Bombe in Göttingen: Evakuierungspläne für die Bombenräumung sorgen für Unmut

Ein Tag im Evakuierungszentrum, vielleicht mit hunderten anderen Menschen, mitten im Corona-Lockdown – diese Aussicht sorgt bei Anwohnern in Göttingens Weststadt für Verunsicherung und Unmut. Am letzten Januarwochenende, 30. und 31. Januar, sollen sie im Zuge einer Bombenräumung an der Godehardstraße ihre Wohnungen verlassen. In einem offenen Brief beklagen sie die Planung der Stadtverwaltung. Mehr Planungssicherheit versprechen indes die Lockerungen der Corona-Regeln für die Tage der Räumung – und Stadtverwaltung und Hotellerie bemühen sich, offene Fragen und Ungereimtheiten zu beseitigen. „Verärgerung und Verständnislosigkeit“ prägten ihre Haltung zu den Plänen der Stadtverwaltung für die Evakuierung, schreiben in ihrem Brief, der dem Tageblatt vorliegt, mehr als 30 Anwohner des Umkreises um die Stelle an der Godehardstraße, an der im Boden vier Fliegerbomben aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet werden. Organisiert hat den Protest Sabine Niekamp, die in unmittelbarer Nähe des Fundortes der Bombe wohnt. Sie hätte noch viel mehr Menschen finden können, berichtet Niekamp – doch ihrem Unmut wollte sie vor allem schnell Luft machen. Wegen Bombe ins Hotel? Anwohner kritisieren Stadt Göttingen: Dieser entzündet sich bei Niekamp und ihren Mitunterzeichnern vor allem an den Plänen der Verwaltung für die Evakuierungszentren und am Angebot von elf Hotels im Stadtgebiet, ihre Zimmer für die Dauer der Evakuierung an die Betroffenen zu vermieten. Ein Teil der Hotels vermiete normalerweise Zimmer für einen niedrigeren Preis als 66 (Einzelzimmer) respektive 77 Euro pro Nacht (Doppelzimmer) inklusive Frühstück. „Wird hier auf dem Rücken der Betroffenen versucht, zusätzlich Geld zu verdienen?“, fragt Niekamp im Namen der Anwohner. Weitere Kritik formulieren Niekamp und ihre Mitstreiter daran, dass Hotels wie „Freigeist“ und „Stadt Hannover“ innerhalb des erweiterten 1250-Meter-Radius liegen, den zu räumen die Verwaltung für die Dauer der Evakuierung appelliert, und daran, dass der Beginn der Räumung am frühen Morgen praktisch dazu zwinge, eine zweite Übernachtung von Freitag auf Sonnabend zu bezahlen. Feuerstein und Schmetz versprechen Nachbesserungen: Die Vorwürfe der Anwohner kann Olaf Feuerstein, Vorsitzender des Kreisverbandes Göttingen des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, nachvollziehen und verspricht Nachbesserungen. „Das sind Ungereimtheiten, die in der Eile passiert sind“, erklärt Feuerstein – Priorität habe zunächst gehabt, überhaupt Alternativen zu schaffen. Eine zweite Nacht zu buchen werde nicht nötig sein. „Wir brauchen Flexibilität, und wir werden sie auch schaffen“, verspricht Feuerstein. Die Übernachtungspreise verteidigt er: Es sei darum gegangen, einheitliche Preise anzubieten. Lesen Sie auch Bombenfund in Göttingen: Land erlaubt Corona-Lockerungen für Evakuierung Göttingen: Das sind die Infos zu Bombenentschärfung und Evakuierung am 30. Januar Das tragische Unglück von Göttingen Ist es eine Bombe? Als Göttingen im Oktober 2019 den Atem anhielt Bombenräumung wirbelt Göttingen durcheinander Dass Hotels im 1250-Meter-Radius liegen, sei kein Widerspruch zur restlichen Planung, sagt Christian Schmetz (CDU), Erster Stadtrat. Zwischen 1000 und 1250 Metern Entfernung zum Fundort der vermeintlichen Bomben gelte lediglich die Empfehlung, sich zu schützen, und keine Räumungspflicht. Innerhalb dieses Bereichs werde man trotz sehr geringen Risikos im Fall einer Detonation gesondert vorzuwarnen. Haustiere sollen in Evakuierungszentren unterkommen können: Die Anwohner haben indes weitere Fragen: Was ist mit Haustieren? Schmetz verspricht die Einrichtung von Zelten und Anlaufplätzen in den Evakuierungszentren, wo Tiere und Besitzer gemeinsam Zeit verbringen können. Das habe zuletzt im Oktober 2019 gut funktioniert. Wie sollen Anwohner, die nicht oder nur wenig deutsch sprechen, informiert werden? Mit den bereits verteilten Flyern habe man zunächst einmal schnell informieren wollen, so Schmetz. Mehrsprachig werde die Verwaltung online informieren und ihre Multiplikatoren vor Ort – also etwa das Weststadtzentrum – nutzen, um die Informationen zur Evakuierung an die Anwohner heranzutragen. Zumindest einige der Sorgen von Anwohnern vor der Evakuierung am letzten Januarwochenende, 30. und 31. Januar, werden durch die Ankündigung des Landes Niedersachsen, für Betroffene vorübergehend die Corona-Regeln zu lockern, abgemildert. Denn: Die Niedersächische Corona-Verordnung ermöglicht „zur Gefahrenabwehr“ auch Treffen von mehr als zwei Personen als einem Haushalt und maximal einer Person aus einem zweiten Haushalt. Nach der ersten Pressekonferenz der Stadt Göttingen mussten Anwohner noch davon ausgehen, dass sie die strengen Regeln des aktuellen Corona-Lockdowns einhalten müssen. Der Corona-Verordnung des Landes Niedersachsen zufolge dürfen sich Personen, die während der Bombenräumung ihre Wohnung verlassen müssen, sowie Personen, die ihre Wohnung Evakuierten zur Verfügung stellen, mit zwei Haushalten treffen. Damit können auch Familien bei Freunden, Bekannten oder Verwandten unterkommen. Enge Familienangehörige dürfen aufgenommen werden, selbst wenn sie aus mehr als zwei Haushalten stammen. Dazu gehören unter anderem Lebenspartner, Geschwister und deren Lebenspartner. Von Tammo Kohlwes