Biowärmezentrum Neues Heizwerk in Göttinger verbrennt Holz und wird kritisiert

Am Freitag soll das neue Göttinger Heizwerk mit Holzverbrennung vorgestellt werden. Etwa fünf Millionen Euro investieren die Stadtwerke in das Biowärmezentrum – so der offizielle Name. Das Projekt ist umstritten. Parallel zur Eröffnung organisiert ein Gegenbündnis eine Kundgebung. Die Grundidee ist nicht neu, die vorgesehene Technik hingegen noch Neuland: In der Anlage am Maschmühlenweg soll Holz verbrannt werden, um Wärme zu erzeugen. Vorgesehen ist ein Biowärmezentrum mit Holz und Holzhackschnitzel als Energieträger. In einem Teil der Anlage testen die Stadtwerke dabei mit wissenschaftlicher Begleitung eine Holzvergaseranlage. Der Bau der Schornsteine: Bei der Holzvergasung, der sogenannten Pyrolyse, wird die eingesetzte Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff zersetzt und in ein brennbares Gasgemisch überführt, das in einem Gasmotor verbrannt wird und damit Wärme und Strom erzeugt. Verbrannt werden soll Altholz wie Paletten sowie Frischholz aus der Region. Die neue Anlage fast vis-à-vis der Stadtwerke soll das veraltete Biogas-Heizkraftwerk der Stadtwerke an der Godehardstraße ersetzen und ebenfalls in Form von Fernwärme angeschossenen Betriebe sowie Wohngebiete beliefern. Zwei Etappen bis zur vollen Nutzung: In den Echt-Betrieb gehen wird das Biowärmezentrum voraussichtlich zu Beginn der Heizperiode, so Gerd Rappenecker, Technik-Vorstand der Stadtwerke. In einer ersten Phase würden jährlich etwa 8000 Tonnen Altholz der Kategorie A1 verbrannt werden – Abfallholz, das bereits mehrfach (zum Beispiel für Möbel und dann für Paletten) genutzt wurde. In der zweiten Phase in etwa zwei Jahren werde die Holzvergasung zugeschaltet. Darin würden jährlich weitere 8000 Tonnen Holz unter Ausschluss von Sauerstoff in ein Gasgemisch überführt und dann zur Strom- und Wärmegewinnung verbrannt. Das Frischholz werde aus der Region bezogen – mit einem Transportradius von etwa 50 Kilometern. Neue Technik mit neuem Partner: Das alte Heizkraftwerk der Stadtwerke an der Godehardstraße beliefert zurzeit etwa 200 Gebäude ganzjährig mit Wärme. Die Anlage besteht aus sechs Gasmotoren, die auf Basis von Kraft-Wärme-Kopplung Wärme und Strom erzeugen. Vier der Anlagen werden mit Rohbiogas aus der Biogasanlage Rosdorf versorgt. Zwei Motoren müssen bis 2020 ersetzt werden. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben dafür „nach einem wirtschaftlichen, zukunftsfähigen und vor allem nachhaltigen Konzept gesucht“. Mit dem Start-Up-Unternehmen Boson Energy SA in Luxemburg hätten die Stadtwerke dafür einen Partner gefunden, der Anlagen auf dem Gebiet der biogenen Wärme- und Energiegewinnung entwickelt. Im neuen Biowärmezentrum soll Holz unter anderem „vergast“ werden. Bei der Pyrolyse wird die eingesetzte Biomasse unter Ausschluss von Sauerstoff zersetzt und in ein brennbares Gasgemisch überführt, das in einem Gasmotor verbrannt wird und Wärme sowie Strom erzeugt. Pyrolyse-Anlagen werden normalerweise bei Temperaturen ab 200 Grad Celsius betrieben. Boson habe das Patent auf Pyrolyse im Hochtemperaturbereich ab 1000 Grad Celsius, bei dem alle schädlichen Prozessrückstände wie Ruß und Teer vermieden werden. us/bb Das sagen Kritiker: Holzverbrennung allerdings „ist nicht klimaneutral“, kritisierte Christian Jooß, Hochschullehrer am Institut für Materialphysik der Universität Göttingen und Sprecher des „Bündnisses gegen die Holzverbrennungsanlage“ am Dienstag. Anstatt Kohlenstoff im Holz als Bau- und Dämmstoff zu binden und damit die CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu senken, werde in großen Mengen CO2 freigesetzt. Schon durch Trockenheit und Borkenkäfer belastete Wälder könnten kollabieren, immer mehr Holz müsse importiert werden – auch Tropenholz. Zudem würden bei der Verbrennung von Holz giftige Abgase, Stickoxide und Feinstaub freigesetzt. Klimaziel „wird nicht erreicht“: Das Bündnis kritisiert auch die Stadt. Sie habe 2020 einen Klimaschutzplan verkündet. Ziel sei es, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent zu senken. Seitdem sei aber „kaum etwas Wirksames geschehen“, sagt Jooß. Das neue Biowärmezentrum hingegen „suggeriere“ nur einen Schritt in Richtung Klimaschutz. Das könnte Sie auch interessieren: -> Baubeginn des Göttinger Biowärmezentrums -> Das geplante Biowärmezentrum, –Ökologisch weit vorne -> Bündnis gegen Biowärmezentrum -> Fernwärmenetz soll in Richtung Geismar ausgebaut werden -> Kritik am Biowärmezentrum -> Warnung vor Feinstaub und Ultragiften -> Die Seite der Stadtwerke zum BioWärmeZentrum „Eine positiver Klimabilanz“: Rappenecker dementiert die Vorwürfe. Zum einen werde mit dem Holz ausschließlich erneuerbare Energie genutzt. Zum anderen reduziere die Technik den Ausstoß von Stoffen erheblich. Alle Grenzwerte würden eingehalten. „Ja, es wird dennoch CO2 freigesetzt“, räumt Rappenecker ein. Dennoch werde unterm Strich eine „absolut positive Energiebilanz“ stehen. Das Holz wachse nach. In der Region Göttingen werde zudem ausschließlich Holz-Überschuss – „also quasi die Zinsen der Holzwirtschaft“ – vermarktet. Natürlich könne diese Form der Wärmeerzeugung nicht die alleinige sein, um alte Verfahren zu ersetzen, „aber es kann ein sinnvoller Baustein sein.“ Geplante Demo: Am Freitag, 23. August, soll das fertiggestellte Biowärmezentrum feierlich vorgestellt werden. Das Bündnis organisiert für 14 Uhr vor dem Grundstück eine Gegen-Kundgebung unter dem Motto „Holzverbrennung aus Profitgründen? – Uns stinkt‘s!“ Von Ulrich Schubert

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