Barrierefreiheit versus Verkehrsfluss: Busbuchten in Geismar sollen zurückgebaut werden

In Göttingen sollen der Fahrradverkehr und der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver werden. Die Verkehrsplanung der Stadt ist prinzipiell an den Zielen des Klimaschutzes ausgerichtet. Den Rahmen bildet ein vom Rat der Stadt beschlossener Klimaplan Verkehr. Ein Teil des Plans ist der barrierefreie Umbau der knapp 500 Bushaltestellen in Göttingen, weit mehr als die Hälfte hat unter Zuhilfenahme von Fördermitteln bereits eine Modernisierung erfahren. Im Fokus der Sitzung des Bauausschusses standen jetzt sechs Haltestellen in Geismar. Über deren künftige Gestaltung ist intensiv diskutiert worden, auch Bürger und Verbandsvertreter kamen zu Wort. Lesen Sie auch: Verkehrsverbände in Göttingen gegen Haltebuchten für Busse Dem grundsätzlich barrierefreien Umbau der Bushaltestellen Magdeburger Weg, Kiefernweg (jeweils beide Fahrtrichtungen), Hauptstraße stadtauswärts und Kurmainzer Weg stadteinwärts ist im Ausschuss zugestimmt worden. Die Bushaltestellen Magdeburger Weg und Kiefernweg (jeweils beide Fahrtrichtungen) sollen als Busbuchten erhalten bleiben. Berücksichtigung fand ein Änderungsantrag des Ratsherren Francisco Welter-Schultes (Piraten). Die Verwaltung ist aufgefordert worden, für die Haltestellen, bei denen die Buchten erhalten bleiben, einen ausreichend breiten Streifen der anliegenden Grundstücke zu erwerben oder die städtischen Nutzungsrechte über ein Wegerecht zu sichern, um ausreichend Platz für Fuß- und Radverkehr zu schaffen. Rückbau zu Fahrbahnrandhaltestellen: Die derzeitigen Busbuchten Hauptstraße stadtauswärts und Kurmainzer Weg stadteinwärts sollen zu Fahrbahnrandhaltestellen zurückgebaut werden. Und: Zukünftig sollen im Zuge von barrierefreien Haltestellenumbauten grundsätzlich vorhandene Busbuchten zurückgebaut werden, es sei denn, örtliche Bedingungen lassen dies nicht zu. Die Entscheidung im Ausschuss fiel mehrheitlich. Die Ausschussmitglieder der CDU stimmten gegen die Vorlage. Insbesondere mit der Vorgabe auf einen grundsätzlichen Rückbau von Busbuchten mochten sie sich nicht einverstanden erklären. „Es sollte jeweils eine Einzelpfallprüfung geben, keine pauschale Vorgabe“, kritisiert Ratsherr Hans Otto Arnold, er ist der Vorsitzende des Bauausschusses. Seiner Einschätzung nach haben Busbuchten durchaus Vorteile. Sie würden etwa das schnellere Durchkommen von Feuerwehr, Polizei und medizinischer Hilfe bei Einsätzen ermöglichen. Arnold bezieht sich im Gespräch mit dem Tageblatt auf eine Verkehrsuntersuchung, wonach ein bestimmtes Verhältnis von Autos und Linienbussen im Berufsverkehr erreicht sein müsse, um gezielt dem Busverkehr Priorität einzuräumen. Sprich: Im Göttinger Fall würden zu viele Autofahrer auf vergleichsweise zu wenige Leute in den Bussen Rücksicht nehmen müssen, wenn sie vor den am Fahrbandrand haltenden Bussen warten müssen. Autofahrer lassen Busse oft nicht aus der Haltebucht: Befürworter von Buskaps gehen anders an das Thema heran: Busse sollen zügig durch die Stadt kommen, um für Fahrgäste attraktive Alternativen zum Pkw zu sein und möglichst wenig teure Betriebszeit im Stillstand verbringen. So argumentiert der in Verkehrsthemen engagierte Göttinger Bürger Ralf Boeker. Je schneller ein Umlauf im Fahrplan sei, desto mehr Verkehrsleistung könnten Busse für ihr Geld erbringen. Auch Vertreter von ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub), VCD (Verkehrsclub Deutschland) und Pro Bahn befürworten Buskaps. Die würden umso wichtiger, wenn künftig E-Busse „ihre wenigen Minuten OppCharge-Ladedauer an Endhaltestellen zwingend einhalten müssen“, verweist Boeker auf die geplante Umstellung der Busflotte der Göttinger Verkehrsbetriebe. „Für den ÖPNV sind Busbuchten rein unpraktische Schikane, deren einziger Zweck es ist, Autofahrer am Bus vorbei zu lassen, die ihn dafür dann an der nächsten Ampel aufhalten“, meint er. Zudem werde die Verkehrsregel, einen blinkenden Bus sofort aus der Bucht heraus zu lassen, von Autofahrern oft ignoriert. Die Stadtverwaltung Göttingen hatte im Bereich Geismar Landstraße / Hauptstraße an sechs Haltestellen getestet, wie sich der geplante Umbau auswirkt. Die fünfwöchige Probephase startete Mitte August 2019. In dieser Zeit sind der Verkehrsfluss an den Haltestellen und auch mögliche Schleichwege dokumentiert worden. In Paragraf 20 der Straßenverkehrsordnung ist geregelt, wie sich Verkehrsteilnehmer im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel verhalten müssen. Darin heißt es: Omnibussen des Linienverkehrs und Schulbussen ist das Abfahren von gekennzeichneten Haltestellen zu ermöglichen. Wenn nötig, müssen andere Fahrzeuge warten. Das gilt nach Aussagen von Juristen auch, wenn Busse eine separate Bucht verlassen wollen. Ein weiteres Argument gegen Buchten: Um einzukurven, muss der Bus mit der „Nase“ den Bordstein überstreichen, der deshalb nicht höher als 15 Zentimeter gebaut werden darf. Für einen barrierefreien höhengleichen Einstieg wären jedoch 22 Zentimeter erforderlich. Von Ulrich Meinhard

Personennahverkehr - Barrierefreiheit versus Verkehrsfluss: Was passiert mit den Busbuchten in Geismar?