Aus für Bildungsstätte St. Martin in Germershausen: Das sind die Reaktionen

Thomas Holzborn lächelt freundlich, obwohl ihm wohl eher zum Weinen zumute wäre. Der Leiter der Bildungsstätte St. Martin Germershausen war vor zwei Jahren angetreten, um die Einrichtung baulich wie inhaltlich zukunftsfähig zu machen. Jetzt kommt alles anders. Das Bistum Hildesheim hat im Zuge der Neuorganisation ihrer außerschulischen Bildungsangebote das Aus für St. Martin in Germershausen verkündet. Konkret bedeutet das, dass dort Ende des Jahres Schluss ist. Die Entscheidung zur Schließung habe nicht nur mit der Corona-Pandemie zu tun, hatte des Bistum betont. Gleichwohl war Corona nach Auffassung von Holzborn „der Sargnagel“ für einen Prozess, der sich angedeutet habe. „Das Damoklesschwert der Schließung“, so Holzborn weiter, habe in den vergangenen zehn Jahren schon über der Bildungsstätte geschwebt. „Ich hatte eine Menge vor mit dem Haus“, sagt der Leiter der Einrichtung. Zum Beispiel lägen die Pläne für eine Umgestaltung von Foyer und Speiseraum fertig in der Schublade. „Aber es ist deutlich geworden, dass das Bistum in die bauliche Substanz des Hauses und auch in die personelle Besetzung hätte investieren müssen“. „Sind Teil eines großen Plans“: Hinzu komme, dass die Augustiner sich im vergangenen Jahr aus Germershausen zurückgezogen hatten und der Nutzungsvertrag für eine Hälfte des Gebäudekomplexes zum Jahresende 2020 auslaufe. Insofern zeigt Holzborn Verständnis für die Situation des Bistums, das sich die Frage habe stellen müssen, wie man mit der Situation umgehen soll. „Jetzt ist der Grundsatzbeschluss gefallen. Wir sind Teil eines großen Plans“, sagt Holzborn diplomatisch. Die Auslastung und Belegung der Bildungsstätte St. Martin Germershausen habe nach Ansicht des 52 Jahre alten Leiters „sicher nicht den Ausschlag gegeben“. Denn mit Blick auf die Auslastung 2019 spricht Holzborn von der „besten Belegung der letzten zehn Jahre“. Die Corona-Pandemie habe in diesem Jahr natürlich zu „massiven Einschränkungen und Einschnitten“ geführt, doch dank eines „sehr guten Hygienekonzepts“ habe man Gruppen wieder Angebote machen können. Die letzten Gäste waren Ende Oktober im Haus, berichtet Holzborn, die Kursangebote im November hätten wegen der Kontaktbeschränkungen aber „schweren Herzens“ abgesagt werden müssen. Keine Kündigungen ausgesprochen: Nachdem nun das Bistum das Aus für das Haus im Wallfahrtsort Germershausen verkündet hat, bleibt Holzborn und seinem Team nur noch die Abwicklung und das Haus bis zum Jahresende „in Schuss zu halten“. Außerdem gehe es nun darum, für die 14 Mitarbeitenden eine berufliche Perspektive zu finden. „Das Bistum hat keine Kündigungen ausgesprochen“, so Holzborn und berichtet vom „großen Bemühen“, eine gute Anschlussbeschäftigung zu finden. Unterdessen reagieren die Menschen in Südniedersachsen auf die bevorstehende Schließung der Bildungsstätte vielfach mit Bedauern und Trauer, Verständnis aber auch Verärgerung. Holzborn freut sich über die Wertschätzung und Verbundenheit zum Haus, die er in den vergangenen Tagen vernommen habe. Zum 31. Dezember gehen in der Bildungsstätte St. Martin in Germershausen die Lichter aus. Das Bistum Hildesheim hat vor wenigen Tagen verkündet, seine außerschulischen Bildungsangebote neu zu strukturieren. Konkret bedeutet das die Schließung von drei Bildungs- und Tagungshäusern, darunter Germershausen. Mit diesem Schritt werde auf die sinkenden finanziellen und personellen Ressourcen reagiert, heißt es in der Argumentation. Außerdem wäre „bei Weiterführung in den kommenden Jahren ein erheblicher Sanierungsbedarf mit entsprechend hohem Kostenaufwand zu erwarten“. Zum Jahresende endet der Überlassungsvertrag mit der Ordensgemeinschaft der Augustiner, denen eine Hälfte des Gebäudekomplexes in Germershausen gehört. Die zweite Hälfte gehört dem Bistum. Die Augustiner haben 2019 das Kloster verlassen und bewirtschaften ihren Teil des Gebäudekomplexes nicht mehr, heißt es in der Bistums-Mitteilung. „Sie streben einen Verkauf des Gebäudekomplexes gemeinsam mit dem Bistum an.“ Ein Stück Heimat geht verloren: Der Göttinger Dechant Wigbert Schwarze ist traurig über die Schließung, „weil ich persönlich viel mit Germershausen und der Bildungsstätte St. Martin verbinde. Ich bin dort groß geworden mit den Augustinern.“ Auch bedeute die Schließung der Einrichtung, dass damit „ein Stück Heimat für die ganze Südregion des Bistums“ verloren gehe, sagt Schwarze. Er hoffe, dass es für das Wallfahrtswesen in Germershausen weiter gehe. Das wünscht sich auch Cornelia Kurth-Scharf vom Wallfahrts-Team in Germershausen, die die Schließung der Bildungsstätte als „herben Verlust“ bezeichnet. So konnten die Wallfahrer – bis zu 5000 Menschen bei der Großen Wallfahrt – beispielsweise die sanitären Anlagen nutzen oder wurden von der dortigen Küche aus verpflegt. Darüber hinaus stehe den Germershäuser Katholiken kein Pfarrhaus oder -heim zur Verfügung. Für Treffen des Wallfahrts-Teams oder aber Bibelkreise habe man bislang Räume in der Bildungsstätte nutzen können, ergänzt Kurth-Scharf. „Ich hoffe, dass das Bistum für unsere Sorgen und Nöte ein offenes Ohr hat.“ „Ein wichtiger Ort“: Weil Germershausen eine Bildungsstätte sei, die speziell auch Angebote für Familien gemacht habe, bedauert Kurth-Scharf das Aus umso mehr. Das große Gelände biete so viele Möglichkeiten für Erwachsene und für Kinder. Schulklassen aus dem Obereichsfeld hätten hier Religionsfreizeiten verbracht, Kinder aus dem Untereichsfeld sich auf die Erstkommunion oder Firmung vorbereitet. Kaplan Matthias Rejnowski, Dekanatsjugendseelsorger für das Untereichsfeld, hat selbst einige Gruppen begleitet und festgestellt, „wie wichtig dieser Ort ist“. So hätten Familien die Bildungsstätte Germershausen besucht, „die normal nicht im Gemeindeleben aktiv sind“, sagt er. „Das bricht jetzt weg“, meint Rejnowski, wenngleich er die Entscheidung des Bistums „rational nachvollziehen“ könne. „Gute Zusammenarbeit sieht anders aus“: Wenig nachvollziehbar findet Sven Faulhaber das angekündigte Aus der Bildungsstätte. Vor allem da sich Ehrenamtliche des Bistums unter Einbeziehung der Bildungsstätte „ganz viel Mühe“ mit der Vorbereitung des Meadow-Jugendfestivals (25. bis 27. Juni 2021) in Germershausen gegeben hätten. Mit der Schließung werde das ganze Konzept nun hinfällig, glaubt Faulhaber, der sich im Kirchengemeinderat Seulingen engagiert. Lesen Sie auch Germershausen: Bistum Hildesheim gibt Bildungsstätte St. Martin Ende 2020 auf Thomas Holzborn neuer Leiter der Bildungsstätte St. Martin in Germershausen Augustiner verabschieden sich in Germershausen vom Eichsfeld Orden gibt nach 155 Jahren auf: Augustiner verabschieden sich mit einem Gottesdienst aus Germershausen Augustiner verlassen das Eichsfeld und geben das Kloster Germershausen auf Dekanatsjugendseelsorger Matthias Rejnowski verlässt 2021 Duderstadt Große Wallfahrt mit Kreuzweg Begegnung und Amt am Freialtar „Gute Zusammenarbeit sieht anders aus“, sagt er. Faulhaber vermutet: „Wahrscheinlich hat man sich im Bistum gedacht, schnell die Bildungsstätte schließen, solange die Untereichsfelder noch führungslos sind und sich die Gremien wegen Corona nicht treffen können.“ Von Britta Eichner-Ramm