Gieboldehausen: Geflüchtete als Erntefelfer auf dem Erdbeerfeld

Ihren vorletzten Ernteeinsatz hatten am Donnerstagvormittag Nurudeen, Mariam, Issanfan, Salamat und Mohammadi auf dem Erdbeerfeld Keufner bei Gieboldehausen. Am Sonnabend endet die Erdbeersaison. Die Männer und Frauen, die Stiege um Stiege der letzten roten Früchte vom Feld holten, leben im Schloss Wollershausen, einer von der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Südniedersachsen (GAB) betreuten Unterkunft für Geflüchtete. Die GAB war es auch, die den Gieboldehäuser Landwirten Simon und Alfred Keufner die Arbeitskräfte für die Erdbeerernte vermitteln konnte. Wegen Corona: Alternative erforderlich: Wegen der Reisebeschränkungen in Folge der Corona-Pandemie durften nämlich die polnischen Saisonkräfte in diesem Jahr nicht bei der Erdbeerernte auf dem Hof in Gieboldehausen helfen. „Daher mussten wir uns nach Alternativen umsehen“, berichtet Junior-Chef Simon Keufner. Die GAB konnte helfen, erzählt Daniel Rudolph, GAB-Mitarbeiter im Schloss Wollershausen. Dass die Formalien relativ unkompliziert mit den Behörden geklärt werden konnten, freut Keufner. „Das lief absolut spielerisch.“ Zuverlässig seien die je nach Bedarf zwischen vier und neun Erntehelfer morgens zum Erdbeerfeld gebracht und nach getaner Arbeit wieder nach Wollershausen zurück gefahren worden. Nach kurzer Einweisung hätten die Frauen und Männer ihre Arbeit erledigt. Verkäuferin Theresa „Resi“ Otto, die seit 21 Jahren den Verkaufsstand am Selbstpflückerfeld in Gieboldehausen betreut, hatte die Aushilfskräfte im Blick und wies sie auch schon mal darauf hin, welche Früchte besser nicht in den Schalen landen sollten. Eindrücke vom Erdbeerfeld Keufner: Für die Pausen stand den Erntehelfern ein Bauwagen zur Verfügung. Und während Keufner in früheren Jahren für die polnischen Saisonkräfte eine Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung stellen mussten, war das diesmal nicht notwendig. Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Dafür, dass die von der GAB vermittelten Erntehelfer aus Niger, Ghana, Guinea und Afghanistan erstmals zur Ernte eingesetzt wurden, zeigt sich Keufner zufrieden und könnte sich durchaus künftige Einsätze vorstellen. „Die Leute waren zuverlässig und sehr motiviert.“ Es sei nicht leicht, „gute Leute zu finden.“ Über die GAB habe in Wollershausen ein gewisser Pool an Helfern zur Verfügung gestanden. „Das hat uns bisher über Engpässe hinweg geholfen.“ Später Frost: Vor allem aber sei er froh gewesen, dass die Erdbeerernte in dieser Saison überhaupt noch möglich war, denn es habe sehr späten Frost gegeben. Daher habe beim Pflücken sehr viel mehr selektiert werden müssen. Und wegen des Regens hätten die Früchte nicht so lange auf dem Feld bleiben dürfen, damit sie nicht schimmeln, erklärt der Landwirt. Die Verständigung mit den Geflüchteten habe „viel mit Händen und Füßen“ funktioniert, berichtet Verkäuferin Resi. Zwei der Erntehelfer sprechen Englisch, andere Französisch oder ein wenig Deutsch. Trotz des schlechten Wetters seien sie „immer freundlich“ gewesen, lobt die Verkäuferin. Gelegenheit, etwas zu tun: Sie seien glücklich, dass sie diese Arbeit tun durften, waren sich am Donnerstag Nurudeen aus Ghana, Mariam und Salamat aus Guinea, Issanfan aus Niger und Mohammadi aus Afghanistan einig. Die Tätigkeit als Erntehelfer auf dem Erdbeerfeld sei eine gute Gelegenheit für sie, überhaupt etwas zu tun, sagte Nurudeen und seine Mitstreiter an den Erdbeer-Stiegen nickten zustimmend. GAB-Mitarbeiter Rudolph ergänzt, dass der Einsatz der Geflüchteten, die derzeit im Schloss Wollershausen leben, auf dem Erdbeerfeld auch dazu beitrage, Vorurteile abzubauen. Und so hätten alle gewonnen: Landwirt Keufner und auch die Erntehelfer selbst. „Die Leute wollen ja etwas machen“, so Rudolph. Daher sei es „schön, dass das geklappt hat“. Jetzt steht das Saisonende auf dem Erdbeerfeld bevor. Am Wochenende ist nach gut vier Wochen Ernte Schluss. Schloss Wollershausen: Die Unterkunft für Geflüchtete im Schloss Wollershausen wird von der Gesellschaft für Arbeits- und Berufsförderung Südniedersachsen (GAB) geleitet. Von Oktober 2015 bis März 2016 handelte es sich um eine reine Notunterkunft für Flüchtlinge. Seit 2016 ist die GAB, eine 100-prozentige Tochter des Landkreises Göttingen, Eigentümerin der Schlossanlage und betreibt dort die Einrichtung. Mit dem Landkreis Göttingen gibt es einen Betreibervertrag, der bis Ende 2019 befristet war, dann aber um ein weiteres Jahr verlängert wurde. Es sollte ein langfristiges Nutzungskonzept erarbeitet werden. Das Angebot, das den Menschen im Schloss Wollershausen gemacht wird, geht über das reine Wohnen hinaus. Im Vordergrund stehen die Betreuung und Integration der Bewohner. Für sie gibt es Deutschkurse und andere Angebote. Darüber hinaus gibt es Projekte, die vor allem auf eine Integration von Flüchtlingen und anderen Menschen in den Arbeitsmarkt ausgerichtet sind. Aktuell sind im Schloss Wollershausen 99 Geflüchtete untergebracht. Sie erreichen die Autorin per E-Mail an b.eichner-ramm@eichsfelder-tageblatt.de oder unter Telefon 05527/9499712. Von Britta Eichner-Ramm