Restauratoren über die Schulter schauen können Besucher am zweiten europäischen Tag der Restaurierung in Deutschland. In Göttingen und Friedland werden am Sonntag, 13. Oktober, Fallbeispiele aktueller Konservierungs- und Restaurierungsprojekte vorgestellt – von der Antike bis zur Moderne. Das teilt Dr. Wanja Wedekind für die Arbeitsgruppe „Konservierung/Restaurierung der Restaurator*innen in Südniedersachsen“ mit: „Teilen Sie an diesem Tag mit uns die Begeisterung für die Erforschung und Bewahrung von Kunstwerken und Kulturgütern.“
Los geht es um 11 Uhr in Göttingen mit der Farbrekonstruktion der Artemis von Pompeji, die 1760 gefunden wurde. Treffpunkt ist der Römersaal im Archäologischen Institut, Nikolausberger Weg 15. Diplom-Restauratorin Jorun Ruppel will das Konzept und die Methoden des noch nicht abgeschlossenen Projektes vorstellen.
Renaissance-Bild im Römersaal
Nächste Station ist um 12 Uhr die Kunstsammlung der Göttinger Universität, Weender Landstraße 2, Treffpunkt im Hörsaal des Auditoriums. Dort geht es um die Restaurierung eines italienischen Renaissance-Gemäldes. Das Francesco Botticini (1446-1497) zugeschriebene Gemälde „Anbetung des Christuskindes durch Maira und den Johannesknaben“ ist von Viola Bothmann restauriert worden, die ihre Arbeitsschritte anhand einer Foto-Dokumentation in einem Vortrag erläutert. Anschließend kann das Gemälde, das laut Wedekind zu den bedeutendsten Werken der universitären Kunstsammlung gehört, begutachtet werden.
Etwas mehr Zeit mitbringen müssen die Besucher einer Führung im Grenzdurchgangslager Friedland, die etwa eineinhalb Stunden dauert. Treffpunkt ist um 15 Uhr im Foyer des Museums Friedland, das um Anmeldungen bis 11. Oktober unter Telefon 05504/8056-203, veranstaltungen@museum-friedlande.de bittet. Der Führung geht eine musikalische Einführung von 14 bis 14.30 Uhr in der St.-Norbert-Kirche voraus, in der die Künstlerin Christa Adrian (1929-2003) die Kreuzwegstationen gestaltet hat. Die Wandmalereien Adrians im St.-Ansgar-Haus, einer Holzbaracke im Westteil des Lagers, sind 2016 restauriert worden und werden von Beate Skasa-Lindermeir erläutert und historisch eingeordnet. 1961 malte die Künstlerin eine Gruppe Flüchtender mit schwarzer Farbe auf Goldgrund und machte damit die Flucht zum Thema einer monumentalen Darstellung.
Soirée im Gartenatelier
Mit einer Soirée im Gartenatelier von Wanja Wedekind in Göttingen, Leinestraße 24, soll der Tag der Restaurierung ab 18 Uhr „im Angesicht der kauernden Venus“ bei einem Aperitif, Salsiccia und vegetarischen Kleinigkeiten ausklingen. „Die intime Darstellung der badenden Nackten ist eine freie Kopie der Lely Venus, die sich heute im British Museum befindet und als ein Meisterwerk der hellenistischen Bildhauerei gilt“, sagt Wedekind: „Die Alabasterskulptur der kauernden Venus aus den kurfürstlichen Schlössern der Museumslandschaft Hessen-Kassel ist italienischer Provenienz und wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt.“
Reise in die Vergangenheit mit Restauratoren
Der zweite Europäische Tag der Restaurierung wird in Deutschland vom Verband der Restauratoren (VDR) organisiert. Der Berufs- und Fachverband vertritt die Interessen von zurzeit rund 3000 Restauratoren aller Fachrichtungen. Nach der Premiere im Vorjahr mit etwa 24 000 Besuchern beteiligen sich in diesem Jahr mehr als 150 Restauratoren und Institutionen mit etwa 250 Veranstaltungen in privaten Ateliers, Museen, Schlossverwaltungen, Denkmalämtern und Hochschulen. Das Motto „Gesichert: Die Spuren der Zeit“ soll sich auf alle Kulturgüter beziehen, die es zu erhalten gilt. Und es soll dazu einladen, „mit Restauratoren auf die Reise zu gehen und spannende Geschichten zu erfahren, sie sonst unter der Oberfläche der Objekte verborgen bleiben“. Der Beruf des Restaurators habe sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer wissenschaftlichen Disziplin mit fundierter Hochschulausbildung entwickelt, die Theorie und Praxis in sich vereint, heißt es auf der VDR-Homepage.
Von Kuno Mahnkopf