgestaltungen im öffentlichen wie privaten Raum zu Diedrichs Schaffen. Heute lebt der Professor in Halle (Westfalen). Der von ihm entworfene Brunnen am Dorfplatz von Hilkerode ist 1980 im Zuge der 75-Jahr-Feier der Hilkeröder Kolpingfamilie eingeweiht worden. Zuvor waren die drei Bronzeteile, welche die drei die Ortschaft umgebenden Täler darstellen, in Karlsruhe gefertigt worden. Materialien der alten Dorfstraße wurden für den Brunnen verwendet. Die Kosten des Brunnens in Höhe von 50000 Mark teilten sich der Landkreis Göttingen, die Stadt Duderstadt und der Ortsrat. In Hilkerode gibt es von Diedrich außer dem Dorfbrunnen noch eine Bronzefigur, welche eine Handelsfrau mit ihrem Reff auf dem Rücken darstellt. Die Figur an der Grundschule erinnert an die Zeit des Warenhandels. Lesen Sie auch: Thema Brunnen bewegt Hilkeröder Bürger Warum Hilkeröder ihren Dorfbrunnen erhalten wollen Entscheidung gegen den Dorfbrunnen: Für Hilkerode soll ein neues Modell entwickelt werden Hilkerode soll einen neuen Brunnen für den Dorfplatz bekommen Sie erreichen die Autorin per E-Mail an b.eichner-ramm@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499712. Von Britta Eichner-Ramm

Diskussion geht weiter - Was wird aus dem Brunnen in Hilkerode?