400 Fahrschulen in Niedersachsen stehen vor dem Aus

Seit Mittwoch dürfen die Fahrschulen in Niedersachsen wieder öffnen, allerdings nur für den Theorieunterricht und die praktische Motorradausbildung. Fahrstunden im Auto sind weiterhin tabu – ein Umstand, den der Vorsitzende des Niedersächsischen Fahrlehrerverbandes, Dieter Quentin, nicht nachvollziehen kann. „Es ist mehr als unverständlich, dass lediglich eine Praxisausbildung für Zweiradschüler zulässig ist“, sagt der Gleichener. In Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt dürfen wieder alle Führerscheinklassen ausgebildet werden. Quentin verweist in seiner Kritik auf das umfassende Hygiene-Konzept, das der Verband erstellt hat. „Wir sind vollumfänglich gerüstet, um mit dem geringstmöglichen Risiko arbeiten zu können“, betont er. Den Fahrlehrern sei „sehr bewusst, welche Verantwortung wir nicht nur für unsere eigene Gesundheit, sondern auch für die unserer Fahrschüler haben“. Deshalb würden die Corona-Schutzmaßnahmen mit „der gleichen Gewissenhaftigkeit eingehalten, mit der wir bei der Ausbildung der uns anvertrauten Fahrschüler seit Jahrzehnten arbeiten“. Lkw- und Busfahrerausbildung noch verboten: Insbesondere, dass derzeit weder im Lkw noch in Bussen ausgebildet werden darf, ist dem Verbandsvorsitzenden ein Dorn im Auge. „Die Logistikbranche wird als systemrelevant angesehen, Fahrer händeringend gesucht, auch bei den Verkehrsbetrieben“, sagt er. Und in Lastwagen und Bussen hätten Fahrer und Beifahrer beziehungsweise Passagiere „deutlich mehr Raum“, damit die Abstandsregeln eingehalten werden könnten. „Da haben wir Bedarf und dürfen nicht ausbilden.“ Der Niedersächsische Fahrlehrerverband hat ein umfassendes Hygiene-Konzept für die Fahrschulen erstellt. Darin sind unter anderem die Mindestabstände der Fahrschüler im Theorieunterricht geregelt (mindestens 1,5 Meter). Regelmäßiges Händewaschen und -desinfizieren ist ebenso vorgeschrieben wie eine Flächendesinfektion und Lüften. Zudem besteht Maskenpflicht während des theoretischen Unterrichts – für Lehrer und Schüler. Auch zur momentan noch nicht erlaubten praktischen Ausbildung im Auto gibt es „konkrete Hinweise“, wie Verbandsvorsitzender Dieter Quentin mitteilt. „Dort empfehlen wir einen Mund-Nase-Schutz für Fahrschüler und -lehrer“, erläutert er. Um eine Aerosolinfektion zu vermeiden, sei zudem ständiges Lüften des Fahrzeuges angeraten. Wenn möglich, wird also mit offenen Fenstern gefahren. Zudem müssen die Fahrschüler vor der Ausbildung eine Erklärung über eventuelle Krankheitssymptome ausfüllen. „Wer Symptome zeigt, darf am Unterricht nicht teilnehmen“, sagt Quentin. Der Göttinger Fahrlehrer Udo Wichmann hat seine frisch renovierten Geschäftsräume bereits für eine Wiedereröffnung umgebaut. So mussten aufgrund der Abstandsregeln etwa die neue Couch und der Wartebereich wieder weichen. „Was ich schön gemacht habe, habe ich nun wegen Corona wieder häßlich gemacht“, sagt er. Von der Lockerung Mitte der Woche sei er „etwas überrumpelt worden“, deshalb plant er, erst am Freitag aufzumachen. „Nichts ist so, wie es mal war“: Denn es seien umfangreiche Vorbereitungen zu treffen: So müsse jeder Motorradfahrschüler sein eigenes Headset und Schutzkleidung mitbringen, außerdem würde zwischen jeder praktischen und theoretischen Stunde 15 Minuten Pause für die Desinfektion eingelegt, „damit der nächste nicht gleich das mitnimmt, was sein Vorgänger da gelassen hat“. An seiner Fahrschule hat er eine Klingel angebracht, Eintritt ist nur per Anmeldung möglich. „Nichts ist so, wie es mal war“, sagt Wichmann. In Duderstadt hat Martin Post seine Fahrschule schon so vorbereitet, dass die Abstandsregeln eingehalten werden können, sagt er. Der Inhaber setzt auf eine Online-Anmeldung, um die Teilnehmerzahl am Theorieunterricht zu kontrollieren. Denn die Lehrstunden sind zeitaufwendiger als sonst: „Was wir sonst in einer Stunde schaffen, dafür benötigen wir jetzt drei“, berichtet Post. Denn aufgrund der Abstandsregeln findet in den Räumen nur ein Drittel der Schüler Platz. 400 Fahrschulen in Niedersachsen in der Existenz bedroht: „Warum die Öffnungsregeln nicht bundeseinheitlich sind, kann ich nicht nachvollziehen“, meint Post. Er hofft, dass der Unterricht mit dem Auto in der nächsten Woche wieder los gehen kann. „Auch der TÜV steht meines Wissens nach in den Startlöchern“, sagt er. Schließlich „bringt es nichts, wenn zwar Ausbildung, aber keine Prüfung gemacht werden darf.“ Es komme nicht nur zu einem wirtschaftlichen Schaden für die Fahrschulen, „der absolut vermeidbar wäre“, betont der Verbandsvorsitzende Quentin. Dabei denke er nicht nur an die Einnahmeverluste durch Kurzarbeit: „Für mindestens 30 Prozent der Fahrschulen reichen die staatlichen Hilfen gar nicht aus, um das Tätigkeitsverbot zu überstehen.“ Etwa 400 der 1200 Fahrschulen in Niedersachsen stünden vor dem Aus, wenn nicht „endlich wieder praktisch ausgebildet“ werden könne. Deshalb hoffe die Fahrlehrerschaft darauf, dass sie in der nächsten Woche alle Führerscheinklassen wieder ausbilden darf. Lesen Sie auch: Fahrschulen in der Corona-Krise: „Langsam wird es eng“ Abstandsregelung und Stopp von Fahrschulen Das tägliche GT/ET Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Göttingen täglich gegen 17 Uhr im E-Mail-Postfach Von Tobias Christ

Corona-Lockerungen - 400 Fahrschulen in Niedersachsen stehen vor dem Aus