Amtsgericht Göttingen urteilt Bewährungsstrafe wegen Cannabis-Anbaus

Er wohnt in einem umgebauten Bauwagen, baut Obst und Gemüse an und propagiert ein Leben nach dem Motto „Zurück zur Natur“. Doch nicht alles, was in der Natur wächst und gedeiht, darf man auch in seinem Garten anbauen. Und deshalb musste sich am Dienstag ein 33-jähriger Mann aus dem Landkreis Göttingen vor dem Göttinger Amtsgericht verantworten. Der Angeklagte, der sich selbst als „Draußen-Mensch“ bezeichnet, hatte im vergangenen Sommer rund um seinen Bauwagen diverse Marihuana-Pflanzen angebaut. Als die Polizei nach einem Hinweis das Grundstück inspizierte, fanden die Beamten außer den Pflanzen auch rund 190 Gramm Marihuana, das im Inneren des Bauwagens deponiert war. Bewährungsauflage an die Jugendhilfe Göttingen: Das Gericht verurteilte den 33-Jährigen wegen unerlaubten Herstellens und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten. Die Strafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Als Bewährungsauflage muss der Angeklagte 720 Euro an die Jugendhilfe Göttingen zahlen. Mit seinem Urteil blieb das Gericht unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Diese hatte eine Bewährungsstrafe von einem Jahr gefordert, verbunden mit einer Geldauflage von 1000 Euro. Die Verteidigung plädierte dagegen auf eine viermonatige Bewährungsstrafe mit einer Geldauflage von 400 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte den 33-Jährigen ursprünglich auch wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln angeklagt. Dieser Vorwurf wurde im Laufe des Prozesses fallen gelassen. Der Angeklagte räumte in der Verhandlung die Anklagevorwürfe im Wesentlichen ein, bestritt aber jegliche kommerziellen Aktivitäten. Er habe die Cannabis-Pflanzen angebaut, weil diese schön und „was Natürliches“ seien. Außerdem gab er medizinische Gründe an. Weil er bei seiner Obst- und Gemüseanbautätigkeit öfter Rückenschmerzen bekommen habe, habe er gelegentlich Cannabis zur Schmerzlinderung konsumiert. Da ihm auch die Artenvielfalt wichtig sei, habe er Samen unterschiedlicher Cannabis-Pflanzen verwendet. „Dabei habe ich es mit dem Anbau wohl etwas übertrieben“, sagte er. Elf Pflanzen gefunden: Die Polizei hatte damals auf dem Grundstück insgesamt elf Pflanzen gefunden. Auf einem Hochbeet wuchsen die Jungpflanzen, die anderen zum Teil mannshohen Pflanzen waren auf dem Grundstück verteilt. „Alle Pflanzen waren frisch gewässert und gepflegt“, berichtete ein Polizist, der im August vergangenen Jahres bei der Durchsuchung dabei war. Dass die Beamten damals zu dem Grundstück ausrückten, hatte einen Grund, der eher nicht zu dem idyllischen Ambiente passte: Ein Bekannter des Angeklagten hatte die Polizei wegen eines Gewaltdelikts alarmiert. Der 33-Jährige habe ihn so stark gewürgt, dass er fast das Bewusstsein verloren habe, berichtete der 30-jährige Zeuge vor Gericht. Anlass der körperlichen Auseinandersetzung soll ein Streit um eine Frau gewesen sein, dies wurde allerdings in der Verhandlung nicht näher thematisiert. Grundstück und Bauwagen: Als die Beamten vor Ort eintrafen, wies der 30-jährige Zeuge sie auf die Cannabis-Plantage des Angeklagten hin. Die Polizisten inspizierten sowohl das Grundstück als auch den Bauwagen. Dort entdeckten sie in einer Kommode verschiedene Behältnisse mit getrockneten Marihuana-Blüten, unter anderem ein Glas mit der Aufschrift „Landliebe“ und mehrere Überraschungseier. Das Gericht wertete zugunsten des Angeklagten, dass dieser sich von Anfang an sehr kooperativ und geständig gezeigt habe. Als ehemaliger Jura-Student, der nach sechs Semestern das Studium abgebrochen hatte, habe er aber gewusst, dass der Anbau illegal ist. Der Angeklagte will nach eigenen Angaben jetzt die Finger von Cannabis lassen. „Seit neun Monaten rauche ich nicht mehr“, sagte er. Auch zu medizinischen Zwecken brauche er es nicht mehr, weil er ein anderes wirksames Mittel gefunden habe: Er habe seine alte durchgelegene Matratze entsorgt und schlafe nun auf einem Futon. „Seitdem habe ich keine Rückenschmerzen mehr.“ Von Heidi Niemann