Dorfläden in Göttingen: In Coronazeiten steigt Umsatz und Wertschätzung

Bundesweit gibt es immer mehr Dorfläden. Seit 2015 ist ihre Anzahl von rund 200 auf etwa 300 gestiegen, erklärt Günter Lühnig, Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden. In Zeiten der Pandemie scheint die Wertschätzung des Lädchen vor Ort zudem zu steigen – und auch der Umsatz. Das schildern Betreiber aus dem Landkreis Göttingen. „Der Trend kam bei uns ein wenig später an als bei anderen Dorfläden“, sagt Simon Ohse aus dem Dorfladen in Fuhrbach. Zum einen stieg die Wertschätzung in Coronazeiten: Die Dorfbewohner freuten sich, dass sie nicht nach Duderstadt fahren müssen, um Lebensmittel zu kaufen. Zudem stellte der Laden einen Lieferservice im ersten Lockdown auf die Beine – zuerst gemeinsam mit dem Hotel „Der Kronprinz“. Als das Hotel nach dem ersten Lockdown wieder öffnen konnte, betrieb der Dorfladen den Service alleine weiter. Auch Kunden aus den Nachbardörfern Brochthausen und Langenhagen werden so noch immer beliefert. Fuhrbacher liefern Ware aus: Wie viele Kunden das Angebot des Lieferservices in Anspruch nehmen, sei von Jahr zu Jahr unterschiedlich, so Ohse. Doch der Service führe dazu, dass die Kunden dem Laden treu blieben. Sechs bis sieben Kunden würden regelmäßig beliefert. „Das ist keine große Zahl – aber das bisschen mehr Umsatz ist für uns schon gut“, sagt er. Auch nach Corona soll der Service aufrecht erhalten werden. Lesen Sie auch: Fuhrbach: Geschäftsführer des Dorfladens unterwegs als Weihnachtsmann Das Geld im Fuhrbacher Laden sei stets knapp. „Aber es sah schon schlechter aus – mit ganz viel ehrenamtlichem Engagement haben wir uns aus dem Tief herausgearbeitet. Zum Glück“, sagt Ohse. Der Dorfladen sei wichtig, da er die Infrastruktur vor Ort erhält. „Und in Coronazeiten halten wir ein Stück Normalität aufrecht. Wir unterhalten uns noch immer mit den Kunden – wenn auch mit Maske.“ Sylvia Jeschina betreibt das „Bremkertaler Lädchen“ mit angeschlossenem Café und den Dorfladen in Groß-Lengden. Regionale Produkte wie Eichsfelder Wurstwaren werden hier verkauft und es gilt: Kunden können sich Ware wünschen, dann wird sie in den Laden bestellt. Kunden kaufen mehr Lebensmittel: Einerseits kann Jeschina von positiven Entwicklungen berichten: „Dadurch, dass die Menschen jetzt viel zu Hause sind, brauchen sie mehr Lebensmittel – und kaufen mehr ein.“ Der Umsatz in den Läden ist gestiegen. Einige Familien besuchten im Lockdown zudem als Neukunden den Laden. Anders sieht es im Café aus, es muss im Lockdown geschlossen bleiben. Lesen Sie auch: 100 Jahre „Bremkertaler Lädchen“ in der Heiligenstädter Straße 27 Der Dorfladen bietet Anwohnern kleinerer Ortschaften einen sozialen Treffpunkt. Außerdem machen sie einen wichtigen Teil der Infrastruktur vor Ort aus. Als Reaktion auf Supermarkt-Schließungen auf dem Land gibt es in Niedersachsen immer mehr Dorfläden, die von Bürgern gegründet worden sind. „Es ist keine Modeerscheinung, sondern ein nachhaltiger Trend geworden, auch wenn es immer schwerer wird, eine schwarze Null zu schreiben“, sagt Günter Lühning, erster Vorsitzender der Bundesvereinigung multifunktionaler Dorfläden. Während des Lockdowns im Frühjahr und seit November seien die Umsätze der Dorfläden bei den Lebensmitteln um 10 bis 30 Prozent gestiegen, berichtete Lühning vom Austausch im Netzwerk der Betreiber. Die Besucher, die noch immer im Laden einkaufen könnten, hätten darüber hinaus in Corona-Zeiten andere Wünsche an die Mitarbeiter: „Sie fragen nun viel mehr nach Beratung – dadurch dass die Kinder nicht zur Schule gehen, müssen sie mehr kochen“, schildert sie. Väter fragen unter anderem nach Tipps, was sie für die Kinder zubereiten können. Bereits vor dem Lockdown lieferten Jeschina und ihre Mitarbeiter Lebensmittel aus. In Corona-Zeiten nehmen mehr Kunden das Angebot in Anspruch, versichert sie. Und freuen sich in diesen Zeiten umso mehr, vor Ort einkaufen zu können. Roringen: Einbuße durch geschlossenes Café: „Der Umsatz im Laden ist gestiegen, aber trotzdem geht es uns nicht so gut“, sagt Werner Massow, Vorsitzender des Vereins „Unser Laden“, der den gleichnamigen Dorfladen in Roringen gemeinschaftlich betreibt. Das angeschlossene Berg-Café bleibt dort nämlich coronabedingt geschlossen – was für ausbleibende Einnahmen sorgt. „Wir gelten als Mischbetrieb. Daran scheitert es, dass wir nicht wie Restaurants und Cafés Fördergelder von der Regierung bekommen“, sagt Massow. Er kritisiert, dass die Dorfläden in Zeiten des Lockdowns vergessen werden. Dabei sei es bedeutend, dass die Läden und auch Cafés bestehen. Sie bieten ein Angebot im Ort, wo Anwohner sich abends auf ein Glas Wein treffen können oder freitags zum Grillen. Da der Laden nicht privat betrieben wird, stehe jedoch die Dorfgemeinschaft hinter dem Roringer Laden. Dadurch sei er krisenfester. Von Anja Semonjek