Am 27. April geht es in den Schulen der Region wieder los

Phasenweise zurück in den Unterricht - das ist die Strategie der niedersächsischen Landesregierung für einen Wiedereinstieg in den Schulbetrieb. Landeskultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) hat am Donnerstagnachmittag auf der Landespressekonferenz im Landtag in Hannover die Richtung vorgegeben. Es sei für Niedersachsen ein Zeitplan erstellt worden, von dem im Moment aber nicht gesagt werden könne, ob er genau so einzuhalten ist. Es müsse immer die Entwicklung in der gegenwärtigen Krise betrachtet werden. Eine vollständige Rückkehr in den Schulalltag, so wie er vor der Corona-Pandemie bestanden hat, werde es nicht geben. Tonne sprach von einem „behutsamen Start“. Prämisse müsse der Gesundheitsschutz haben. Schulen öffnen ab 27. April: Das Land Niedersachsen will seine Schulen ab dem 27. April zunächst für Abschlussklassen wieder öffnen. Ab dem 4. Mai sollen gestuft weitere Jahrgänge nach und nach in den Präsenzunterricht zurückkehren. Für alle Schüler, die vorerst noch nicht in die Schulen zurückkehren, ist ab dem 22. April „Home Learning“ vorgesehen – und zwar verpflichtend. Bei den Schulöffnungen gelte die Devise: zuerst die Klassen, die Prüfungen ablegen müssen, dann die älteren Jahrgänge der einzelnen Schulformen, dann die jüngeren. Die Grundschüler der Klasse 4 sollen wieder ab 4. Mai beschult werden. Für die 12. Klassen beginnt der Unterricht wieder am 11. Mai, die Jahrgänge 3, 9 und 10 folgen ab dem 18. Mai. Auch die Abschlussklassen der berufsbildenden Schulen starten am 27. April. Schüler oder Lehrer, die zu den Risikogruppen gehören, sollen selbst entscheiden können, ob sie zurück in die Schule kommen. Um an Schulen eine gegenseitige Ansteckung mit dem Covid-19-Virus zu verhindern, sollen die Klassenräume nur mit halber Klassenstärke besetzt sein. Das bedeute in der Praxis ein Wechsel zwischen Home Learning und Schule, quasi eine Kombination aus lernen im Klassenzimmer und lernen zu Hause. Klassenübergreifende Arbeitsgruppen und auch Sportunterricht seien weiterhin tabu. Schulleiter würden jetzt eine Art Fahrplan bekommen, der auch konkrete Vorgaben zur Hygiene beeinhalte. Sollte ein Schulträger zur Einsicht gelangen, dass der Gesundheitsschutz an einer konkreten Bildungsstätte nicht gewährleistet werden kann – etwa weil die sanitären Einrichtungen zu wünschen übrig lassen – müsse er sich um Ersatzräume für einen Unterricht bemühen. Das sagen die Leiter der fünf Göttinger Gymnasien: Für die Schulleiter der Göttinger Gymnasien ist die schrittweise Öffnung der Schulen mit Herausforderungen verbunden. Doch Michael Brüggemann , Schulleiter des Felix-Klein-Gymnasiums (FKG) sieht seine Schulform im Vorteil gegenüber Gesamtschulen, die bereits am 27. April wieder für Abschlussklassen öffnen sollen. Denn an den Gymnasien in Göttingen gibt es in diesem Jahr aufgrund des Rückgangs von G8 auf G9 keine Abiturienten, und somit erfolgt die Öffnung an diesen erst am Montag, 4. Mai oder sogar erst am 11.Mai. „Wo es möglich ist, würde ich den Gesamtschulen gern Unterstützung anbieten“, sagt Brüggemann. Dass die Öffnung der Schulen aber auch für die Schüler, die dann etwa vier Wochen oder im Fall der jüngeren Jahrgänge noch länger nicht zur Schule gegangen sind, daran denkt Brüggemann auch. Er ist deshalb dankbar, dass der Minister betont hat, dass das diesjährige Schuljahr kein reguläres ist, und der Unterricht zu Hause kein eins zu eins Ausgleich für den Präsenzunterricht darstellen kann. Aus seiner Sicht ist es richtig, den Schulbetrieb langsam wieder zu starten. Wie allerdings die Abstandsregelungen eingehalten werden sollen, wenn alle Schüler weiß er noch nicht. „Ein normaler Unterricht ist eigentlich erst dann möglich, wenn die Abstandsregeln nicht mehr nötig sind“, sagt er. Ein großes Problem, dass außer Brüggemann auch Georg Bartelt , Schulleiter des Hainberg-Gymnasiums (HG) sieht, ist auch, dass derzeit noch nicht genügend Seifenspender und Desinfektionsmittel in den Schulen vorhanden ist. Nach Angaben Brüggemanns sei von Seiten der Stadtverwaltung zwar bereits welches bestellt worden, dieses sei aber noch nicht vollständig geliefert. „Was Desinfektionsmittel angeht, sehe ich schwarz“, sagt Bartelt. Auch die nicht ausreichende Anzahl von Seifenspender könne zu einem Problem werden. Das HG stehe zudem vor der Herausforderung, dass der Neubau vermutlich nicht zur Verfügung stehe, da dort nicht ausreichend, wie im Hygieneplan vorgegeben, gelüftet werden könne. Eine Alternative dazu wäre, einen Teil der Schüler erst einmal im sogenannten HG-Junior zu unterrichten, doch in diesem Gebäude findet nach Angaben Bartels derzeit die Notbetreuung statt, und wenn diese ausgebaut werden soll, stände noch nicht fest, wie viele Räume dafür benötigt werden. Außerdem sei dies auch nur solange eine Option, bis auch die jüngeren Schüler wieder zur Schule gehen sollen. Auch am Max-Planck-Gymnasium (MPG) sind die Mitglieder der Schulleitung dabei, die Schulwiedereröffnung vorzubereiten. Was die Umsetzung des Unterrichts und auch der Aufgaben für zu Hause ab dem 22. April angeht, ist er zuversichtlich, dass dies gelingen wird. Sorge bereitet ihm allerdings, ob es gelingt, dass die Schüler die Abstandsregelungen tatsächlich auch einhalten. „Es wird nicht einfach werden, Kontakte zu vermeiden“, sagt Schulleiter Wolfgang Schimpf. Eine weitere Herausforderung, vor der die Schulleiter stehen, ist die Neustrukturierung des Lehrplans, da bestimmte Fächer, die klassenübergreifend unterrichtet worden sind, erst einmal nicht mehr erteilt werden sollen. Dennoch ist Ulrike Koller, Leiterin des Theodor-Heuss-Gymnasiums froh, dass der Unterricht langsam wieder beginnt. Denn Unterricht in der Schule, sei doch etwas anders, als wenn die Schüler nur für sich zu Hause lernen würden. „Zu Hause konnten die Schüler wahrscheinlich nicht so viel lernen, wie in der Schule, aber das ist noch kompensierbar“, sagt sie. „Jetzt kommen wir aus diesem Schwebezustand von Verbindlichkeit und Freiwilligkeit heraus“, kommentiert die Schulleiterin des Otto-Hahn-Gymnasiums (OHG), Rita Engels, die neuen politischen Vorgaben. Bislang seien dem OHG drei Desinfektionsspender zugewiesen worden, es fehlen weitere in den Toiletten und den Eingängen. Für die Anschaffung großer Mengen an Atemschutzmasken oder Desinfektionsmitteln müsste der Schulträger sorgen. „Das könnten wir nicht leisten.“ Immerhin sei aber noch etwas Zeit, um alles vorzubereiten. Lehrer, die im Hause zur Risikogruppe gehören, gebe es durchaus. „Das wird für uns ein langfristiges Problem, das es zu lösen gilt“, befindet Engels. Vermutlich müssten Sonderpläne erstellt werden, die einbeziehen, dass einige Kollegen online-Unterricht machen: Unterrichtsmodule. Die angesagte Gangart sei jetzt „Schritt für Schritt“, aus dem Ärmel lasse sich eine alles umfassende Lösung nicht schütteln. Cindy-Patricia Heine (Vorstandsvorsitzende Landeselternrat Niedersachsen): Die Vorstandsvorsitzende des Landeselternrates Niedersachsen hat zu etwaigen Schulöffnungen eine ganz dezidierte Meinung. „Schulöffnungen können nur abhängig sein von entsprechenden Rahmenbedingungen und der Machbarkeit um den Infektionsschutz“, sagt sie. Es würde auch am 4. Mai noch keinen Impfstoff und kein Medikament geben, von daher hat sich ihrer Meinung nach noch nichts entscheidend dahingehend geändert, dass eine Öffnung der Schulen in Frage käme. Die Umsetzung des Hygienekonzeptes spielt für sie eine entscheidende Rolle. Sie hält diese Maßnahmen für kaum realisierbar. „Die Schulen werden einfach ein räumliches Problem haben“, verdeutlicht sie. Für die Vorstandsvorsitzende auch ein Problem: „Lehrer müssen sich unentwegt um Abstandsregeln kümmern und sollen auch qualifiziert unterrichten, und dann auch noch womöglich verlorene Zeit aufholen.“ In jedem Fall im Vordergrund steht für Cindy-Patricia Heine die Gesundheit. „Diese Tendenz hat sich in unzähligen Gesprächen herauskristallisiert.“ Die Sorgen von Kindern, die unter Umständen ihre im Alter schon ein wenig fortgeschrittenen Eltern nicht gefährden wollen, müssen ihrer Ansicht nach sehr ernst genommen werden. Sie wäre für eine offene Gestaltung der Sommerferien. „Mit Gelassenheit und Geduld sollten wir dieser Zeit begegnen. Kinder können auch zu Hause so viel lernen. Kein Kind wird dümmer aus diesem Schuljahr herausgehen als in den Jahrgängen zuvor. Unsere Kinder können so viel aufholen. Vorrangig wichtig sollte uns ihre und unsere Gesundheit sein“, verdeutlicht die Vorsitzende. Elke Moeken (GEW-Bezirksverband Braunschweig): Lob findet das grundsätzlich gemeinsame Vorgehen der Bundesländer bei der Lehrergewerkschaft GEW. „Das Wichtigste ist der Gesundheitsschutz der Schüler und Lehrer“, betont Elke Moeken vom GEW-Bezirksverband Braunschweig. Ihrer Ansicht nach müsse in den Schulen häufiger als bislang eine Grundreinigung erfolgen. Von Relevanz ist für sie auch die Beachtung der Chancengleichheit. Benachteiligte Schüler aus bildungsfernen Familien dürften mit dem jetzt nur eingeschränkt angebotenen Präsenzunterricht nicht hinten herunter fallen. Moeken schätzt zudem ein: „Beim digitalen Lernen hätten wir längst weiter sein können.“ Schließlich werde die niedersächsische Bildungscloud seit 2017 getestet – eine flächendeckende Umsetzung dieses virtuellen Klassenzimmers hätte jetzt viele Einzelmaßnahmen überflüssig gemacht. „Jetzt zeigen sich die Unterschiede zwischen den Schulen“, so die Gewerkschafterin. Max Gratl (Mitglied im Kreisschülerrat): „Ich finde es grundsätzlich richtig, Sicherheit walten zu lassen. Die Gesundheit der Schüler muss im Vordergrund stehen. Den Schritt, mit den Abschlussklassen anzufangen, finde ich gut, alles natürlich unter kontrollierten Bedingungen“, sagt Max Gratl. Er setzt auf die Schulen, die seiner Ansicht nach versuchen müssen, in Corona-Zeiten Angst herauszunehmen. Komplett ausblenden könne man die Situation sicherlich nicht, meint er. Jan Elstrod (Leiter der Grundschule Lenglern): Kein Problem mit dem Händewaschen sieht der Leiter der Grundschule Lenglern, Jan Elstrod. Es sei bereits vor der Corona-Krise ausreichend Seife eingekauft worden. Wie der Unterricht mit den vorgegebenen Abstandsregeln funktionieren soll, könne er im Moment noch nicht sagen. Das müsse sich in der Praxis ergeben. „Zum Glück verfügen wir über zwei Gebäude. So lässt sich einiges sicher entzerren“, sagt Elstrod. Franziska Stollberg (Leiterin Astrid-Lindgren-Schule Duderstadt): Franziska Stollberg begrüßt die Schrittweise Öffnung sehr. „Es ist für unsere Schüler sehr schwer, zu Hause diszipliniert zu lernen“, erklärt sie. Allerdings sieht sie durchaus Probleme auf sich und ihre Kollegen zukommen, die den nötigen Sicherheitsabstand und die Umsetzung der Hygienevorschriften betreffen. „Eine ehemalige Kollegin näht uns in Nachtschichten schon Mundschutzmasken“, berichtet sie. Rainer Wiemann (Leiter BBS I Göttingen): Der Schulleiter der Berufsbildenden Schulen I Göttingen, Rainer Wiemann, schätzt ein, dass noch viele Fragen im Detail geklärt werden müssten. „Wir begrüßen jedenfalls, dass der Unterricht in der nächsten Woche noch nicht beginnt“, sagt er. Bezüglich der Verhaltensregeln seien auch bei Berufsschülern einige Ansagen nötig, mehr oder weniger deutlich. Vergleichsweise sei die Einhaltung der Vorgaben an einer Berufsschule aber sicherlich einfacher umzusetzen, als an einer Grundschule. Maria Schmidt (Schuldezernentin in Göttingen): Göttingens Schuldezernentin Maria Schmidt (Grüne) möchte sich erst in der Sache äußern, wenn ihr die Verfügung des Landes schriftlich vorliegt. Das werde wohl am Freitag sein. Auf die Frage, ob ein Schulträger wie etwa die Stadtverwaltung Göttingen auch für die Ausstattung der Schulen mit Desinfektionsmitteln verantwortlich ist, sagt sie: „Ein Schulträger ist für die sächliche Ausstattung zuständig.“ Nach Tageblatt-Informationen ist im entsprechenden Gesetz beim Punkt sächliche Ausstattung aber nicht von Desinfektionsmitteln oder Schutzmasken die Rede. 22. April: Ab diesem Datum ist „Home Learning“ verbindlich für alle Schüler vorgeschrieben. Dabei werden die Schüler mit Lernplänen und Aufgaben von ihren Lehrkräften versorgt. Darüber hinaus wird auf dem Niedersächsischen Bildungsserver derzeit das Angebot erweitert, um zusätzliche Selbstlernangebote, (digitale) Unterrichtseinheiten und Online-Lernplattformen, Apps für alle Schulformen und Fächer bereitzustellen. Früher als geplant steht ab Anfang Mai auch die Niedersächsische Bildungscloud (NBC), ein kostenloses und barrierefreies Lernmanagement-System, zur Verfügung. 27. April: Ab dem 27. April wird das Land Niedersachsen die Schulen für die Abschlussklassen öffnen. Das bedeutet, dass die Abitur- und auch alle anderen Abschlussprüfungen unter Einhaltung der Hygienevorgaben des Robert-Koch-Instituts stattfinden. –Auch die Abschlussklasse der berufsbildenden Schulen starten am 27. April. 4. Mai: Die Grundschüler der Klasse 4, die sich am Übergang zur weiterführenden Schule befinden, steigen nach den Abschluss- und Übergangsklassen am 4. Mai ein. 11. Mai: Ab der 20. Kalenderwoche sollen gestuft die weiteren Jahrgänge aller Schulformen folgen. Für die 12. Klassen startet der Unterricht somit am 11. Mai. 18. Mai: Einstieg der Jahrgänge 3, 9 und 10. Hygienekonzept: Dieses soll durch die Schulträger umgesetzt werden. Das Verfahren soll unverzüglich mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmt werden. Ein Musterhygieneplan wird vom Kultusministerium zur Verfügung gestellt. Umschichtiges Verfahren: Dies ist für den Präsenzunterricht vorgesehen. Es sollen kleinere Lerngruppen gebildet werden. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten der Umsetzung, wie beispielsweise eines täglichen oder wöchentlichen Wechsels. Die Schulen sollen sich für ein Modell entscheiden und dementsprechend einen Plan erstellen. Lesen Sie auch: : Schülerinitiative Göttinger Schulen fordert „Durchschnittsabitur“ – Trittin zeigt Verständnis Schulen in Göttingen und der Region bereiten sich auf Digitalisierung vor Die Autoren erreichen Sie per E-Mail an: lokales@goettinger-tageblatt.de Von Vera Wölk, Ulrich Meinhard und Vicki Schwarze

Stufenweise Wiederaufnahme - Am 27. April geht es in den Schulen der Region wieder los